Warum wir für Konsumänderungen die Politik brauchen
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Energie und Klima - kompakt: Umweltfreundliches Verhalten ist ohne staatliche Eingriffe nicht zu haben, so ein SRU-Gutachten. Verbrauchern den schwarzen Peter zuzuschreiben, sei falsch. Was das für die Heizwende bedeutet.
Angesichts des immer rascher fortschreitenden Klimawandels, dramatischen Artenverlusts und anderer Formen der Umweltzerstörung stellt sich immer wieder die Frage, ob und inwieweit individuelle Verhaltensänderungen – etwa bei Konsum, Mobilität und Ernährung – dazu beitragen können, den Planeten zu bewahren.
Während die einen argumentieren, dass Veränderung im Kleinen anfängt, sehen andere die Fehler im System und halten individuelle (Konsum-)Entscheidungen für eher bedeutungslos, um den globalen Krisen beizukommen.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat sich in ihrem soeben veröffentlichten Gutachten "Politik in der Pflicht: Umweltfreundliches Verhalten erleichtern" mit dem Spannungsfeld zwischen dem Umweltverhalten Einzelner und den politischen Rahmenbedingungen beschäftigt.
"Wir können die ökologischen Krisen nur eindämmen, wenn alle beitragen", erklärt SRU-Mitglied Annette Elisabeth Töller. "Ob Konsum, private Investitionen oder Freizeitverhalten: Es ist höchste Zeit, dass die Politik umweltfreundliches Verhalten erleichtert, fördert und – wo notwendig – auch einfordert."
Geht die Politik daran, die Rahmenbedingungen zu verändern, ist häufig von einer Politik der Bevormundung die Rede. Eine Karte, die gerne in der Verkehrspolitik ausgespielt wird. So sagte Verkehrsminister Volker Wissing Anfang des Jahres gegenüber Bild am Sonntag: "Autofahren bedeutet Freiheit, Flexibilität und Privatsphäre, im ländlichen Raum und im Alter außerdem Teilhabe und Selbstbestimmung."
Dass Menschen sich ohne Auto nicht immer frei und flexibel bewegen können, liegt allerdings daran, dass jahrzehntelang nicht ausreichend in den öffentlichen Nahverkehr investiert wurde. "Die vielfältigen Umweltkrisen unserer Zeit lassen sich nur bewältigen, wenn wir die Art und Weise verändern, wie wir leben – also wohnen, konsumieren, uns fortbewegen und ernähren", heißt es im Gutachten.
Umweltfreundliche Produktionsprozesse und der Ausbau erneuerbarer Energien würden alleine nicht mehr reichen, um die Krisen zu bewältigen. In vielen Bereichen sei es daher notwendig, dass die Bevölkerung mitwirkt, etwa bei energetischen Sanierungen – mit denen sich der SRU in einem Fallbeispiel noch genauer auseinandersetzt.
Menschen würden sich gerne umweltfreundlich verhalten
Viele Menschen würden sich auch gerne umweltfreundlich verhalten, so der Umweltrat, dies sei aber oftmals deutlich aufwendiger und teurer. Die Politik muss also die Rahmenbedingungen verändern, um diese Hürden zu beseitigen.
Es können zum Beispiel "Infrastrukturen neu geschaffen oder verbessert, Fördermittel bereitgestellt, Preisanreize gesetzt oder auch Ge- und Verbote ausgesprochen werden". Ferner sollten auch Bildungsangebote und bessere Informationen auf das Verhalten einwirken.
Es wirkt, als hätte der Umweltrat mit seinem Gutachten auch auf die aktuelle Heizungsdebatte geantwortet. Dabei haben sich die Pläne aus dem Bundeswirtschaftsministerium zum Austausch klimaschädlicher Heizungen und das Papier des SRU wohl eher überschnitten.
Die grundlegende Problematik im Gebäudebereich bringt der SRU so auf den Punkt: "Um die Klimaziele zu erreichen, müssen bis 2045 die meisten Häuser energetisch saniert und Heizungen eingebaut werden, die erneuerbare Energien nutzen." Im Fallbeispiel "Gebäudesanierung – Wärmewende in Eigenheimen beschleunigen" werden hilfreiche Anregungen formuliert, wie die Eigentümer:innen von Eigenheimen unterstützt und mitgenommen werden könnten. Zum einen werden verpflichtende Ansätze genannt, die ja auch geplant sind:
Eigentümer:innen können beispielsweise dazu verpflichtet werden, beim Heizungstausch ein Heizsystem einzubauen, das mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Auch kann der Gesetzgeber bei ohnehin anstehenden Sanierungen einen mit den Klimazielen kompatiblen Dämmstandard vorschreiben.
CO2-Preise können zur Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen beitragen und einkommensabhängige Förderungen dazu, dass sich auch alle die energetischen Sanierungen leisten können.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der vom SRU angesprochen wird, ist die Unterstützung bei Entscheidungsprozessen. Vielen Eigentümer:innen sei der energetische Zustand ihres Hauses nicht einmal bekannt, sodass sie keinen Handlungsbedarf sähen.
Direkte Ansprachen und Beratungen im Quartier könnten hier hilfreich sein. Ebenso sind bei der Sanierungsplanung viele komplexe Entscheidungen zu treffen. Hierfür sollten Anlaufstellen geschaffen werden, die Angebote und Dienstleistungen bündeln oder auf weitere verweisen können.