Warum häufen sich die Impfdurchbrüche?
Bei hospitalisierten Patienten im Alter über 60 Jahre wurden in den letzten vier Wochen fast 40 Prozent Impfdurchbrüche verzeichnet, bei den Verstorbenen sind es fast 35 Prozent
Das Robert-Koch-Institut (RKI) berichtet: "Alle Impfstoffe, die zurzeit in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigem Erkenntnisstand bei vollständiger Impfung wirksam vor einer schweren Erkrankung." Die Gefährdung für zweimal Geimpfte gilt als "moderat".
Man kann durchaus feststellen, dass die Impfung vor einer schweren Infektion schützt. Trotzdem ist der Anteil der Alten bei der Hospitalisierung und auch bei der Zahl der Todesfälle am höchsten, hier sind allerdings 14 Prozent der Über-60-Jährigen noch gar nicht geimpft.
Es häufen sich allerdings die sogenannten Impfdurchbrüche. Ein prominenter Fall war gerade Colin Powell, der, obwohl zweimal geimpft, an oder mit einer Covid-19-Infektion verstarb.
Das brachte Verteidigerinnen – etwa in der Süddeutschen Zeitung – auf die Bühne, die jetzt in etwa das machen, was man zuvor den Corona-Leugnern vorgeworfen hat, nämlich die Todesfälle herunterzuspielen:
Es ist ein trauriger Umstand, dass auch manche Geimpfte an Covid-19 erkranken, mitunter schwer, mitunter tödlich. Aber es ist keine Überraschung. Keine Impfung schützt zu einhundert Prozent. Die Corona-Impfung senkt das Risiko für einen schweren Verlauf zwar deutlich, sogar fantastisch, aber nicht auf null. Am Ende hängt die Gefahr, die das Virus für einen Menschen bedeutet, immer noch vom Alter ab: Ein geimpfter 80-Jähriger trägt in etwa das Risiko eines ungeimpften 50-Jährigen. Und Vorerkrankungen erhöhen es. So einfach und so grausam ist Covid-19.
Christina Berndt, Ja, es erwischt auch Geimpfte
Nun ging die Meldung um, dass der Bayern-Trainer Julian Nagelsmann "trotz vollständigen Impfschutzes positiv auf das Coronavirus getestet worden" sei. Als Impfdurchbruch gilt eine Covid-19-Infektion, wenn sie mindestens zwei Wochen nach der zweiten Impfung und bei einem Impfintervall von mindestens drei Wochen zwischen erster und zweiter Impfung auftritt.
Nach dem wöchentlichen Lagebericht des RKI vom 14. Oktober ist die "Impfeffektivität in einigen Fällen überschätzt worden", weil der Impfstatus nicht vollständig vorlag, also weil mehr Deutsche geimpft sind, als offizielle erfasst und gemeldet wurden.
Betroffen sind nach dem RKI besonders mit dem Pfizer/Biontech-Vakzin Geimpfte:
Insgesamt 80.181 wahrscheinliche Impfdurchbrüche wurden mit Meldedatum seit der 5. KW identifiziert, davon 53.052 nach einer abgeschlossenen Impfserie mit Comirnaty (BioNTech/Pfizer).
RKI
Impfdurchbrüche sind praktisch alle auf die Delta-Variante zurückzuführen.
Nach den RKI-Zahlen nimmt die Impfeffektivität ab: Im betrachteten Gesamtzeitraum (5. Bis 40. Kalenderwoche) betrug die geschätzte Impfeffektivität 83 Prozent für die 18-59-Jährigen, 82 Prozent für die Über-60-Jährigen. Für die letzten vier Wochen (37. bis 40. KW) liegt sie für die 18-59-Jährigen bei 78 Prozent und für die Über-60-Jährigen bei 76 Prozent. Der Schutz vor Hospitalisierung, Intensivstation und Tod soll aber noch bei über 90 Prozent liegen.
Bei den Über-60-Jährigen sind in der 37. bis 40. Kalenderwoche von den 14.631 symptomatisch Infizierten aber schon 8.100 wahrscheinliche Impfdurchbrüche. Das sind über 55 Prozent, obwohl oder weil hier 84,1 Prozent einen "vollständigen Impfschutz" haben. Von den 2675 Hospitalisierten der Über-60-Jährigen sind in diesem Zeitraum fast 40 Prozent Impfdurchbrüche, von den 441 Verstorbenen sind es 34,7 Prozent.
Die Fakten sind eindeutig: Rund zehn Prozent der Intensivpatienten, die zwischen Mitte August und Anfang September vom Robert Koch-Institut registriert wurden, waren geimpft. Seither ist dieser Anteil noch einmal gestiegen, die aktuellen Zahlen des RKI stammen aus der Zeit vom 13. September bis zum 10. Oktober.
In diesem Zeitraum liegt die Quote bei 20,3 Prozent. In absoluten Zahlen: 181 von 891. Zwischen Anfang Februar und Anfang September war der Anteil der Geimpften noch deutlich niedriger: 210 von 11.419 laut RKI - das entspricht 1,84 Prozent, so die Tagesschau.
Gleichwohl schreibt das RKI, dass nur "ein geringer Anteil der hospitalisierten, auf Intensivstation betreuten bzw. verstorbenen Covid-19-Fälle als Impfdurchbruch zu bewerten ist".
Und es geht trotz der offenbar steigenden Impfdurchbrüche weiterhin von einer "hohen Wirksamkeit" aus. Allgemein sei der Impfschutz "im jüngeren Alter ausgeprägter als im höheren Alter, unabhängig von Impfstofftyp und Virusvariante".
Dass mehr Impfdurchbrüche geschehen, wird darauf zurückgeführt, dass "generell immer mehr Menschen geimpft sind und sich Sars-CoV-2 derzeit wieder vermehrt ausbreitet. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, als vollständig geimpfte Person mit dem Virus in Kontakt zu kommen".
Das ist eine schwer nachvollziehbare Logik, denn eigentlich müsste man doch davon ausgehen, dass sich das Virus mit steigender Impfrate, bei einem Impfschutz von 90 Prozent, weniger ausbreitet und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass vollständig geimpfte Personen weniger mit dem Virus in Kontakt kommen.
Studien zeigen, dass nach der zweiten Impfung der Immunschutz schnell wieder abnimmt. Nach sechs Monaten ist bei den neutralisierenden Antikörpern der Titer von 557 auf 119,4 abgesunken.
Es könnte also nicht an der Delta-Variante, sondern an dem nach der Impfung schnell zurückgehenden Schutz liegen. Der höchste Schutz ist nach einem Monat erreicht, dann geht es bergab.
Das bestätigt selbst eine von Pfizer finanzierte große Studie über die USA, nach der vollständig Geimpfte einen Infektionsschutz von 73 Prozent haben und einen Schutz vor Hospitalisierung von 90 Prozent.
Bei vollständig Geimpften lag die Impfeffektivität im ersten Monat der Impfung bei 88 Prozent, fünf Monate später nur noch bei 47 Prozent, gegenüber der Delta-Variante bestand ein Schutz von 93 Prozent im ersten Monat, nach vier Monaten ist er auf 53 Prozent zurückgegangen.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei unserem Partnerportal Krass & Konkret.