Warum ich die Letzte Generation unterstütze

Protestaktion von Aktivist:innen der Letzten Generation. Bild: Letzte Generation

Die Verunglimpfungen der Letzten Generation erinnern an fossile Medienkampagnen im letzten Jahrzehnt. Aktivist:innen sind aber keine Extremisten. Warum sie unsere Solidarität verdient haben. Ein Kommentar.

Zuerst ein Update zu den Aktionen der Klimaprotestgruppe "Letzte Generation". Danach folgt der Kommentar vom Präsidenten der Energy Watch Group und Energieexperten Hans-Josef Fell, Co-Autor des international kopierten Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

Anfang der Woche haben die Unterstützer:innen der Letzten Generation der Staatsanwaltschaft Neuruppin eine Petition überreicht. Darin bekennen sich 1700 Menschen dazu, Teil der Letzten Generation zu sein.

Die Justiz ermittelt gegen die Gruppierung wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Sie hatte im Sommer 2022 einige Brandenburger Pipelines der Ölraffinerie PCK in Schwedt abgedreht. Letzte-Generation-Aktivistin Mirjam Herrmann, die sich bei der Staatsanwaltschaft selber angezeigt hat, sagt:

"Wir können nicht zulassen, dass die Regierung vor der durch ihre Entscheidungen hervorgebrachten, unfassbaren Zerstörung weiter die Augen verschließt und leisten deshalb unignorierbaren Widerstand. Statt aus dem tödlichen Weiter-so auszubrechen, schöpft die Regierung jetzt alle verfügbaren Mittel aus, um uns mundtot zu machen."

Währenddessen gehen die Straßenblockaden in Berlin weiter. Am Dienstag klebten sich an zwei Stellen der A100 Aktivist:innen auf die Straße. Die Blockaden wurden von der Polizei aufgelöst. Die Letzte Generation fordert die Politik auf, in der Klimakrise endlich zu handeln und der Wissenschaft zu folgen. Der Protest richtet sich verstärkt auch gegen die nun gestartete Räumung des Dorfes Lützerath im Rheinischen Braunkohletagebau in NRW, wo der Energiekonzern RWE auch die verbleibende Kohle abbauen will. Als Zeichen der Solidarität halten die Protestierenden bei ihren zivilen Ungehorsamsaktionen gelbe Kreuze hoch.

Durch das Verbrennen der Kohle unter dem Dorf Lützerath, das RWE in den nächsten Jahren noch abbaggern will, würden weitere 280 Millionen Tonnen des Klimagases Kohlendioxid zusätzlich in die Atmosphäre emittiert – obwohl das laut diverser Berechnungen u.a. des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) energiewirtschaftlich gar nicht notwendig ist.

Eika Jakob, Mutter von vier Kindern, erklärt, warum sie sich in einem Akt zivilen Ungehorsams auf die Straße gesetzt hat: "Wir sind mitten in der Klimakatastrophe angekommen. 2022 geht als das heißeste Jahr aller Zeiten in die deutsche Geschichte ein. Das neue Jahr startet mit teilweise über 20 Grad im Januar – in was für eine Zukunft entlassen wir unsere Kinder da gerade? Ich werde nicht dabei zusehen, wie die Zerstörung immer weiter vorangetrieben wird!"

Nach Angaben der Berliner Innensenatsverwaltung habe man seit Beginn der Straßenblockaden und anderer Proteste der "Letzten Generation" vor knapp einem Jahr 756 Tatverdächtige erfasst und 2700 Strafanzeigen gestellt. Bisher sind nur vereinzelt Geldstrafen gegen Klima-Aktivist:innen von Gerichten ausgesprochen worden. In München sind vergangene Woche die letzten fünf Unterstützer:innen der Letzten Generation aus dem umstrittenen Präventivgewahrsam entlassen worden.

In den Medien und von Politiker:innen werden die Aktivist:innen der Letzten Generation zum Teil als "neue RAF" oder "Terroristen" bezeichnet. Die Jury der "Sprachkritischen Aktion Unwort des Jahres" mit Sitz in Marburg ernannte "Klima-Terroristen" als Unwort des Jahres 2022.

David Goeßmann, Telepolis

Die gesellschaftliche Kritik an den Klimaschützer:innen der Letzten Generation hat in letzter Zeit stark zugenommen. Über 1300 Kulturschaffende haben dem gegenüber unter dem Motto "Klimaschutz ist kein Verbrechen" eine starke Erklärung unterschrieben, die sie in Schutz nimmt.

Auch viele Vertreter der evangelischen Kirche unterstützen die Forderungen der letzten Generation nach einem Tempolimit aktiv. Auch ich habe die Letzte Generation schon mehrfach öffentlich unterstützt, nun auch mit einer größeren Spende an ihre gemeinnützig anerkannte Bildungsarbeit. Hier sind meine Gründe:

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

Als ehemaliges Mitglied des Bundestags und einer der Initiatoren des weltweit zum Vorbild erklärten Erneuerbare-Energien-Gesetzes setze ich mich seit über 20 Jahren dafür ein, 100 Prozent Erneuerbare Energien für Deutschland bis 2030 zu erreichen, um möglichst unter einer Klimaerhitzung von 1,5 Grad Celsius zu bleiben.

Wie Wissenschaftler in einer Studie der von mir gegründeten Energy Watch Group modelliert haben, ist dies technologisch und wirtschaftlich machbar – wenn Politik und Gesellschaft bereit sind, das jetzige fossile Energiesystem zu dezentralisieren und demokratisieren.

In dieser Zeit habe ich immer wieder meine eigenen Erfahrungen mit der fossilen Lobby gemacht, die kein Interesse an ambitioniertem Klimaschutz hat, weil es ihr zentralistisches und hochprofitables Geschäftsmodell mit fossilen Energien zerstören würde. Ich habe Erfahrungen gemacht, wie gut organisierte und mit Abermillionen fossiler Gelder ausgestattete Lobbyisten ihre Unterstützer in Medien, Verbänden und Politik beeinflussen.

Mich erinnert die Wucht, die nun die Letzte Generation trifft, an die fossil getriebenen Medienkampagnen gegen die wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen im letzten Jahrzehnt. Damals gab es eine ganze Welle von Berichterstattungen und Kommentaren gegen Erneuerbare Energien als angebliche Preistreiber – was nicht erst heute, wo erneuerbare Energien die günstige Energieform ist, falsch ist, sondern schon damals war.

Diesmal trifft es die Letzte Generation

Politiker:innen, insbesondere der Parteien CDU/CSU, FDP und AfD, bezeichnen die Klimaaktivist:innen der Letzten Generation als "Radikale", "Extremisten" und gar als "Terroristen". Zwar distanzieren sich auch Politiker:innen aus SPD und BÜNDNIS90/Grüne mit unterschiedlichsten Begründungen von der Letzten Generation, aber sie blasen nicht zur Hetzjagd und befeuern die Kampagne.

Es ist jedoch auffällig, dass gerade jene die Klimaaktivist:innen besonders lautstark diskreditieren, die besonders eng mit dem fossilen Wirtschaftssystem verflochten sind – über Parteispenden, Nebeneinkünfte und politische Netzwerke. Politiker:innen, die den fossilen Konzernen nahe stehen und oft im Interesse dieser aktiv die deutschen und europäischen Klimaschutzziele blockieren.

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