Warum die Debatte um Faktenchecks auch Deutschland bevorsteht
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Der Digital Services Act setzt dem Meta-Chef noch Hürden. Doch auch die EU wird unter Druck geraten. In Deutschland sorgt hauptsächlich ein Akteur für Kontroversen.
Die Ankündigung des Facebook-Chefs Mark Zuckerberg, die sogenannten Faktenchecks auf der Plattform in den USA abzuschaffen, hat auch in Europa für Diskussionen gesorgt. Der Grund: In den USA soll die Community stärker eingebunden werden, um die Verbreitung von Falschinformationen einzudämmen. Doch die Online-Community ist Teil der Gesamtgesellschaft – und wie diese polarisiert.
Das wird unweigerlich zu Folgeproblemen führen. Denn gerade, wenn Faktenchecks in laufende politische oder wissenschaftliche Debatten eingreifen, sorgen sie selbst für Kontroversen. Viele User stellen sich daher die Frage: Könnte Meta die neuen Regeln auch in Deutschland einführen? Hier sorgt vorwiegend einer der Meta-Partner für Kontroversen, indem er den Vorwurf der politischen Parteinahme immer wieder bestätigt.
Zuckerberg hatte seinen Schritt damit begründet, weg von einer "institutionalisierten Zensur" hin zu mehr Meinungsfreiheit zu kommen. Im Rechtsraum der EU müsste er dieses Vorgehen mit dem Digital Services Act in Einklang bringen, der seit November 2022 in Kraft ist.
Die Verordnung enthält detaillierte Vorgaben für Online-Plattformen wie Facebook. Und dazu gehören auch Maßnahmen gegen illegale Inhalte und systemische Risiken wie Desinformation. Eine vollständige Abschaffung von Faktenchecks, wie in den USA geplant, dürfte mit den Verpflichtungen des DSA kaum vereinbar sein.
Der DSA sieht unter anderem vor, dass Plattformen "angemessene Maßnahmen" ergreifen müssen, um die Verbreitung illegaler Inhalte einzudämmen. Zudem müssen sie "wirksame und verhältnismäßige" Maßnahmen gegen systemische Risiken ergreifen, wozu explizit auch Desinformationskampagnen zählen.
Faktenchecks durch unabhängige Dritte solle ein wirksames Instrument sein – sind aber nicht die einzige Möglichkeit. Experten gehen deshalb davon aus, dass ein Vorgehen wie in den USA durch den Aufbau komplementärer Strukturen ergänzt werden müsste.
Einschätzung eines Juristen
So etwa Christian-Henner Hentsch von der TH Köln. Der Jurist verweist darauf, dass seit Februar 2024 in der EU mit dem Digital Services Act (DSA) vollharmonisierte Regeln für Plattformen gelten. Der DSA schreibt vor, dass Meldungen von akkreditierten "Trusted Flaggern" zwingend nach den Vorgaben des Gesetzes behandelt werden müssen.
Konkret heißt das: Meta kann zwar die freiwillige Zusammenarbeit mit bisherigen Faktencheckern beenden, muss aber die Meldungen der offiziell zugelassenen Stellen weiterhin bearbeiten, das scheibt Hentsch in einer Einschätzung für das Online-Plattform Legal Tribune Online.
Faktenchecker sind nicht die einzige Option
Er argumentiert, dass Faktenchecker für Plattformen bislang einen Ausweg aus dem Dilemma darstellen, einerseits die Meinungsfreiheit nicht zu stark einzuschränken und andererseits nicht für strafbare Inhalte haften zu müssen. Durch die Auslagerung der Identifizierung problematischer Inhalte an externe Faktenchecker können Plattformen die Verantwortung delegieren und sich bei Fehlern exkulpieren.
Um also in der EU auf Faktenchecker zu verzichten, müsste Meta laut Hentsch bereit sein, echte Verantwortung für die Inhalte zu übernehmen und das Risiko von Bußgeldern in Höhe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes einzugehen. Eine Änderung des Angebots in der EU hält der Autor daher für unwahrscheinlich, gleichwohl: Unmöglich ist es nicht.
Zugeständnisse an die innenpolitische Lage der USA
Hentsch deutet die Ankündigungen von Meta vordergründig als Zugeständnis an die US-amerikanische Debatte mit innenpolitischer Stoßrichtung. Der Anspruch der EU, durch Regulierung europäische Standards weltweit zu etablieren, sei damit gescheitert. Die Folge könne eine Entfremdung der Rechtssysteme und Wertvorstellungen zwischen den USA und Europa sein.
Mark Zuckerberg jedenfalls hat in seiner Video-Stellungnahme in der vergangenen Woche bereits angekündigt, mit Donald Trumps Hilfe gegen die EU-Regeln vorgehen zu wollen.
So müsste Facebook in Europa deutlich mehr Aufwand betreiben als in den USA, um auf professionelle Faktenchecks verzichten zu können, ohne gegen den DSA zu verstoßen. Denkbar wäre ein massiver Ausbau der KI-gestützten Content-Moderation oder eine stärkere direkte Einbindung der Nutzer in die Bewertung von Inhalten, ähnlich dem Community-Fact-Checking von Wikipedia – das allerdings gerade bei politischen Inhalten auch stark umstritten ist.
Gleichwohl dürfte Mark Zuckerbergs Entscheidung für den Meta-Konzern in den USA auch Auswirkungen auf Europa haben, insbesondere wenn Donald Trump in der kommenden Woche ins Weiße Haus einzieht. Dann könnte diese Frage auch Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und europäischen Staaten oder zwischen Washington und Brüssel haben.
Faktenchecker können vom politischen Subjekt zum Objekt werden. Daher stellt sich derzeit verstärkt die Frage, wer die Oberhand behält: Die Trump-Regierung und ihre wachsende Anhängerschaft in Europa – oder die Faktenchecker, die von interessierter Seite als Instrument gegen diese Phalanx gesehen werden.
Wie unabhängig sind Faktenchecker wirklich?
Der Kampf gegen Falschmeldungen auf Meta-Plattformen wie Facebook und Instagram liegt in Deutschland in den Händen dreier konzernunabhängiger Faktenchecker: Correctiv, Deutsche Presse-Agentur (dpa) und Agence France-Presse (AFP).
Während die etablierten Nachrichtenagenturen dpa und AFP aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und professionellen Arbeitsweise grundsätzlich Vertrauen genießen, steht vorwiegend Correctiv im Fokus der Kritik. Einerseits bescheinigen professionelle Quellen dem gemeinnützigen Recherchezentrum besondere Transparenz bei den Faktenchecks. Andererseits sieht sich Correctiv dem Vorwurf der Abhängigkeit, Selektivität und Einschränkung der Meinungsfreiheit ausgesetzt; auch die Objektivität der Berichterstattung wird infrage gestellt.
Correctiv in der Kritik: Finanzierung, Selektion und Neutralität
Die Debatte um Correctiv entzündet sich an mehreren Punkten, unter anderem: mögliche Einflussnahme durch Geldgeber. Laut Medienberichten erhielt Correctiv seit seiner Gründung 2014 rund 2,5 Millionen Euro Steuergelder (Stand: 2023). Im Jahr 2023 flossen knapp 600.000 Euro aus staatlichen Quellen (Stand: Oktober 2024). Diese Geldflüsse zeigen: Faktenchecks sind inzwischen auch zu einem Geschäft geworden.
Auch die Auswahl der zu überprüfenden Inhalte gibt Anlass zur Kritik, da sie im Ermessen der Faktenchecker liegt. Zudem steht der Vorwurf im Raum, Correctiv verfolge eine politische Agenda, etwa bei der Berichterstattung über ein Treffen von AfD-Mitgliedern und Rechtsextremen in Potsdam vor einem Jahr. Der Bericht über das Potsdamer Treffen führte nicht nur zu juristischen Auseinandersetzungen, sondern ist auch in Fachkreisen heftig umstritten.
Eingriff in laufende Debatten
Immer wieder greifen Faktenchecks auch in laufende politische Debatten ein. Während dpa und AFP nur wenig von sich reden machen, polarisiert Correctiv mit fragwürdigem Vorgehen. Schon dadurch wird die gGmbH zum politischen Akteur – auf den Vorsatz kommt es gar nicht an. Doch dieser Vorsatz scheint im Fall von Correctiv sogar gegeben.
In einem aufsehenerregenden Prozess hatte der Publizist Roland Tichy im Jahr 2020 vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe gegen die umstrittene gGmbH gewonnen. Auslöser war ein Artikel auf dem Portal Tichys Einblick über einen offenen Brief, in dem die These vertreten wurde, es gebe keinen Klimanotfall, was von Correctiv auf Facebook als "teilweise falsch" gekennzeichnet wurde.
Gericht: Correctiv hat Kompetenzen überschritten
Das Gericht entschied, dass Correctiv mit dieser Kennzeichnung seine Kompetenzen überschritten habe, da Faktenchecker nur Tatsachen, nicht aber wiedergegebene Meinungen Dritter prüfen dürfen. Die Kennzeichnung hätte fälschlicherweise den Eindruck erweckt, dass Tatsachenbehauptungen infrage stünden, obwohl der Artikel eine wertende Stellungnahme darstellte.
Zudem betonte das Gericht, dass Meinungen nicht ohne besondere Rechtfertigung in "richtig" oder "falsch" eingestuft werden sollten, da Meinungen subjektiv sind und keinen objektiven Maßstab haben.
Tichys Anwalt, Joachim Steinhöfel, sieht das Urteil als wichtigen Erfolg, da es den politischen Diskurs auf Plattformen wie Facebook schützen soll. Der Fall wirft grundlegende Fragen zur Rolle von Faktenchecks auf und zeigt die Risiken auf, dass Meinungen und Tatsachen vermischt werden könnten. Das Urteil mahnt zu einem sorgfältigen Umgang mit Faktenchecks, um die freie Meinungsbildung der Nutzer nicht zu gefährden.
Correctiv-Vertreter "dankbar" für US-Raketen
Vertreter von Correctiv treten zudem immer wieder als Akteure in einer politischen Sphäre auf, die die gGmbH zugleich unabhängig und objektiv zu schützen vorgibt – eine Art selbst verordneter Schizophrenie. Wiederholt sorgte etwa der Journalist Marcus Bensmann von Correctiv wegen politischer Stellungnahmen für Debatten. Ende Juli vergangenen Jahres schrieb er auf X zur Debatte über die Stationierung von US-Raketen in Deutschland und in Antwort auf den BSW-Europaabgeordneten Fabio De Masi:
Es ist schon aufschlussreich, wie die Büchsenspanner Putins von AfD und BSW aufheulen. Sie wollen uns wehrlos sehen. Ich bin jeder Rakete aus den USA dankbar, die Russland davon abhält, Europa und Deutschland unter die Dominanz des Kremls zu bringen.
Marcus Bensmann, Correctiv
Das ist beachtlich, weil De Masi auf ein Faktum verwiesen hatte, das Bensmann geflissentlich übergeht: dass die Einrichtung eines Raketennetzwerks der US-Armee bereits seit Anfang 2021 geplant war, also mitnichten eine Reaktion auf den Angriff Russlands auf die Ukraine ist.
Als der CDU-Europaabgeordnete Dennis Radtke auf die Erfolge von Oppositionsparteien in Ostdeutschland hinwies, antwortete Bensmann:
Dann sollten wir lieber über eine Trennung nachdenken. Es kann nicht sein, dass eine Mehrheit der ehemaligen DDR-Bürger, die nur 1/6 der Gesamtbevölkerung stellen, mit der Westbindung das Erfolgsmodell der Bundesrepublik zerstören.
Marcus Bensmann, Correctiv
Solche Beiträge befeuern Kritiker, die Correctiv eher als politischen Akteur sehen. Funfact: Beiträge von Politikern und Parteien sind von den Faktenchecks zugleich ausgenommen. Darauf hatte das Portal Übermedien im Jahr 2019 erwiesen. Ein entsprechender Transparenzhinweis fehlt bis heute. Eine Kritik an Zuckerbergs Abkehr von bezahlten externen Faktencheckern in den USA wurde binnen weniger Tage in die entsprechende FAQ aufgenommen.