Warum massenhafte Corona-Tests von Kindern zweifelhaft sind

Seite 4: Ansteckende Kinder durch Schnelltests nicht zuverlässig identifiziert

Bei flächendeckenden Testungen mit Schnelltests besteht nicht nur das Problem, dass gesunde Kinder nicht zuverlässig erkannt werden und manchmal ein falsch-positives Testergebnis erhalten. Auch in Bezug auf die zuverlässige Identifizierung ansteckender Kinder gibt es Probleme.

Ein erster allgemeiner Punkt, der oft übersehen wird: Sobald Kinder mit Symptomen ohnehin zu Hause bleiben, wird sowieso schon ein relativ großer Teil der ansteckenden Kinder auch ohne Tests aus der Klasse genommen.

Flächendeckende Tests erbringen in diesem Fall nur dann einen zusätzlichen Nutzen, wenn sie eine infizierte Person in dem kurzen Zeitraum identifizieren können, in dem eine Person vor Symptombeginn ansteckend ist. Die anfängliche Befürchtung, dass Personen, welche nie Symptome bekommen, ansteckend wären, ist inzwischen als empirisch widerlegt anzusehen, mehr dazu unten.

Ein erstes Problem ist also: Nur wöchentliche Tests würden wenig bringen, da man damit das schmale Zeitfenster der Infektiosität vor Symptombeginn oft verpassen würde. Ein häufigeres Testen geht aber wiederum mit einer substantiellen Erhöhung der falsch-positiven Testergebnisse einher – siehe oben–, was demnach auch keine Lösung ist.

Hinzu kommt, dass Schnelltests die infizierten Kinder nicht mit 100-prozentiger Zuverlässigkeit entdecken. Da Antigen-Schnelltests erst bei einer höheren Viruslast snsprechen, sind sie insbesondere dann unzuverlässig, wenn noch keine Symptome aufgetreten sind – was genau der Zeitraum ist, in dem flächendeckende Tests überhaupt einen zusätzlichen Nutzen bringen würden. In der erwähnten Studie der österreichischen Gesundheitsbehörde Ages lautet beispielsweise die Schlussfolgerung:

Negative Testresultate bei Antigen-Schnelltests und Abstrichen aus dem vorderen Nasenraum sollten nicht fälschlich als Beleg für gesicherte Nicht-Infektiosität angesehen werden. Gerade bei asymptomatischen Personen werden viele Infektionen nicht erkannt.

Ein zweites Problem ist also: Sobald Kinder sowieso bei Symptomen zu Hause bleiben, können Schnelltests keinen großen zusätzlichen Nutzen bringen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass man bei einem negativen Testergebnis fälschlicherweise in Sicherheit gewogen wird.

Übersehen wird zudem oft: Selbst wenn ein Kind infiziert und mit einem Test als positiv identifiziert ist, muss das nicht heißen, dass das Kind auch ansteckend ist. Wie man inzwischen aus umfangreichen Kontaktnachverfolgungsstudien weiß, sind praktisch fast nur Personen ansteckend, die später auch Symptome entwickeln. Infizierte Personen, welche nie Symptome zeigen – die sogenannten asymptomatischen Personen –, geben das Virus praktisch nicht weiter.

Beispielsweise ergab eine Meta-Analyse aller Studien zu den Ansteckungen bei gemeinsam in einem Haushalt lebenden Personen – dort gibt es deutlich engere Kontakte als in Schulen –, dass die Wahrscheinlichkeit, sich an einer asymptomatischen Person anzustecken, nur bei 0,7 Prozent lag, wobei die statistische Analyse zeigte, dass der Wert nicht signifikant von Null verschieden war.

In einer weiteren kürzlich veröffentlichten Meta-Analyse ergab sich ein vergleichbares Bild, dort lag die Ansteckungsrate bei 1,0 Prozent und war ebenfalls nicht statistisch signifikant von Null verschieden.

Ein drittes Problem ist also: Da laut eines aktuellen Überblicks über die Studienlage in etwa 30 Prozent der infizierten Kinder keine Symptome zeigen, würde man auch 30 Prozent der Kinder, welche vom Test korrekt als infiziert identifiziert wurden, grundlos in Quarantäne schicken.

Besondere Probleme bei selten vorkommenden Infektionen

Das beschriebene Problem vieler falsch-positiver Testergebnisse ist dann besonders problematisch, wenn Infektionen selten vorkommen, wie es beim Corona- Virus insbesondere an Schulen der Fall ist. Hier trifft man auf ein eigentlich altbekanntes diagnostisches Problem: Wenn eine Infektion sehr selten ist und man unabhängig von Symptomen alle Personen testet, dann wendet man den Test sehr selten auf Personen an, welche in Wirklichkeit infiziert sind, und sehr häufig auf Personen an, welche in Wirklichkeit nicht infiziert sind.

Die Konsequenz ist: Man erhält sehr wenige echt-positive Testergebnisse (weil die Infektion selten ist) und sehr viele falsch-positive Testergebnisse (weil man den Test sehr oft auf gesunde Personen anwendet). Damit erhält man anteilig viel mehr falsch-positive Ergebnisse als echt-positive Ergebnisse.

Zieht man nun aus dem Topf aller erhaltenen positiven Ergebnisse ein Einzelergebnis heraus, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich um ein falsch-positives Testergebnis handelt.

Das ist selbst dann der Fall, wenn die Falsch-Positiv-Rate des Tests eigentlich klein ist, denn wenn man den Test sehr oft auf gesunde Personen anwendet, bekommt man selbst bei einer an sich geringen Wahrscheinlichkeit von falsch-positiven Testergebnisse trotzdem insgesamt viele falsch-positive Ergebnisse.

Daraus ergibt sich ein fundamentales diagnostisches Problem: Erhält eine Person ein positives Testergebnis, so liefert das Ergebnis keine aussagekräftige diagnostische Information über den tatsächlichen Infektionszustand der Person, weil die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, dass es sich um ein echt-positives Ergebnis handelt.

Man weiß praktisch nach dem Test beim Erhalt eines positiven Ergebnisses nicht viel mehr über den Infektionszustand der Person als vor dem Test. Der Test ist also in Bezug auf die Interpretation von Einzelergebnissen nicht valide.

Man kann das anhand eines Beispiels illustrieren: Was würde passieren, wenn man bei einem Sieben-Tage-Inzidenzwert von 50 Infektionen pro 100.000 Personen mittels einer wöchentlichen Massentestung alle Mitglieder dieser Gruppe testen würde?

Dann würde man den Test 50 Mal auf tatsächlich infizierte Personen anwenden und 99.950 Mal auf in Wirklichkeit nicht infizierte Personen. Geht man von einer Entdeckungswahrscheinlichkeit der infizierten Personen von 80 Prozent aus (Schätzung: RKI-Infografik), würde man 40 echt-positive Testergebnisse erhalten. Geht man von einer Falsch-Positiv-Rate bei Schnelltests von 4,3 Prozent aus (siehe Studie der Ages), würde man 4.298 falsch-positive Testergebnisse erhalten.

Die Wahrscheinlichkeit, bei einem erhaltenen positiven Testergebnis tatsächlich infiziert zu sein, beträgt also: 40 (echt-positive Testergebnisse) geteilt durch 4.338 (insgesamt erhaltene positive Testergebnisse) = 0,009 – also nur 0,9 Prozent.

Das ist extrem wenig, man kann das auch so ausdrücken: In einem solchen Fall würde man 99,1 Prozent der in Quarantäne geschickten und in Angst versetzten Schüler grundlos diesen belastenden Erfahrungen aussetzen.

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