Was Krieg und Flucht mit der Wahrheit macht

Seite 2: Eine Antwort an das Forum: Überschuss an jungen Männern durch Asylpolitik?

In Deutschland gibt es einen Überschuss an jungen Männern durch die exzessive Asylpolitik.::User MN77

Grundsätzlich ist die Bevölkerung in Deutschland weiblicher. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lebten Ende 2019 rund 83 Millionen Menschen in Deutschland, davon waren ca. 42 Millionen weiblich und rund 41 Millionen männlich. An diesem leichten Ungleichgewicht hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren nichts geändert.

Forenuser "MN77" postuliert nun, es sei durch eine "exzessive Asylpolitik" zu einem "Überschuss an jungen Männern" gekommen. Für diesen Kurzcheck nehme ich an, dass "MN77" damit eine forcierte Zuwanderung bzw. Aufnahme von Asylsuchenden meint - ungeachtet des Aufenthaltsstatus. Auf die Definition der Gruppe "junge Männer" gehe ich später ein.

Tatsächlich ist ein Wandel des Verhältnisses von Männern und Frauen in den jüngeren Generationen zuungunsten der jeweils weiblichen Bevölkerungsgruppe nicht nachzuweisen.

Bis 53 Jahre mehr Männer

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bildete die Generation X zum Stichtag 31.12.2019 mit einer Anzahl von 8,23 Millionen Frauen und 8,34 Millionen Männern innerhalb der weiblichen sowie der männlichen Bevölkerung in Deutschland die größte Altersgruppe. Auffällig ist darüber hinaus, dass bis zu einem Alter von einschließlich 53 Jahren die männliche Bevölkerung stets größer ist als die weibliche. Ab der Generation der Baby Boomer dreht sich diese Verteilung.

Mit "Generation X" werden die 39- bis 53-Jährigen bezeichnet, die Bezeichnung "Baby Boomer" bezieht sich auf die heute 54- bis 63-Jährigen.

Bei der Bundeszentrale für politische Bildung heißt es unter Berufung auf die Datenbank Genesis Online:

Von den 83,0 Millionen Einwohnern im Jahr 2018 waren 50,7 Prozent weiblich und 49,3 Prozent männlich. Am geringsten war der Frauenanteil in den Altersgruppen der 20- bis 29-Jährigen und der 10- bis 19-Jährigen (47,9 bzw. 48,3 Prozent). Der Anteil der Frauen nimmt in den älteren Altersgruppen zu: In der Gruppe der 50- bis 59-Jährigen waren die Anteile der Frauen und Männer 2018 nahezu gleich groß. In der Altersgruppe der 60- bis 69-Jährigen lag der Frauenanteil mit 51,6 leicht über dem der Männer. Bei den 70- bis 79-Jährigen lag der Anteil schon bei 54,4 Prozent und bei den 80- bis 84-Jährigen bei 58,6 Prozent. In der Gruppe der Personen, die 85 Jahre oder älter waren, hatten die Frauen schließlich einen Anteil von 67,6 Prozent - auf diese Altersgruppe entfielen 2018 allerdings nur 2,7 Prozent der Gesamtbevölkerung.

1970 war es (in Westdeutschland) auch nicht anders

Aufschlussreich ist der Vergleich der Zahlen aus dem Jahr 1970, hier aus Westdeutschland. Damals lag dort der Anteil der männlichen Bevölkerung in den Altersgruppen von zehn bis 39 Jahren zwischen 15 und 16,3 Prozent, während sich der weibliche Bevölkerungsanteil in diesen Gruppen zwischen 12,9 und 13,5 Prozent bewegte.

Hinzu kommt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in den vergangenen Jahren auch Kinder als "Männer" gezählt hat. Nach Angaben der Berliner Tageszeitung steht in der Broschüre Aktuelle Zahlen zu Asyl, die das Bamf monatlich herausgibt: "(Fast) zwei Drittel aller Erstanträge werden von Männern gestellt". Diese Formulierung finde sich seit 2015 in dem Heft, auch in einer Ausgabe vom Juli 2017.

Die taz schrieb dazu 2017:

Viele Medien übernahmen ihn - und bedienten damit das Angstbild einer "Invasion junger Männer", das von rechten Hetzseiten befördert wird.

Laut Duden ist ein Mann eine "erwachsene Person männlichen Geschlechts". Auch das Aufenthaltsgesetz behandelt alle Menschen bis zu ihrem 16. Geburtstag als Kinder und Jugendliche - so wird etwa erst bei "minderjährigen und ledigen Kindern, die bereits das 16. Lebensjahr vollendet haben", der Familiennachzug eingeschränkt. In dieser Formulierung werden also sogar 16-Jährige vom Gesetz noch als "Kinder" bezeichnet.

Fazit:

Ein "Kippmoment" durch eine temporäre oder dauerhafte Zuwanderung ist nicht nachzuweisen. Zudem überbewertet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Zahl männlicher Flüchtlinge, indem es Kinder und Jugendliche in die Statistik einfließen lässt.