Warum es keinen russischen Willy Brandt geben wird
Russland ist ein Geheimdienststaat, die Kirche eingeschlossen. Deswegen wird es sich immer von Feinden umgeben sehen. Weshalb das Land immer wieder in einem System Putin enden wird. (Teil 2 und Schluss)
Unlängst berichteten mehrere Schweizer über einstige Tätigkeiten des Patriarchen der Russische Orthodoxen Kirche, Kirill I., für den KGB. "Laut freigegebenen Archiven war Kirill bereits im Februar 1972, als er in Genf lebte, ein KGB-Agent unter dem Decknamen "Mikhailov"", schrieb etwa Le Matin Dimanche.
Die eigentliche kollektive Führung Russlands besteht aus seinen Nachrichtendiensten: FSB, GRU (Hauptverwaltung Nachrichtendienst des russischen Verteidigungsministeriums), SWR (Auslandsnachrichtendienst). Die Gesamtzahl der Mitarbeiter dieser und anderer russischer Geheimdienste ist eine der höchsten der Welt und übersteigt die jedes europäischen Landes, einschließlich Deutschlands.
Die russischen Geheimdienste kontrollieren alles in Russland, insbesondere bestimmen sie die Innenpolitik, entscheiden, wer in die Rolle der kontrollierten Opposition schlüpft, wie die Regierungspartei auszusehen hat und haben die vollständige Kontrolle über die staatlichen und unternehmenseigenen Medien. Ein nationales Großunternehmen kann in Russland per definitionem nur mit Zustimmung und einer gewissen Beteiligung der Sicherheitsdienste existieren.
Es lohnt sich auch, an die semantische Konstruktion der "Russischen Welt" zu erinnern. Dieser Begriff wurde 1999 von dem russischen Philosophen Pjotr Schtschedrowizki, Efim Ostrowski und Sergej Kirijenko – heute stellvertretender Regierungschef von Präsident Putin – in einem gemeinsamen Artikel mit dem Titel "Russland - das Land, das es nie gab" eingeführt. Der Artikel enthält einige zentrale Ideen, etwa:
Russland muss ein neues System der Beziehungen zu den in der Welt lebenden Russen aufbauen. Es handelt sich um ein Netzwerk russischer Kulturagenten, bestehend aus Russen, die in Europa, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern leben. (…)
- Russland muss sich vor allem unter den Ländern und Völkern ausbreiten, die zwar die russische Sprache sprechen und verstehen, aber keine Russen sind. Ursprünglich ging es nur um kulturelle Expansion (und in der Tat um die weitere Assimilierung anderer Völker).
Im Jahr 2006 wurde das Konzept der "Russischen Welt" als aggressives, nationalsozialistisches Konzept russischer Expansion zur offiziellen Doktrin des Kremls.
Dieses Konzept beschränkte sich nicht mehr nur auf die kulturelle Expansion, sondern umfasste auch Ideen zur Wiederherstellung des Russischen Reiches mit der Ukraine, Weißrussland, Moldawien, Kasachstan und anderen postsowjetischen Ländern als Teil davon.
Teil 1: Russland: Ein Imperium, viele Namen
Sogar Polen und Finnland, die vor 1917 Teil des Russischen Reiches waren, wurden als langfristige Pläne betrachtet.
Das Konzept der "Russischen Welt" wird auch von russischen Geheimdiensten neu interpretiert. Wenn Russen, die außerhalb ihres Heimatlandes leben, dessen Kulturagenten sein können, warum können sie dann nicht auch heiklere und verdecktere Missionen ausführen? Es scheint alles so einfach.
Die wichtigsten Ideologen des russischen Nationalsozialismus sind also die russischen Geheimdienste, für die die Expansion, die Stärkung ihres Einflusses und ihrer Vorherrschaft in der Welt eine Fortsetzung der KGB-Traditionen ist.
Zur Zukunft Russlands
Jeder Mensch, der einen verhängnisvollen und tragischen Fehler, ein Verbrechen begangen hat, hat nur einen Weg: sich seiner Übertretung bewusst zu werden. Diesen Weg nennt man Reue und die damit verbundene Katharsis, die innere Reinigung, in deren Zuge man erkennt, dass man dergleichen nicht mehr tun kann und seine Überzeugungen, Werte und sein Verhalten völlig ändert.
Da Länder aus Menschen bestehen, gilt diese Methode gleichsam auch für ganze Staaten. Deutschland durchlebt nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch diese Katharsis – und das ist ein Beispiel für die Stärke und den Erfolg der Deutschen.
Sie haben immer noch den Mut, sich zu den Fehlern und Verbrechen ihrer Vorfahren zu bekennen, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken. Wie gesagt: Reue und das Eingeständnis von Schuld haben die Deutschen nur stärker gemacht, und das ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg des modernen Deutschlands.
Aber dafür hat Deutschland selbst die Besetzung durch alliierte Armeen und eine totale militärische Niederlage erlitten.
Ein solches Szenario ist mit Russland, das über ein großes Atomwaffenarsenal verfügt, nicht denkbar. Aber auch innerhalb seiner heutigen Grenzen wird Russland niemals in der Lage sein, seine imperiale Ideologie aufzugeben und wird immer nach Krieg und Destabilisierung Europas streben.
Zwischen 1990 und 2000 hatte Russland die Chance, seine Vergangenheit zu überdenken. In dieser Zeit erinnerte sich das Land an die Schrecken des kommunistischen Regimes und der Unterdrückung, und es bestand die Hoffnung, dass die Gesellschaft daraus lernen würde.
Doch in den folgenden 23 Jahren lobte Russland immer wieder das kommunistische Regime und seine Führer, insbesondere Stalin, und legalisierte damit im öffentlichen Bewusstsein das totalitäre Regierungsmodell, die Unterdrückung und natürlich eine aggressive Außenpolitik, die anderen Nationen ihre Weltsicht aufzwang und Kriege gegen andere Länder führte.
Wenn es in Russland ein autoritäres Regime gibt, dann wird es sich mit der Zeit einfach in ein totalitäres Regime verwandeln, denn jeder autoritäre Führer will länger an der Macht bleiben. Und die einzige Möglichkeit, die er dazu hat, ist, sich ein Feindbild von außen zu schaffen, gegen das man kämpfen muss, und sich um den totalitären Führer des Landes zu scharen. All das hat Putin bereits getan. In den letzten 24 Jahren seiner Herrschaft (beginnend als Premierminister) konnten wir beobachten, wie er diesen Plan vor unser aller Augen verfolgt hat.
Wenn in Russland ein demokratisches System entsteht, wird dieses Land in seiner jetzigen Form kollabieren. Denn alle Völker, aus denen das heutige Russland besteht, werden Fragen stellen:
- Wir Sie werden wissen wollen, wie sie ihre nationalen Traditionen, ihre Sprache, ihre Kultur im Alltag wieder erlangen und wie sie ihre Muttersprache in den Schulen lehren können.
- Sie werden erfahren wollen, wie es sein kann, dass die heutige Generation junger Menschen und ihre Eltern ihre Muttersprache bereits vergessen hat.
- On sich Moskau für den Ethnozid und die Assimilation der Völker entschuldigt?
- Ob sie in den autonomen Republiken wenigstens diese Rechte und Freiheiten behalten und genießen? Ob sie mehr Geld behalten und selbst über die Ressourcen verfügen können.
Was glauben Sie, welche Antworten die Führer der autonomen Republiken innerhalb Russlands aus Moskau erhalten werden?
Sollten Sie es nicht einschätzen können, gebe ich Ihnen einen Tipp: Die Antwort wird ungefähr so ausfallen wie der erste und zweite Tschetschenienkrieg und die darauf folgende Diktatur.
Ich glaube nicht an die russische Reue, auch wenn viele russische Oppositionspolitiker versuchen, Russland nach Putin zu einem demokratischen Land zu machen. Doch das ist eine Illusion.
Sobald in Moskau ein Politiker der. Größe Willy Brandts an die Macht käme, der auf die Knie fällt und sich bei den Ukrainern und anderen Ethnien für den Völkermord entschuldigt, würde er sofort die Macht verlieren.
Die Macht würde von einem neuen Putin übernommen werden, der den Russen verspricht, ihre Größe wiederzuerlangen, sich von den Knien zu erheben, mit Feinden um sich herum – kurzum, die ganze Reihe imperialer Mythen, die wir heute erleben.
Deshalb wird Russland in seiner jetzigen Form und in seinen jetzigen Grenzen immer eine Bedrohung für die Welt darstellen.
Andrii Vlasov ist Experte im Bereich digitales Marketing und Kommunikation. Er ist Mitglied des Journalistenverbandes der Ukraine. Zusammen mit seiner Frau, seinen Kindern und seinem Vater lebt er seit 2022 in Deutschland.