Warum der Staatsschutz eine "Transfrau" vor Linken, Rechten und Islamisten schützen musste

Seite 2: Linken-Parteitag zwischen Toleranz und Beschimpfung

Ihre Kandidatur auf einem Frauen-Listenplatz für den Vorsitz auf dem Hamburger Landesparteitag sorgte sogar bundesweit für Turbulenzen. Haben Sie das genossen?

Es war schon rührend zu erleben, wie meine sonst so oft auf extensive Toleranz und Transgender-Pluralität fixierten Genossinnen und Genossen in Hamburg ihren Landesparteitag meinetwegen für zwei Stunden mit aggressivsten Beschimpfungen unterbrochen haben. Die einen wollten mich körperlich angreifen. Die anderen fürchteten um ihren politisch korrekten Gender-Ruf.

Allein diesen Widerspruch zu zelebrieren, war die Aktion wert. Identitätspolitiken aller Art zersetzen eine wirkliche soziale Opposition. Wir sollten uns stattdessen auf vier Punkte konzentrieren: Meinungsfreiheit, Stärkung des Sozialstaats, Rettung des Mittelstands und Abrüstung.

Wie zuvor erwähnt: Das alles Ganze fand auf der 1. Tagung des 8. Parteitags der Linken in Hamburg statt. Wie entsteht aus so einem trockenen Event eine satirische Rolle?

Bijan Tavassoli: Ich will mich jetzt wirklich nicht mit Eulenspiegel, Harlekin oder Simplicissimus messen. Aber in manchen Satiren steckt auch ein gewisses Maß an einfühlendem Vergnügen am Gegenstand. Ein Hofnarr, der einen König karikiert, muss ihn auch irgendwie mögen. Sonst wäre die Satire vielleicht nicht so leidenschaftlich und glaubwürdig.

Ob der Vers im Gedicht, die leere Leinwand oder der Marmorstein des Bildhauers: Kreativität besteht immer darin, in begrenzter Form neue Ausdrucksmöglichkeiten zu schaffen.

Parteitage haben oft etwas Rituelles, Inhalte werden durch Akzente und Nuancen gesetzt. Selbst Kenner tun sich manchmal schwer mit der Einordnung. Und für junge Menschen oder solche, die sich neu für Parteipolitik interessieren, ist es ein Buch mit sieben Siegeln. Dabei gibt es kaum Unterschiede zwischen Parteitagen der KPdSU, der Linken oder gar der FDP. Und die Frage, ob diese Form der Politik, die vor zwei Jahrhunderten erfunden wurde, noch zeitgemäß ist, wird viel zu selten gestellt.

Wieso Satire als Politikform?

Bijan Tavassoli: Nun, ich gehe mit dem Begriff Satire zurückhaltend um. Satire ist ein Privileg der Subalternen gegenüber den Herrschenden. Herrschen tun in Deutschland weder Transmenschen, noch Muslimas und erst recht nicht die Linkspartei. Deswegen würde ich es nicht als Satire, sondern eher als investigative Drag-Performance bezeichnen.

Also neu gefragt: Wieso eine Drag-Performance als Politikform?

Bijan Tavassoli: Ich hielt das für notwendig, weil die heutige Linke keine glaubwürdigen Lösungskonzepte mehr anzubieten hat. Links und rechts laufen ihr die Wähler und inzwischen auch die Mitglieder weg.

Eine plurale Linke lebt vom Diskurs und davon, in kritischen Fragen auch nach innen Chancen zu sehen, Antworten auf die Herausforderungen der Zeit zu finden. Das ist vorbei, stattdessen übt sich die Parteiführung in der mantrahaften Wiederholung von Glaubenssätzen.

Es hat sich eine gewisse Führerbunkermentalität eingeschlichen. Aber wenn man schon nicht in der Lage ist, mit innerparteilicher Kritik kreativ umzugehen, wie will man dann von den einfachen Mitgliedern erwarten, dass sie am Infostand den Wählern Rede und Antwort stehen?

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