Was macht "Biotechnologie" unbeliebt?

Ist es Wissen oder sind es Irrtümer?

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Die öffentliche Diskussion versucht, Demokratie und Biotechnologie in Einklang zu bringen. M. Bucchi und F. Neresini von den Universitäten in Trient und in Padua verfolgen seit einigen Jahren diese Entwicklung und haben ihre neuesten Ergebnisse in Science vorgestellt.

Bucchi und Neresini bemühen eine italienische Befragung an nahezu 1000 Personen und versuchen, die Einschätzung der Befragten heraus zu finden. Danach sprechen sich 84 Prozent für die Forschung in der Medizin und 57,3 Prozent für die weitergehenden Untersuchungen der Nahrungsmittelforschung aus. Andererseits halten 69 Prozent der Befragten die Wissenschaft für einen Zweig, der mit den persönlichen Interessen der Wissenschaftler verbunden ist. Dazu zählen sie 68,6 Prozent, wenn es um genetisch modifizierte Produkte geht und mit 83,3 Prozent derjenigen, die sich mit dem Klonen beschäftigen. Deshalb sprechen sich 20 Prozent der Befragten für die Beurteilung durch "alle Bürger" aus, um die Forschung festzulegen. Demgegenüber räumen nur 10 Prozent den Wissenschaftlern das Recht ein, selbst ihre Ziele zu definieren.

So sehr solche Zahlen überzeugen, so sehr sind sie von Faktoren bestimmt, die sich dem Verständnis von Demokratie entziehen.

Das Wissen über die Gene sinkt in der Bevölkerung

Bucchi und Neresini verweisen auf Analysen der europäischen Kommission (Eurobarometer 1993-1999). Diese Befragungen geben zahlreiche Antworten auf den Wissensstand der Europäer. Im Jahr 1999 haben 48 Prozent (1996: 51 Prozent) korrekt angegeben "Mehr als die Hälfte der Gene des Schimpansen werden auch beim Menschen gefunden". Ferner gaben 42 Prozent (1996: 48 Prozent) die richtige Antwort auf die Frage, ob die Formulierung "Wenn eine Personen genetisch modifizierte Früchte isst, werden auch die eigenen Gene verändert" den Tatsachen entspricht. Allerdings war das Ergebnis in beiden Fällen schlechter als drei Jahre zuvor. Die Behauptung, "Genetisch modifizierte Tieres sind immer größer als die ursprünglichen Tiere", "Gewöhnliche Tomaten enthalten keine Gene, die genetisch modifizierte Tomaten enthalten" und "Es ist unmöglich, die Gene von Tieren auf Pflanzen zu übertragen", wurden dagegen kontrovers beantwortet. Nur 36 bis 27 Prozent fanden die korrekte Lösung. Dagegen standen "Ich weiß nicht" sowie die falsche Antwort zu gleichen Teilen. Ferner bestand kein Unterschied hinsichtlich der Altersverteilung oder hinsichtlich der Trennung nach Frauen und Männern.

Kein Wissenschaftler wird sich davon überzeugen lassen, dass der "allgemeine Bürger" bei diesem geringen Wissensstand über die Art der Forschung mitbestimmen soll. Ganz abgesehen davon, dass viele Fragen lange zuvor wirksam werden können. Wenn, wie am größten privaten Forschungsinstitut der USA, die Entwicklung von unnatürlichen Aminosäuren probiert und vervollständigt wird, lässt sich noch keineswegs bestimmen, ob dieser Schritt der Zukunft voraus eilt oder ob er sich als wenig oder nicht relevant erweist (Der göttliche Atem der Chemiker). Selbst die Entscheidung einer Prüfungskommission mit normalen Bürgern kann diese und ähnliche Fragen nicht klären.

Die Forschung wird sich spalten

Andererseits werden Themen wie die Genforschung mit zunehmender Kenntnis interessant. Wenn, wie beispielsweise in den USA, die offizielle Forschung einen Hemmschuh für die Genforschung festlegt, werden die Universitäten diese Einschränkung unterlaufen (Harvard enters stem cell fray: Science 303, 1435 (2004)). Diese Umorientierung kostet zwar Zeit, sie wird aber zu einer neuen, bisher nicht praktizierten Entwicklung führen: Indem sie Gelder freisetzt, die uneingeschränkt der neuen Forschungsrichtung zukommen. Die Universitäten gestalten damit einen zweiten Raum für ihre ergänzende Forschung, jetzt unter einen anderen Namen und abhängig von freiwilligen Sponsoren. Anfänglich handelt es sich hauptsächlich um jene mit speziellen eigenen Zielen. Doch schon bald werden weitere Geldgeber hinzukommen, die nur die Entwicklung fördern wollen, ohne den Wissenschaftler einzuschränken.

Daraus entsteht schließlich eine neue Form der Organisation: Die offizielle Forschung im Sinne der Regierung und der angeschlossenen Organe, sowie die ungebundene wissenschaftliche Entwicklung. Damit wird ein Zustand erreicht, der die regierungsamtliche Forschung zur Zweckforschung umfunktioniert, während die "freie Forschung" von den Geldern der Regierung und staatlicher Stellen unabhängig wird.

"Freie Forschung" ohne Regierungskontrolle?

Dann wird auch alles, was mit Terror zu tun hat, einen neuen Aufschwung erleben. Die Forschung aktueller Fragen zum Thema Terrorismus kann völlig neu bedacht werden, auch wenn sie mitunter nur partiell publiziert wird (Reports examine academe's role in keeping secrets: Science 304, 500 (2004)). Sie wird aber der regierungsamtlichen Zweckforschung zugerechnet.

Die Ausnahme in diesem Konzert ist die Feststellung: "Das Klonen von Menschen erzeugt perfekte Nachkommen". Hier haben im Eurobarometer 64 Prozent die richtige Antwort gegeben, nachdem 1996 nur 46 Prozent davon überzeugt waren und 1993 nur 32 Prozent darüber Bescheid wussten. Könnte es an den Journalisten liegen, weil sie die Information mit Nachdruck in die Öffentlichkeit gebracht haben? Viele der neuen Erkenntnisse sind auf dem Boden der zunehmenden Berichte über die Genforschung in das Bewusstsein der Konsumenten geraten.

Nur beim Klonen hat die Bevölkerung dazugelernt

In den Befragungen der Europäischen Gemeinschaft wird für die Medizin angegeben, dass sowohl die Apotheker und andere Interessengruppen, nämlich Ärzte wie auch die an Patienten orientierten Organisationen, von erheblichen Einfluss (bis zu 80 Prozent) auf die Meinungsbildung sind. Das Interesse der Bevölkerung lässt allerdings nach, wenn es um die Erforschung der genetischen Nahrungsmittel geht und wird noch mehr abnehmen bei Fragen, die nur einen Bruchteil der Menschen angehen. Nur im Zuge aktueller Fragen, vom Journalisten aufgebracht, wird die Kompetenz der Bevölkerung wachgerüttelt.

In den USA wird die Entscheidung demnächst zwischen regierungskonformen Stellen und der freien Forschung getroffen. In der Europäischen Union hingegen kommen länderspezifische Besonderheiten ins Gespräch. Im Falle der gentechnologischen Entwicklung bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern der Europäischen Union. Eine Klärung ist noch lange nicht in Sicht. M. Bucchi und F. Neresini werden deshalb auch weiterhin Schwierigkeiten haben, ihre Meinung durchzusetzen.