Warum dieser AfD-Parteitag die EU verändern könnte – und wie
- Warum dieser AfD-Parteitag die EU verändern könnte – und wie
- Die AfD für mehr Europa
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Die AfD steht im Ruch, gegen die EU zu sein. Doch das stimmt nicht. Vielmehr macht sie sich personell und politisch auf den Weg nach Brüssel. Und das wird Folgen haben.
Bei ihrem Parteitag in Magdeburg, der am vergangenen Wochenende begonnen begann und dieses Wochenende fortgeführt wird, hat die Alternative für Deutschland (AfD) ihre Europolitik neu ausgerichtet.
Sie will zwar eine andere Europäische Union, doch dies soll innerhalb der Gremien der EU erreicht werden. Sie fordert weder den Austritt Deutschlands aus der Union noch ihre Auflösung. Das Eurosystem soll verändert werden, doch an der gemeinsamen Währung selbst wird festgehalten.
Zwar wird das Programm für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2024 erst auf einem Parteitag Anfang kommenden Jahres beschlossen, doch die wichtigsten inhaltlichen Eckpunkte wurden bereits in Magdeburg abgesteckt.
Auflösung der Europäischen Union?
Im Entwurf zum Programm für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 heißt es zwar:
Unsere Geduld mit der EU ist erschöpft. Wir streben daher die geordnete Auflösung der EU an und wollen statt ihrer eine neue europäische Wirtschafts- und Interessengemeinschaft gründen, einen Bund europäischer Nationen.
Doch diese eindeutige Positionsbestimmung wurde bereits vor dem Magdeburger Parteitag einkassiert. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk vom 28.07.2023 führte der europapolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Harald Weye, diese Aussage wörtlich "auf das grammatikalische Versehen einer Person" zurück.
Eine denkbar hilflose Ausrede! Tatsächlich hat die Partei in der Frage der Auflösung der Union eine scharfe Wende vollzogen.
Damit distanziert sich die AfD von ihren bisherigen Forderungen. Unter dem Eindruck des Brexit-Votums am 23. Juni 2016 hatte die AfD in ihrem Programm zu den Bundestagswahlen im Herbst 2017 einen Austritt auch für Deutschland als zwingend genannt.
Unter der Überschrift "Zurückführung der Europäischen Union in einen Staatenbund souveräner Staaten" hieß es damals:
Das bestehende 'Lissabon-Europa' ist daher zurückzuführen zu einer Organisation von Staaten, die auf der Basis völkerrechtlicher Verträge ihre Interessen und Aufgabenwahrnehmung definieren. (…) Sofern eine solche Konzeption mit den derzeitigen Partnern der EU nicht einvernehmlich auszuhandeln ist, ist Deutschland gezwungen, dem Beispiel Großbritanniens zu folgen und aus der bestehenden EU auszutreten.
Der "Dexit", der deutsche "Austritt als letzte Option", wurde auch im Programm für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 als Notwendigkeit benannt:
Sollten sich unsere grundlegenden Reformansätze im bestehenden System der EU nicht in angemessener Zeit verwirklichen lassen, halten wir einen Austritt Deutschlands oder eine geordnete Auflösung der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig und werden die Entscheidung über den Dexit bei den Bürgern einholen, so wie es nach unserem Modell der direkten Demokratie selbstverständlich ist.
Noch deutlicher war die Formulierung im Programm für die Bundestagswahlen am 21. September 2021:
Die Vehemenz, mit welcher die Europäische Union die Transformation zum planwirtschaftlichen Superstaat in den letzten Jahren vorangetrieben hat, hat uns zu der Erkenntnis gebracht, dass sich unsere grundlegenden Reformansätze in dieser EU nicht verwirklichen lassen. Wir halten einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union und die Gründung einer neuen europäischen Wirtschafts- und Interessengemeinschaft für notwendig.
Diese Formulierung war seinerzeit gegen den ausdrücklichen Willen der Parteiführung von einer knappen Mehrheit der Delegierten ins Programm geschrieben worden.
Im Europawahlprogramm für 2024 soll sie nun nicht mehr auftauchen, denn es war ja angeblich nur das "grammatikalische Versehen einer Person", dass sie überhaupt in den Entwurf gekommen war. In einer Analyse des Magdeburger Parteitags sieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) die Positionen des Vorstands-Duos in dieser Frage wie folgt verteilt: "Bundessprecherin Alice Weidel hält den Austritt für abwegig, ihr Kollege Tino Chrupalla sympathisiert damit, so wie auch mit dem Austritt aus der NATO." Alice Weidel hat sich aber als neue starke Frau der Partei in dieser Frage durchgesetzt.1
Absage an den Euro?
Die AfD wurde 2013 als eine Partei gegründet, die für die Ablehnung des Euros stand. Die FAZ blickt auf die Anfänge zurück:
Gerade einmal vier Seiten hat das erste Wahlprogramm der AfD in Vorbereitung auf den Bundestagswahlkampf 2013. Etwa die Hälfte der Stichpunkte betrifft die EU. An erster Stelle: 'Deutschland braucht den Euro nicht.' Die Eurozone solle 'geordnet' aufgelöst werden und die Mitgliedstaaten zu ihren nationalen Währungen zurückkehren; in gewissen Fällen seien kleinere, 'stabilere' Währungsunionen denkbar. Wichtig sei vor allem, dass die Wiedereinführung der D-Mark 'kein Tabu' mehr darstellen dürfe.
Nicht ihr Europa. Wie die AfD zu ihren Positionen fand, in: FAZ vom 01.08.2023
Bereits ein Jahr später wurde diese Position aufgeweicht. Gefordert wurde jetzt nur noch der Umbau des Euro-Systems. Der Austritt wurde nun lediglich als letzte Option genannt. In ihrem Europawahlprogramm zu den Wahlen 2014 hieß es unter der Überschrift "Für eine flexiblere Währungsordnung:
Die AfD fordert eine Auflösung, zumindest aber eine vollständige währungspolitische Neuordnung des Euro-Währungsgebietes. Als erster Schritt muss dazu jedem Land das Recht eingeräumt werden, die Eurozone zu verlassen, ohne aus der EU auszuscheiden. Davon sollten die Länder Gebrauch machen, die die Bedingungen der Währungsunion nicht erfüllen können oder wollen. Andernfalls sollten die stabilitätsorientierten Euro-Länder unter sich ein kleineres, am Maastricht-Vertrag angelehntes Währungssystem bilden. (…) Wenn keine dieser beiden Lösungen erreicht werden kann, muss Deutschland den Austritt aus der Euro-Währungsunion anstreben.
Hinsichtlich der Mitgliedschaft Deutschlands in der Euro-Zone hielt man sich also bereits 2014 alle Türen offen.
Zehn Jahre später wird im Entwurf für das Europawahlprogramm für 2024 ein Austritt aus der Eurozone gar nicht mehr erwähnt. Jetzt geht es nur noch um die Veränderung des Euro-Systems: "Deutschland muss zurück zu einer sozialen Marktwirtschaft – und darum die Transferunion des Euro-Systems aufkündigen. Jede weitere Teilnahme an der Dauerrettungspolitik kommt einer Insolvenzverschleppung auf Kosten deutscher Steuerzahler gleich."
Nun wird klar, warum die Partei nicht mehr allgemein vom Euro, sondern nur noch vom "Einheitseuro", vom "Eurosystem" bzw. von der "Transferunion" spricht. Gegen den Euro an sich hat man schon lange nichts mehr, vorausgesetzt ihn besitzen nur die richtigen, die "stabilitätsorientierten" Länder.
Geht es nach der AfD, so muss die EU noch deutscher werden, als sie jetzt schon ist. Der für das heimische Kapital so günstige europäische Wirtschaftsraum mitsamt der gemeinsamen Währung soll bestehen bleiben, allerdings unter Verringerung der zu seiner Aufrechterhaltung anfallenden Kosten. Vor allem soll es keine Transferzahlungen zulasten Deutschlands geben.
Spätestens in der Griechenlandkrise 2015 zeigte sich, dass auch in der FDP fast identisch gedacht wird. Vor allem ihr Bundestagsabgeordneter Frank Scheffler tat sich bei der Kritik an einer "Transferunion" hervor. Und selbst in der Regierungspartei CDU/CSU gab es scharfe Kritik an den Rettungsschirmen zugunsten der von Zahlungsunfähigkeit bedrohten Euroländer.
So befürwortete der damalige Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Sommer 2015 offen den Austritt Griechenlands aus der Eurozone, den "Grexit". Auch Bundesbankchef Jens Weidmann machte dafür Stimmung.2 Die AfD steht daher mit ihrer Absage an eine "Dauerrettungspolitik" und eine "Transferunion" keineswegs allein.
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