Was das Bahnunglück in Burgrain mit dem Systemversagen der Bahn AG zu tun hat
Fussnoten
Aktuelle Zeitungs- und andere Medienberichte. Unter anderem nach Tagesspiegel und Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Juni 2022
Nach Zugunglück in Garmisch prüft Bahn rund 200.000 Betonschwellen. in: Die Welt vom 13. Juli 2022
Interview in Der Spiegel vom 2. Juli 2022.
Wissing dort: "Unser Netz ist heute so angelegt, dass Baustellen sehr schnell den Zugverkehr massiv beeinträchtigen. Es fehlen etwa Signale auf dem Gegengleis für Züge, die einer Baustelle ausweichen. Das bedeutet, dass sie sehr langsam fahren müssen und sich dadurch der Überholvorgang an einer Baustelle verlängert. So kommt es zu massiven Zugverspätungen oder gar Zugausfällen. Wir müssen deswegen das Netz so modernisieren, dass das Überholen an einer Baustelle nur noch zu einer minimalen Betriebsbeeinträchtigung führt und dann die Züge pünktlich ankommen. […] Das heißt, wo es notwendig ist, das Gleisbett erneuern, die Oberleitungen erneuern, die Signalisierung in Gegenrichtung anbringen und auch mehr Weichen einbauen, um aufs Gegengleis wechseln und schnell zurückwechseln zu können. Reparaturarbeiten müssen so durchgeführt werden, dass man sie im Alltagsverkehr kaum merkt."
Fragen, die sich hier stellen, sind: Wenn 40 Prozent des Netzes eingleisig sind, wie soll es da Überholungen geben können? Warum erwähnt Herr Wissing nicht, dass es sogar im Hauptnetz bis heute Dutzende eingleisige Streckenabschnitte gibt, die dringend zu Zweigleisigkeit ausgebaut werden müssten? Weiß Herr Wissing nicht, dass die Zahl der Weichen im Zeitraum 1994 bis 2021 von 131.968 auf 65.221 mehr als halbiert wurde? Weiß der Mann nicht, dass in jedem Jahr weitere Weichen aus dem Netz herausgenommen werden, allein 2021 wurde das Netz um 181 Weichen "erleichtert"? Weiß er nicht, dass die Zahl der Ausweichgleise im Schienennetz seit 1995 mehr als halbiert wurde? Und dass allein 2021 erneut 41 Kilometer Gleise abgebaut wurden? Dass in diesem letzten Jahr weitere 15 Gleisanschlüsse (Industriegleise) gekappt wurden? (Angaben jeweils nach Daten und Fakten, herausgegeben von der Deutschen Bahn AG, Ausgaben 1994 ff bis einschließlich Ausgabe 2021)
Markus Balser und Klaus Ott, Ermittler nehmen Trasse ins Visier, in: Süddeutsche Zeitung vom 2. Juli 2022.
Deutsche Bahn und marode Infrastruktur – Der Umgang mit Mitarbeitern, die auf Sicherheitsrisiken verweisen, Bericht von Monika Anthes und Gottlob Schober, ARD, Report Mainz vom 5. Juli 2022
Siehe: Der Tagesspiegel vom 23. Juni 2022.
Am 16. Juli 2022 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung ein Interview mit Bundesverkehrsminister Wissing, fast ausschließlich zur "zweiten S-Bahn-Stammstrecke" in München. Auffallend dabei war, dass Wissing bei allen erfreulich kritischen Fragen (wie "Die zweite Stammstrecke … soll nach vielen Verzögerungen erst 2037 fertig sein. Bis dahin droht der Verkehrskollaps. Wäre es nicht sinnvoller … nach schnelleren Lösungen zu suchen?") stur daran festhält, dass es sich um ein Projekt des Freistaats Bayern bzw. der Stadt München handelt und den Eindruck entstehen lässt, dass trotz einer – bisher feststellbaren – Verzehnfachung der Kosten (von 700 Millionen auf 7 Milliarden Euro) der Bund irgendwie immer weiter seinen Anteil zuschießen würde. Erinnert sei daran, dass es ein vergleichbares Vorgehen bei Stuttgart 21 gab – und dass sich heute in Stuttgart und an der Bahnspitze niemand mehr findet, der offensiv das Projekt verteidigt – wobei sich dieses Projekt auf fatale Weise verselbständigt hat und inzwischen ein Gesamtbetrag von rund 15 Milliarden Euro für S21 zu bezahlen sein wird. Vgl. Winfried Wolf, abgrundtief + bodenlos. Stuttgart 21, sein absehbares Scheitern und die Kultur des Widerstands, Köln 2020, 3. Auflage.
Zu Kritik und Alternative zur Zweiten S-Bahn-Stammstrecke siehe Wolfgang Hesse und Christoph Engelhardt in Lunapark21 Extra 18/19, Januar 2019 und W. Hesse in: Münchner Forum – Standpunkte 5, 2018, S.26-30.
Der vollständige Untersuchungsbericht des Eisenbahn-Bundesamtes zu dem Brühler Unfall durfte damals von den Mitgliedern des Bundestags-Verkehrsausschusses nur in einer abgedunkelten Kammer mit dem Verbot zu kopieren oder mitzuschreiben eingesehen werden. Mir gelang es als MdB, bei meiner Einsichtnahme einen großen Teil des Berichtes abzuschreiben. Die "Frankfurter Rundschau" veröffentlichte meinen Bericht am 11.10.2000 auf einer ganzen Zeitungsseite. Erst danach wurde der Bericht in Gänze dem Verkehrsausschuss zur Verfügung gestellt.
Die hier und im Folgenden behandelten drei Eisenbahnunfälle sind ausführlich dargestellt durch Bernhard Knierim (ehemals Bahn für Alle, heute aktiv für die Allianz pro Schiene) und Winfried Wolf in den beiden Publikationen: Bitte Umsteigen! 20 Jahre Bahnreform, Stuttgart 2014, S. 57ff. und Abgefahren. Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen, Köln 2019, Seite 178ff.
Andere PZB-Unfälle: September 2001 Enzisweiler: Zusammenprall zweier Züge mit vielen Verletzten. Zwar war die Infrastruktur mit PZB ausgerüstet, in einem der beiden Züge fehlte diese jedoch. Februar 1999 Immenstadt: Zusammenprall eines IC und eines Regionalzugs; zwei Tote. Im Jahr zuvor waren Weichen ausgebaut worden und dabei vergessen worden, die mitgelieferte Sicherungstechnik einzubauen. März 1999 Erfurt: Zwei Regionalzüge prallen zusammen; 13 Verletzte. Es fehlte PZB oder eine vergleichbare Sicherungstechnik. Oktober 1995 Werdau/Sachsen: Zusammenstoß eines InterRegio mit einem Nahverkehrszug; ein Toter, 16 Verletzte. Es fehlte PZB oder eine vergleichbare Sicherungstechnik. Dezember 1995 Garmisch-Partenkirchen (!): Zusammenstoß eines Eilzugs mit dem verglasten Ausflugstriebwagen der DB AG, ein Toter, 57 Verletzte. Es fehlte PZB oder eine vergleichbare Sicherungstechnik.
Die gedrechselte Formulierung lautet jetzt: Die Nachrüstung hätte "zur sicheren Seite gewirkt und einen entsprechenden Beitrag zur Vermeidung des Unfalls geliefert." Ausführlich zu diesen beiden (und anderen) Unfällen siehe: Bernhard Knierim und Winfried Wolf, Abgefahren. Warum wir eine neue Bahnpolitik brauchen, Köln 2019, S.178ff.
Das Telefon, von dem der Notruf durch den Stellwerker abgesetzt wurde – ein Notruf, der die beiden Lokführer nicht erreichte – wurde von den Verantwortlichen der DB aus dem versiegelten Tatort, dem Büro des Fahrdienstleiters, entfernt und nach Frankfurt/M. in die DB-Zentrale verbracht. Es gelang erst vier Wochen später zur Kripo nach Rosenheim. Dort wurde es jedoch nicht untersucht, sondern in die Asservatenkammer verbracht. Erneut Knierim/Wolf, Abgefahren, a.a.O., S.181.
Bahn plant Züge ohne Lokführer, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. Juni 2016
Seit 15 Jahren erscheint jeweils am Tag vor der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bahn der Alternative Geschäftsbericht Deutsche Bahn. In diesem Jahr wurde er am 30. März 2022 im dbb-Haus in Berlin unter anderem von Michael Jung, Prellbock Altona, und mir vorgestellt. und – als Zusammenfassung auf den NachDenkSeiten Winfried Wolf, Klimabahn statt Betonbahn, 13. Mai 2022
Die DB-Tochter Schenker im Juni 2022 erwarb für 435 Millionen Dollar das börsennotierte Unternehmen USA Truck, das über eine Flotte von 1.900 Lkw verfügt. Nach: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. Juni 2022. Ich gestatte mir, zu erinnern: 2006 hatte der Bahnkonzern in der Mehdorn-Ära mit Bax Global bereits einen Versuch gestartet, im US-Logistik- und Lkw- und Frachtflugverkehr-Geschäft Fuß zu fassen. 2011 musste der Bahnkonzern dieses Engagement aufgeben und rund eine Milliarde Dollar Verluste hinnehmen.
Abheben im ICE – Bahn tritt Lufthansa-Bündnis Star Alliance bei, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 5. Juli 2022. Fast 10.000 Züge ausgefallen, in: Süddeutsche Zeitung vom 3. Juli 2022.