Was Bewerber über KI-gestützte Auswahlverfahren wissen sollten

Marcus Schwarzbach
Handys mit Button

Künstliche Intelligenz übernimmt zunehmend die Personalauswahl. Chatbots führen erste Gespräche, Scoring-KIs bewerten Lebensläufe. Doch die automatische Vorauswahl birgt Tücken.

Während Elon Musk die Bedeutung von Robotern betont, kündigt Nvidia-Chef Huang den Beginn des Roboter-Zeitalters an. Humanoide Roboter sollen im Alltag so selbstverständlich werden wie Handys.

Menschenähnliche Maschinen sind bloß Spielerei, sagt dagegen Robotik-Experte Stefan Lampa, Chef des Münchner Unternehmens Proglove. "Mit viel Geld kann man alles Mögliche machen", kommentiert er Aktionen von Musk, für den kürzlich auf einer Tesla-Show menschenähnliche Roboter Getränke servierten.

Doch wenn es darum geht, für einfache Arbeiten einen Roboter zu bauen, der nicht mehr als 50.000 oder 100.000 Euro kosten darf, dann wird es schwierig". [Eine mechanische Hand zu entwickeln, sei] eine riesige Herausforderung. […] Roboter sind perfekt darin, sich wiederholende, immer gleiche Arbeiten auszuführen. Doch wo flexibles Arbeiten oder Kreativität benötigt werden, werden Menschen noch viele Jahre lang die beste Lösung sein.

Stefan Lampa

Künstliche Intelligenz in der Personalrekrutierung

Die Suche nach diesen menschlichen Bewerbern bereitet Unternehmensverantwortlichen jedoch Kopfzerbrechen. So erfolgt die Auswahl in vielen Betrieben per Künstlicher Intelligenz (KI), der erste Kontakt wird oft per Chatbots aufgenommen, die Sprache verstehen und selbstständig antworten.

Mit einer Scoring-KI können bestimmte Keywords gesucht und Bewerber automatisch bewertet werden. Diese KI vergleicht ihre Ergebnisse für die verschiedenen Bewerbungen miteinander und nimmt die Einstufung in die verschiedenen Vorauswahl-Kategorien vor. Das Einsortieren in Stufe A, B oder C etwa entscheidet, wer zu einem Gespräch mit dem Personalchef eingeladen wird.

Dies ist nicht ohne Risiken. Werden durch ungeprüfte Trainingsdaten der KI die falschen Suchbegriffe vorgegeben, kann die Bewerberauswahl zur Altersdiskriminierung führen, wenn etwa nur junge Kandidaten gesucht werden.

Brandgefährlich ist auch die Möglichkeit, dass die KI vollkommen verbummelt, wie mit Bewerbungen schwerbehinderter Menschen umgegangen werden muss. Erkennt die KI nicht, dass ein Bewerber oder eine Bewerberin eine Schwerbehinderteneigenschaft mitbringt, wird diese Person womöglich nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen obwohl Sie die Person hätten einladen müssen!

Torsten Klose, Rechtsanwalt aus München

Die Rolle von Persönlichkeitstests in Unternehmen

Mit psychologischen Tests hoffen Unternehmen, den menschlichen Faktor zu berücksichtigen, um den besten Kandidaten zu finden. 75 Prozent der Firmen im deutschsprachigen Raum setzen bei Personalauswahl und Personalentwicklung auf Persönlichkeitstests, meldet das Handelsblatt.

Dabei kommen auch "Assessment-Center" als Auswahlverfahren zum Einsatz. Der englische Begriff "to assess" bedeutet "beurteilen". Ausgehend von der geschichtlichen Entwicklung wurde dieses Verfahren im Auftrag von Militärpsychologen zur Auswahl von Offiziersanwärtern entwickelt.

Ein Assessment-Center zielt nicht in erster Linie auf die Prüfung des fachlichen Wissens ab, sondern soll der Ermittlung von Verhaltens- und Persönlichkeitsmerkmalen dienen.

Die zu beurteilenden Personen müssen sich nicht nur einer Situation wie etwa dem klassischen Bewerber-Interview stellen. Vielmehr werden sie in mehreren Situationen über einen längeren Zeitraum beobachtet und bewertet. Dabei werden auch psychologische Tests eingesetzt.

Der Vorteil aus Sicht vieler Personaler: Schnell sind so eine Vielzahl von Eigenschaften zu erkennen, die auf andere Weise nur schwer zu erfassen sind.

Die Verwendung von Typentests in Unternehmen

Seit Beginn der psychologischen Forschung ist der Typenansatz ein beliebtes Modell. Schon in der Antike versuchte man, mit der Temperamentenlehre unterschiedliche Persönlichkeiten zu kategorisieren. "Damals glaubte man, dass die Persönlichkeit von Körpersäften bestimmt wird", erläutert Nicole Kopp, Arbeits- und Organisationspsychologin und Mitgründerin der Beratungsfirma GoBeyond.

In den USA soll es Unternehmen geben, die vor jedem Meeting Kurzanleitungen zu den anderen Teilnehmenden verteilen. Inhalt: die Ergebnisse des Persönlichkeitstests, den zuvor alle gemacht haben. Das soll dazu beitragen, einander im Meeting besser zu verstehen.

Brandeins Podcast

Inzwischen werden Typentests verstärkt bei externen und internen Bewerbern verwendet, um Menschen Gruppen zuzuordnen. Von Wissenschaft und Objektivität kann dabei jedoch keine Rede sein. Die Tests sind nicht zuverlässig und werden von vielen Forschern kritisch gesehen.

Denn Persönlichkeitseigenschaften werden heute eher vielschichtig als Dimensionen – und nicht als Schubladen – verstanden. Modelle unterscheiden weiterhin zwischen dominanten, initiativen, stetigen oder gewissenhaften Typ. In der Praxis wird dies oft auf roten, gelben, grünen und blauen Typ verkürzt.

Der Einsatz der Persönlichkeitstests kann gravierende Folgen haben: "Menschen werden aufgrund ihrer vermeintlichen Persönlichkeitseigenschaften von bestimmten Aufgaben oder Positionen ausgeschlossen, ohne dass ihre tatsächlichen Fähigkeiten und Entwicklungspotenziale berücksichtigt werden", warnte Kopp bereits Mitte vergangenen Jahres.