zurück zum Artikel

Warum Deutsche, aber keine Bundeswehrsoldaten im Donbass kämpfen

Der britische Challenger-Panzer im Einsatz für die ukrainischen Streitkräfte. Bild: Screenshot Video / armyinform

Russische Medien berichten über Bundeswehrsoldaten in ukrainischen Frontpanzern. Das lässt sich leicht entkräften. Aber es erinnert an ein anderes Thema, das kaum Beachtung findet.

Eine Meldung [1] der regierungsnahen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti über angebliche Bundeswehrsoldaten in Leopard-Panzern im Donbass brachte das Thema "kämpfende Deutsche im Ukrainekrieg" nach langer Zeit wieder in den Fokus der Medien. Die Geschichte wurde auch vom RT-Redakteur Gert Ewen Ungar in den deutschen sozialen Netzwerken wie eine Tatsache engagiert verbreitet [2].

Dünne Quelle und einfache Erklärung

Die meisten "Faktenchecker" westlicher Medien begründeten ihre Ablehnung dieser Story mit der Meinung [3], "RIA Novosti ist bekannt dafür, kremlfreundliche Falschmeldungen zu verbreiten" (O-Ton Sophia Khatsenkova, Euronews). Aber zu dem Angriff auf die Glaubwürdigkeit oder einem von der Deutschen Welle eingeholten offiziellen Dementi des Deutschen Verteidigungsministeriums hätte man gar nicht greifen müssen. Denn auch ohne diese Umstände steht die Vertrauenswürdigkeit der Meldung stark infrage.

Sie beruht nur auf einer einzelnen, namentlich nur mit Decknamen genannten Quelle aus der russischen Armee, die jede Nachprüfung ausschließt. Hier fragt sich, warum man das im Informationskrieg bei angeblich guter Indizienlage vonseiten der Kreml-Medien nicht besser aufbereitet hat.

Das Geschehen ist zudem abseits einer Bundeswehr-Beteiligung einfach erklärbar, selbst wenn man davon ausgeht, dass im Panzer Deutsche gesessen haben. Es ist ja durch zahlreiche Medienberichte bezeugt, dass deutsche Staatsbürger auf beiden Seiten der Front im Ukrainekrieg als Söldner kämpfen.

Die Kämpfer auf ukrainischer Seite werden als Betroffene Presseberichte [4] kennen, wonach in russischen Einheiten 10.000 Euro Kopfprämie für tote ausländische Söldner der Ukrainer bezahlt werden. Und so ist es nachvollziehbar, wenn der Soldat im getroffenen Panzer versucht, sein Leben zu retten, indem er sich als regulärer Kombattant im Staatsauftrag statt als Söldner darstellt. Es könnte sein Leben retten, wenn man ihm glaubt.

Es ist auf jeden Fall wahrscheinlicher, als dass sich unter Umgehung der Zustimmungspflicht des Bundestags [5] Bundeswehrsoldaten im Kampfeinsatz im Donbass aufhalten. Würde ein solcher Umstand wirklich zweifelsfrei aufgedeckt, wäre das ein herber Schlag für die Berliner Befürworter einer möglichst großen aktiven Waffenhilfe für Kiew. Denn selbst der Anhang der entsprechenden Parteien würde einen solchen Einsatz nicht gutheißen.

Dass es sich bei deutschen Söldnern durchaus um frühere Bundeswehrsoldaten handeln kann, ist immer wieder Gegenstand von Berichten [6] russischer und deutscher [7] Medien. Gerade in der Region Saporischija, in der auch der deutsch besetzte Panzer laut RIA gefahren sein soll, sind zweifelsfrei Deutsche in der Kampfzone.

In den Reihen der Russen wird vor allem von zurückgekehrten Spätaussiedlern berichtet [8], die für die Invasionsarmee kämpfen. Währenddessen tauchen auf ukrainischer Seite in Presseberichten vermehrt einheimische Deutsche auf.

Das Korps deutscher Neonazis

Hierbei ist es oft unklar, welche Formationen offiziell Teil der Internationalen Legion der Ukraine und damit formell auch der offiziellen Streitkräfte sind und welche nur mit diesen ohne solche Anerkennung kooperieren. Als Teil dieser Legion bezeichnet sich selbst [9] und wird auch in ukrainischen, nicht amtlichen Quellen ein im Februar 2023 offiziell gegründetes "Deutsches Freiwilligenkorps" genannt [10]. Andere ukrainische Quellen [11]sprechen davon, dass eine solche deutsche Formation parallel zu den Legionseinheiten aus Belarus oder Polen aufgebaut werden soll.

Diese Truppe stammt [12] aus dem Umfeld der rechtsextremen, offenen Neonazi-Partei "Der III. Weg". Sie stellt sich, anders als die russlandfreundliche AfD oder die NPD, im Ukrainekrieg offen auf die Seite Kiews. Das "Korps" postet [13] in seiner Telegramgruppe auch gerne einmal die Wehrmacht verherrlichenden Content und unterhält gute Verbindungen zum ebenfalls neonazistischen und auf ukrainischer Seite kämpfenden Russischen Freiwilligenkorps, das durch Überfälle auf das Grenzgebiet Russlands bekannt ist [14]. Oder zur ukrainischen Neonazi-Truppe Asow [15].

Hierbei soll jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, alle deutschen Kämpfer für die Ukraine kämen aus der rechtsextremen Ecke. Über solchen Verdacht erhaben sind etwa all diejenigen, die großen deutschen Medien Interviews geben.

Beispielsweise der Ex-Soldat Jonas Kratzenberg, Buchautor und Dauergast bei vielen deutschen Zeitungen, zuletzt beim Spiegel [16]. Obwohl er für diese auch unliebsame Wahrheiten parat hat, wie etwa: Die "Ukraine ist von Kopf bis Fuß ein korruptes Land und das trifft auch auf das Militär zu", wie er es dem Münchner Merkur erzählte [17].

Die große Frage nach der Dimension

Wie viele Deutsche genau im Donbass unter Waffen stehen, ist schwer zu sagen. Beide Seiten sind erpicht darauf, sich diesbezüglich nicht in die Karten schauen zu lassen. Die deutschen Behörden erwecken den Eindruck, es nicht zu wissen und geben maximal zweistellige, amtlich dokumentierte Fälle an. Doch die Mehrheit der Fälle wird eben nicht auf diese Weise dokumentiert sein.

Im April 2022 sollen nach offiziellen Angaben aus Kiew insgesamt 20.000 ausländische Freiwillige für die Ukraine gekämpft haben. Im Februar 2023, ein Jahr nach Kriegsbeginn, soll die große Mehrheit von ihnen das Land wieder verlassen haben. Die US-Zeitschrift Vice beziffert [18] die Zahl der da Gebliebenen zu diesem Zeitpunkt auf 1.000 bis 3.000 unter Berufung auf einen in der Internationalen Legion kämpfenden US-Amerikaner.

"Vielleicht 20 Prozent der Jungs fliehen, wenn sie das erste Mal unter Artilleriefeuer stehen und der Rest versickert dann langsam. Fast alle sind nach drei bis sechs Monaten verschwunden" zitiert das Magazin den Kriegsveteranen. Die große Zeit der ausländischen Kämpfer in Kampfpanzern ist also vorbei. Gestorben wird dennoch weiter.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9328013

Links in diesem Artikel:
[1] https://ria.ru/amp/20230923/tank-1898197755.html
[2] https://x.com/GertEwen/status/1705541206862909736?s=20
[3] https://de.euronews.com/my-europe/2023/09/29/wahr-oder-falsch-wurden-in-der-ukraine-bundeswehr-soldaten-bei-einem-russischen-angriff-ge
[4] https://www.tagesspiegel.de/internationales/10000-dollar-kopfpramie-7000-dollar-monatslohn-auch-deutsche-kampfen-fur-die-russische-wagner-truppe-in-der-ukraine-9232377.html
[5] https://www.gesetze-im-internet.de/parlbg/index.html
[6] https://iz.ru/1491926/2023-04-01/rogov-zaiavil-o-poiavlenii-nemetckikh-naemnikov-na-zaporozhskom-uchastke-fronta
[7] https://www.n-tv.de/politik/Warum-ein-Deutscher-fuer-die-Ukraine-in-den-Krieg-zog-article24087070.html
[8] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutscher-russland-krieg-putin-donbass-kriegsgefangenschaft-ukraine-100.html
[9] https://t.me/DeutschesFreiwlligenKorps/
[10] https://uk.wikipedia.org/wiki/%D0%86%D0%BD%D1%82%D0%B5%D1%80%D0%BD%D0%B0%D1%86%D1%96%D0%BE%D0%BD%D0%B0%D0%BB%D1%8C%D0%BD%D0%B8%D0%B9_%D0%BB%D0%B5%D0%B3%D1%96%D0%BE%D0%BD_%D1%82%D0%B5%D1%80%D0%B8%D1%82%D0%BE%D1%80%D1%96%D0%B0%D0%BB%D1%8C%D0%BD%D0%BE%D1%97_%D0%BE%D0%B1%D0%BE%D1%80%D0%BE%D0%BD%D0%B8_%D0%A3%D0%BA%D1%80%D0%B0%D1%97%D0%BD%D0%B8#cite_note-52
[11] https://apostrophe.ua/ua/article/politics/foreign-policy/2023-03-15/gusaryi-smerti-zachem-ukraine-nujen-inostrannyiy-legion/50995
[12] https://t.me/DeutschesFreiwlligenKorps/289
[13] https://t.me/DeutschesFreiwlligenKorps/45
[14] https://www.telepolis.de/features/Exilrussen-im-Dienst-der-Ukraine-ueberschreiten-Grenze-zu-Russland-9062714.html
[15] https://www.deutschlandfunk.de/asow-regiment-stepan-bandera-ukraine-100.html
[16] https://www.spiegel.de/geschichte/von-beruf-soeldner-ich-will-nicht-wie-ein-bluthund-enden-der-immer-dem-krieg-hinterherlaeuft-a-696306fe-d2d0-4f27-aa3a-fd8406e70f95
[17] https://www.merkur.de/politik/ukraine-krieg-legionaer-deutschland-erlebnis-schilderung-verwundet-butscha-russland-sieg-zr-92236106.html
[18] https://www.vice.com/en/article/88qwm3/foreign-fighters-in-ukraine