Warum Frankreich in Westafrika die Kontrolle entgleitet

Seite 3: Antikoloniale Rhetorik en vogue

In Frankreich und bei dessen Verbündeten dagegen löste die Nachrichten über die russischen Aktivitäten erwartungsgemäß Entrüstung aus. Der russische Außenminister Lawrow dementierte in einer Rede vor der UN jeglichen Einfluss auf den Deal mit dem vorgeblich privaten Sicherheitsunternehmen Wagner.

Anti-koloniale Ressentiments bestärkend, behauptete er sogar, Josep Borrell, der Hohe Vertreter der EU für Außenpolitik, hätte ihm gesagt, er solle sich von Afrika fernhalten, es gehöre sozusagen zu Europa.

Mit diesen Tönen wird er sicher auf einige empfängliche Ohren stoßen – zumal die Dominanz ehemaliger Kolonialmächte in Afrika keine Selbstverständlichkeit mehr ist. So hat Russland Frankreich beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik den Rang abgelaufen und konnte Sicherheitsberater-Positionen in der Regierung sowie öffentliche Waffenkäufe für sich entscheiden. Von 2012 bis 2016 war es zudem größter Waffenexporteur nach Afrika.

Unsere Kämpfe – eure Kämpfe

Doch nicht alle geopolitischen Misserfolge lassen sich auf den Bösewicht Russland schieben. Im Niger beispielsweise, konnte die Türkei – gegen die Frankreich zuletzt auch im libyschen (Ge)Schach(er) verlor – neue Waffendeals sichern.

Bestätigung bekommt die nigrische Regierung dabei von einem umfassenden Gewerkschaftsbündnis, welches auch die größte Gewerkschaft des Landes, die Union des Syndicats des Travailleurs du Niger (USTN) mit einschließt.

Beiläufig fordert es eine Diversifizierung der militärischen Partner in einem Kommuniqué, das einen Abzug aller französischer Truppen fordert und den französischen Staat einen Feind des nigrischen Volks nennt.

Das Kommuniqué wurde Mitte November veröffentlicht und man könnte zynisch meinen, dass die Franzosen ihm nachträglich etwas Glaubwürdigkeit verliehen, als der in Burkina schon verspätete französische Militärkonvoi den Niger erreichte. Auch hier erwarteten ihn Proteste und Blockaden.

Nigrische Sicherheitskräfte, die den Konvoi zum Schutz begleiten sollten, konnten offensichtlich nicht die Sicherheit der Bevölkerung garantieren, als die Situation zwischen Protestierenden und französischen Soldaten im Dorf Téra eskalierte. Dabei starben drei Personen, 18 weitere wurden teils schwer verletzt.

Der Sprecher des französischen Militärs gab auch hier an, dass Frankreich nicht für die tödlichen Schüsse verantwortlich sei. Doch eine Äußerung des kurz darauf versetzten nigrischen Innenministers lässt darauf schließen, dass die Schüsse eher den französischen Soldaten zuzuordnen seien.

Eine Untersuchungskommission werde eingerichtet (ob dies nach dem Ministerwechsel noch geplant ist, ist jedoch nicht bekannt). Der nigrische Präsident Mohamed Bazoum verteidigte jedoch die französische Militärpräsenz generell. Ihr Abzug würde ins Chaos führen.