Was machen deine Gene in meinen Mutanten?

Selbst Food-Multis sind skeptisch, wenn Gene aus manipulierten Pflanzen der Pharma-Industrie sich unkontrolliert ausbreiten und in die Nahrungsmittelkette gelangen

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Der amerikanischen Agrarindustrie reicht es jetzt: Die weltgrößten Produzenten genveränderter Lebensmittel sorgen sich um die Gesundheit ihrer Kundschaft. Der Grund: Gene aus manipulierten Pflanzen der pharmazeutischen Industrie finden zunehmend ihren Weg in die Mais- und Soja-Felder der Agrar-Multis. Dort jedoch sind sie alles andere als willkommen...

Das bei uns respektlos so getaufte "Frankenfood" ist aus US-Supermärkten bekanntlich nicht mehr wegzudenken: Rund 70 Prozent aller Fertignahrungsmittel sollen dort bereits genveränderte Zutaten enthalten, vor allem Öl aus schädlingsresistenten Sojabohnen und Maisprodukte. Das amerikanische Gesetz will es, dass jede einzelne dieser Pflanzen von der Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) freigegeben werden muss. Die Tests sind lang und für die Firmen teuer. Am Ende kann der Verbraucher relativ sicher sein, dass das zugelassene Produkt zumindest nicht massiv schädlich ist.

US-Agrarmultis: Genmanipulation ist nicht gleich Genmanipulation

Etwas anders sieht die Sache bei Pflanzen aus, die aus pharmazeutischen Gründen genmanipuliert wurden, etwa die berühmten Kartoffelpflanzen, die Gene für bestimmte Impfstoffe tragen, oder Getreide, das zur Insulinerzeugung eingesetzt werden soll. Derartige Genhybride sind noch experimentell - und damit auch noch nicht von der FDA abgenickt. Wenn etwa mit Impfstoffen für Schweine experimentiert wird, um irgendwann einmal eine neue Impfung für Menschen zu entwickeln, dann handelt es sich dabei um medizinische Grundlagenforschung. Eine Zulassung für solche Schweineimpfstoffe ist in diesem Stadium nicht erforderlich.

Probleme entstehen erst, wenn solcherart genveränderte Pflanzen in die Nahrungskette zu gelangen drohen. Genau das ist jetzt zum wiederholten Mal passiert. Wie kam es dazu?

In dem aktuellen Fall, über den die LA Times berichtete, wurde von der Biotech-Firma ProdiGene auf einer Farm in Nebraska im Sommer 2001 genmanipulierter Mais angebaut, der Schweine vor einer bestimmten Darmerkrankung schützen soll. Er wurde entsprechend den Auflagen des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) aufgezogen und geerntet. Im Frühjahr 2002 pflanzte der Bauer dann schädlingsresistente Soja-Bohnen auf eben jenem Feld. Die USDA sieht für diesen Fall engmaschige Vor-Ort-Kontrollen vor.

Bei einer dieser Kontrollen wurden im Oktober Maispflanzen von ProdiGene zwischen den Sojasprösslingen entdeckt. Sie konnten offensichtlich nicht vollständig beseitigt werden, gelangten in die Ernte und schließlich in ein gemeinsames Lagerhaus, wo sie Mitte Dezember nachgewiesen werden konnten. Auf Anordnung der USDA musste danach der gesamte Inhalt des Lagerhauses im Wert von 3 Millionen US-Dollar vernichtet werden. Den Schaden soll ProdiGene zahlen, zuzüglich einer Strafe von 250.000 Dollar.

Blauer Mais: Sieht schön aus und löst Probleme ...

Food-Multis begrüßen das rigide Vorgehen: "Wir sind die größten Anhänger von Genmanipulationen im Nahrungssektor, aber das hier ist etwas ganz anderes", so ein Industriesprecher. Biotech-Firmen dagegen warnen vor zu rigiden Auflagen, die die Forschung nur behindern würden, ohne die Sicherheit der Konsumenten signifikant zu erhöhen.

Die US-Regierung sieht sich in der Zwickmühle und präsentierte jetzt ein Diskussionspapier mit Vorschlägen, die derartigen Unfällen künftig vorbeugen helfen sollen. Einer der Vorschläge: Der Anbau von Pharmagetreide sollte zumindest im Mittleren Westen, der Kornkammer der Vereinigten Staaten, verboten werden. Außerdem könnte die Farbe der Pflanzen gentechnisch modifiziert werden. Sie wären dann leichter erkennbar und könnten besser ausgerupft werden. Auf wenig Gegenliebe seitens der Biotech-Firmen stößt allerdings die Idee, auf Nahrungsgetreide ganz zu verzichten und stattdessen etwa mit anderen Gräsern zu experimentieren.