Warum das 50-Milliarden-Geschenk an die Industrie Murks ist
Energie und Klima – kompakt: Bundesregierung will industrielle Energieverschwendung stärker belohnen. Dabei fallen die Strompreise längst wieder. Über fossiles Weiter-so statt erneuerbare Intelligenz.
Die Bundesregierung will, wie berichtet, den Industriestrom kräftig subventionieren. Bis zu 30 Milliarden Euro könnten fließen und der Deutsche Gewerkschaftsbund, dessen Mitglied IG Metall seit Monaten dafür trommelt, begrüßt diese Begünstigung ausdrücklich.
Ein Niveau von sechs Cent für 80 Prozent des Bedarfs sei angemessen und ausgewogen, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes. Derweil scheint die DGB-Chefin Yasmin Fahimi ein Kommunikationsproblem mit ihrer Pressestelle zu haben, denn sie fordert im Handelsblatt, wie erwähnt, sogar einen Strompreis von vier Cent pro Kilowattstunde, was noch einmal 20 Milliarden Euro drauflegen und 50 Milliarden Euro Subventionen bedeuten würde.
Aber wie dem auch sei: Was ist von einem solchen Ruf nach Staatshilfen für eine Industrie zu halten, die seit vielen Jahrzehnten durch ihre Exportlastigkeit für erhebliche Ungleichgewichte im Welthandel und Verschuldungskrisen andernorts sorgt?
Lassen wir einmal den letzten Aspekt, das heißt, die für Länder wie etwa Griechenland verheerende Schlagseite der deutschen Industriepolitik beiseite und fragen nur nach dem Strompreis und der deutschen Energiepolitik.
In der Tat hat der Strompreis für Industrie und Verbraucher 2022 einen nie zuvor gesehenen Höhenflug erlebt, und das, obwohl der Bundestag zeitig die Umlage nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz abschaffte. Zuletzt hatte diese noch 3,72 Cent pro Kilowattstunde betragen, 2021 mussten sogar 6,5 Cent pro Kilowattstunde gezahlt werden.
Allerdings ist der Preis-Höhenflug schon wieder vorbei, zumindest für die Industrie, wie eine Analyse des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft zeigt. Mit derzeit 28,378 Cent pro Kilowattstunde hat sich für Industriekunden bei Neuverträgen der Preis gegenüber dem zweiten Halbjahr 2022 nahezu halbiert, liegt allerdings noch immer rund sieben Cent pro Kilowattstunde über dem Niveau von 2021.
Ein privater Haushalt, aber das nur am Rande, bezahlt nach der gleichen Analyse derzeit bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr knapp 47 Cent pro Kilowattstunde, was deutlich mehr als selbst im zweiten Halbjahr 2022 ist. Angesichts des sinkenden Börsenstrompreises dürfte das damit den Stromhändlern einen satten Extraprofit bescheren.
Sollten die Subventionen nicht besser nachhaltige Selbstversorgung fördern?
Auch der Staat langt übrigens bei den Privatkunden über die Mehrwertsteuer ganz gut hin. Diese liegt derzeit um knapp 2,4 Cent pro Kilowattstunde höher als noch 2021. Bei einem geschätzten Jahresverbrauch von 120 Milliarden Kilowattstunden (2021 betrug der Verbrauch 126,8 Milliarden Kilowattstunden, dürfte aber inzwischen wegen des hohen Preises etwas zurückgegangen sein) wären das immerhin Mehreinnahmen von rund 2,5 Milliarden Euro.
Aber zurück zum Börsenstrompreis. An der Leipziger Börse konnte man in den letzten Tagen Geld verdienen, wenn man Strom verbraucht hat. Dem Vernehmen nach sollen daher zu Pfingsten in Augsburg auch tagsüber die Straßen beleuchtet gewesen sein. Der Grund war die hohe Solarstromerzeugung bei gleichzeitig niedriger Nachfrage aufgrund der Feiertage.
Aber das ist natürlich nicht die Regel und spricht vor allem dafür, dass mehr und schneller in diverse Speichertechnologien investiert werden muss. Unter anderem sollte die über hohe Gaspreise jammernde Chemieindustrie Elektrolyseanlagen anschaffen, um sich ihren Wasserstoff selbst zu erzeugen. Dafür wären die Angebotsspitzen bei Solar- und im Winter auch beim Windstrom bestens geeignet.
Wasserstoff braucht die Chemieindustrie als Grundstoff und gewinnt ihn bisher, indem sie Erdgas zerlegt und dabei jede Menge CO2 freisetzt. Außerdem könnte sie den Wasserstoff bei Bedarf auch in ihren Gaskraftwerken einsetzen, wenn sie diese dafür ein bisschen umrüsten würde.
Die deutsche Industrie – insbesondere die Chemieindustrie – produziert nämlich im erheblichen Umfang ihren eigenen Strom, und zwar zumeist in Gaskraftwerken. 35,7 Milliarden Kilowattstunden waren es nach den Daten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme 2021.
Man muss wohl davon ausgehen, dass diese industriellen Selbstversorger ebenfalls die Hand aufhalten werden, wenn demnächst der Industriestrom subventioniert werden sollte. Und was ist dann mit der zunehmenden Zahl von Industriebetrieben, die sich Solaranlagen auf die Fabrikdächer für den Eigenbedarf montieren?
Sollte man statt neuer Subventionen – neuer, denn der Industriestrom ist auch bisher schon auf vielfältige Weise begünstigt – nicht lieber diese solare Selbstversorgung fördern? Vielleicht auch den Einsatz von Elektrolyseuren für die Selbstversorgung mit Wasserstoff?
Oder will man die Industrie tatsächlich dafür belohnen, dass sie aufgrund des Schielens auf den schnellen Gewinn seit vielen Jahren nur zögerlich die gewaltigen Einsparpotenziale nutzt, die sie beim Energieverbrauch hat?
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