Warum die Hitzewelle die ohnehin angespannte Lage in Krankenhäusern verschärft
Hohe Temperaturen sind für Hospitäler weitere Belastung. Branchenvertreter fordern staatliche Programme. Zumindest in NRW Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Die aktuelle Hitzewelle, die neben Deutschland vor allem Südeuropa erfasst hat, erfordert nach Ansicht von Gesundheitsexperten staatliche Programme und ein Umdenken in der Gesundheitspolitik. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnte nun vor einer steigenden Belastung des Krankenhauspersonals. Notwendig sei unter anderem ein Investitionsprogramm, damit Klinikgebäude durch bauliche Veränderungen besser gegen Hitze geschützt werden können.
"Falls wirklich die Rekordwerte eintreten, die Meteorologen derzeit für die nächste Woche vorhersagen, werden wir mit einer hohen Zahl an hitzebedingten Krankenhausfällen rechnen müssen", so der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß am heutigen Mittwoch gegenüber dem Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND).
Zu erwarten seien neben Menschen mit Flüssigkeitsmangel Patientinnen und Patienten mit Herzrhythmusstörungen oder Blutdruckproblemen. Auch sei mit einer Zunahme von Magen-Darm-Infekten zu rechnen.
"Insbesondere in den Städten, in denen es kaum Ausweichmöglichkeiten vor Hitze gibt und sich die Hitze zwischen den Betonbauten besonders ballen kann, muss mit extremen Belastungen für die Krankenhäuser gerechnet werden", führte Gaß aus. Dies geschehe in einer Situation, "in der die Personalsituation durch Quarantäne und Isolation durch Corona besonders angespannt ist".
Der Verbandsvertreter wies auch darauf hin, dass Patientenzimmer gemeinhin über keine Klimaanlagen verfügen. "Kurzfristig werden wir mit Ventilatoren, verdunkelnden Vorhängen und Kühlakkus für die Patienten arbeiten müssen", so Gaß. Langfristig seien nachhaltigere Lösungen notwendig.
Während die Hitzewelle die Arbeitsbedingungen in Krankenhäusern weiter verschärft, konnte die Gewerkschaft Verdi zumindest für die Beschäftigten in den sechs Universitätskrankenhäusern in Nordrhein-Westfalen eine Verbesserung erzielen. Nachdem dort am Montag die zwölfte Woche eines Streiks begonnen hatte, haben Arbeitgeber und die Gewerkschaft Verdi in der Nacht zum Dienstag eine Einigung erzielt.
Tarifvertrag in NRW ab kommendem Januar in Kraft
Beide Seiten haben zugestimmt. Der neue Tarifvertrag Entlastung tritt ab dem 1. Januar 2023 in Kraft und hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Die Umsetzung wird stufenweise und mit Übergangsfristen erfolgen, teilen die Universitätskliniken mit.
Katharina Wesenick, Landesfachbereichsleiterin für Gesundheit, Soziales, Bildung und Wissenschaft bei der Gewerkschaft Verdi, freut sich über den ersten Flächentarifvertrag "Entlastung" in Deutschland.
"Nach 77 Streiktagen haben die Klinikbeschäftigten solidarisch und aufrecht diesen wichtigen Erfolg errungen. Dabei haben die Streikenden sich weder von juristischen Verbotsversuchen noch von immer neuen Verhandlungsfinten der Arbeitgeber beeindrucken lassen", sagt sie.
Der Tarifvertrag beinhalte verschiedene Modelle, um die Beschäftigtengruppen im Klinikalltag zu entlasten. Für viele Beschäftigte in der Pflege wird das Zahlenverhältnis von Beschäftigten und Patienten festgelegt. Bei Unterschreiten der Quote gibt es für die Betroffenen verschiedene Formen von Ausgleich.
"Nach harten Verhandlungen sind wir sehr glücklich über die gefundene Lösung und das bevorstehende Ende des Streiks", sagt Edgar Schömig, Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Köln und Verhandlungsführer der NRW-Unikliniken. "Mit den vereinbarten Eckpunkten werden die Unikliniken in Nordrhein-Westfalen Vorreiter bei den Arbeitsbedingungen in der Patientenversorgung sein.
Wer in einer Uniklinik arbeitet, kann sich zukünftig sicher sein, dass es zumindest national keine besseren Rahmenbedingungen in anderen Krankenhäusern gibt." Nach Aussage von Verdi-Fachbereichsleiterin Wesenick ist der Vertrag ein wichtiger Etappensieg der Beschäftigten. Er diene der eigenen Gesundheit wie jener der Patienten.
Kritik an Kommerzialisierung von Krankenhäusern
Die Beschäftigten der sechs Unikliniken in NRW hatten von den Klinikleitungen einen Tarifvertrag Entlastung für alle Beschäftigten der Unikliniken gefordert. Anfang des Jahres hatten sie den Arbeitgebern 100 Tage Zeit gegeben, um auf die Forderungen einzugehen. Nachdem das Ultimatum am 1. Mai abgelaufen war, stimmten 98 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder, die sich an einer Urabstimmung beteiligt hatten, für den Streik. Die Versorgung von Notfällen war durch Notdienstvereinbarungen sichergestellt.
"Wir wollen um alles in der Welt verhindern, dass es in unserem Beruf so weitergeht wie bisher. Aber gleichzeitig sind da Menschen, die versorgt werden müssen. Das ist schwer, für sich klarzukriegen", beschrieb die Krankenschwester Rita Gottschling aus Essen Anfang der Woche im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung die Lage. "Nicht der Streik gefährdet die Patientenversorgung, sondern der Normalzustand. Und es macht mich auch wütend, dass wir überhaupt in dieser Situation sind."
Anfang Juli hatten Beschäftigte der sechs Unikliniken unter der Überschrift "Schwarzbuch Krankenhaus" eine Reihe an Berichten aus der Praxis veröffentlicht. Dabei berichten sie von Überlastung und Patientengefährdung im Arbeitsalltag.
Als Grund sehen sie die "Kommerzialisierung unserer Krankenhäuser und deren Finanzierung über Fallpauschalen (DRGs)". Der Anreiz, möglichst viele Patienten zu versorgen, habe Arbeitsbedingungen geschaffen, die die Gesundheit aller gefährdet. Die Berichte handeln von Zeit- und Personalmangel auf verschiedenen Stationen der Krankenhäuser.
Diese Meldung erscheint in Kooperation mit dem Magazin hintergrund.de