Was hat es mit der Schließung der Botschaft von Nicaragua in Berlin auf sich?
Nicaragua strengt vor UNO-Gericht Verfahren gegen Deutschland an. Zugleich schließt die Landesvertretung in Berlin. Was kommt als nächstes?
Nicaragua hat seine Botschaft in Berlin geschlossen. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur unter Berufung auf Informationen eines Mitarbeiters der nicaraguanischen Botschaft in Wien. Tatsächlich war die Botschaft des Landes in Berlin am Donnerstag nicht mehr erreichbar.
Der Schritt erfolgt unmittelbar nach der Verhandlung einer Klage Nicaraguas gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen wegen angeblicher Beihilfe zum Genozid Israels in Gaza.
Die diplomatischen Aufgaben in Deutschland werden künftig von der Botschaft Nicaraguas in Österreich übernommen. Die Botschafterin in Wien, Sabra Murillo, wird zusätzlich als Repräsentantin in Deutschland fungieren.
Vorwürfe gegen Deutschland
Nicaragua hatte im März Klage beim IGH eingereicht, die in dieser Woche erstmals verhandelt wurde. Deutschland wird in der Anklageschrift auffordert, die Unterstützung Israels für dessen Versuche einer "Auslöschung des palästinensischen Volkes" zu beenden und den "Genozid" in Gaza zu verhindern.
Nicaragua vertritt den Standpunkt, dass Deutschland trotz der offensichtlichen Verstöße Israels gegen das humanitäre Völkerrecht seine militärische Hilfe und politische Unterstützung für Israel ausgebaut hat. Vertreter des mittelamerikanischen Landes erinnerten in diesem Zusammenhang auch daran, dass Deutschland Schritte gegen die Klage unternommen hat, die Südafrika ebenfalls vor dem IGH eingereicht hat.
Deutschlands Reaktion auf die Vorwürfe
Auf der anderen Seite hat Deutschland diese Anschuldigungen zurückgewiesen und betont, dass es als Staat alles in seiner Macht Stehende tut, um seinen Verpflichtungen sowohl gegenüber dem israelischen als auch dem palästinensischen Volk nachzukommen.
Telepolis hatte bereits am Dienstag berichtet, dass die Leiterin der deutschen Delegation, Tania von Uslar-Gleichen, nach einer zweistündigen Anhörung vor dem IGH bekräftigte, es gebe keinen Grund für das Gericht, einstweilige Anordnungen zu erlassen. Deutschland sei sich seiner Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention und dem humanitären Völkerrecht bewusst und handele in diesem rechtlichen Rahmen.
Deutsche Rüstungsexporte nach Israel verzehnfacht
Im Kontext der deutschen Israel-Politik und dem Krieg in Gaza war unlängst bekannt geworden, dass die Bundesregierung die Rüstungsexporte nach Israel im vergangenen Jahr verzehnfacht hatte.
Die Vorwürfe Nicaraguas beziehen sich auf deutsche Waffenlieferungen an Israel und die Einstellung der Zahlungen an das Palästinenserhilfswerk UNRWA. Christian Tams, Völkerrechtler und ebenfalls Vertreter Deutschlands vor dem IGH, wies darauf hin, dass die ausgesetzten Zahlungen keinen Einfluss auf den Umfang der Hilfe gehabt hätten – was im Umkehrschluss die Frage aufwirft, warum sie ausgesetzt dann worden sind.
Deutschland sei mit 254 Millionen Euro in den vergangenen anderthalb Jahren der größte Einzelgeber gewesen. Zudem habe die Bundesrepublik ihre humanitäre Hilfe für die Palästinenser in den besetzten Gebieten seit dem 7. Oktober mehr als verdreifacht.
Gerät der deutsche Botschafter ins Visier?
Die Beziehung zwischen Deutschland und der Führung von Präsident Daniel Ortega Nicaragua sind seit Jahren äußerst angespannt. In diplomatischen Kreisen wird daher gemutmaßt, ob die Schließung der Botschaft in Berlin die Ausweisung des deutschen Botschafters vorbereitet.
Christoph Bundscherer hatte bereits im Dezember 2021 bei einer Rede an der Deutschen Schule in Managua heftige Kritik an der Ortega-Regierung geübt. Unter den Absolventen befand sich eine Enkelin des nicaraguanischen Präsidenten Daniel Ortega und seiner Frau Rosario Murillo. Die junge Frau war in Begleitung ihrer Eltern Maurice Ortega Murillo und Blanca Díaz, Tochter von Francisco Díaz, dem Direktor der Nationalpolizei, anwesend.