Was wiegt ein Kilogramm?

Die neu konstruierte Watt-Waage NIST-4 hat ihre ersten erfolgreichen Messungen des Planckschen Wirkungsquantums durchgeführt. (Foto: Jennifer Lauren Lee/NIST PML)

Keine Scherzfrage: Bis 2018 wollen sich die Metrologen weltweit darüber einig sein, wie schwer ein Kilogramm ist

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Das Kilogramm ist ein Problem. Während die anderen SI-Einheiten anhand physikalischer Prozesse definiert sind, beruht es auf der Masse eines Zylinders aus Platin-Iridium, dem Ur-Kilogramm, der vom Internationalen Büro für Maß und Gewicht (BIPM) verwahrt wird.

Wie jedes Objekt altert dieser Zylinder. Dass ihm ab und zu ein Atom verloren geht, fiel früher nicht auf. Heute brauchen Wissenschaft und Technik eine derartige Präzision, dass der Vergleich mit dem Urkilogramm oder seinen Kopien nicht mehr genügt.

Die Definition des Kilogramms auf eine andere Basis stellen

Schon seit Jahren bemühen sich die Mess-Forscher, die Metrologen, deshalb, die Definition des Kilogramms auf eine andere Basis zu stellen. Und wenn alles gut geht, soll diese neue Definition auf der Generalversammlung des BIPM 2018 verabschiedet werden, zusammen mit Neudefinitionen von Ampère, Mol und Kelvin, die auf nicht ganz so wackligen Füßen stehen.

Grundlage des neuen Systems sollen einzig und allein die numerischen Werte von Naturkonstanten sein (oder daraus abgeleitete Messvorschriften) wie etwa die Lichtgeschwindigkeit beim Meter.

Die kleinstmögliche Basis für eine Einheit der Masse ist schnell gefunden: Die Plancksche Wirkungsquantum, der Proportionalitätsfaktor zwischen Energie und Frequenz eines Photons. Es hat die Dimension Energie mal Zeit, und da die Energie ein Massenäquivalent besitzt sowie die Zeit schon fundamental definiert ist, lässt sich über die Festlegung des genauen Wertes auch die Grundeinheit der Masse definieren.

Ganz so weit ist die Forschung aber noch nicht: Wer über den genauen Wert einer Konstante eine Einheit definieren will, muss zunächst diesen genauen Wert kennen und zwar mit einem möglichst hohen Schärfegrad. Natürlich könnte man auch einfach behaupten: "Der Wert beträgt ab sofort 6", allerdings würde sich dadurch jede derzeitige Massenangabe drastisch verändern. Je genauer wir den Wert der Konstante kennen, desto weniger ändert sich also durch die Neudefinition.

Planck- und Avogadro-Konstanten

Weil sich Menschen bei Experimenten aber auch irren können, haben sich die Metrologen darauf geeinigt, das Kilogramm mit Hilfe eines Wertes für die Planck-Konstante zu definieren, auf den drei unterschiedliche Teams gekommen sind. Und zwei davon müssen mit unterschiedlichen Methoden gearbeitet haben. Am weitesten sind dabei die Erbsenzähler des internationalen Avogadro-Projekts gekommen. Sie zählen natürlich keine Erbsen, sondern Atome.

Indem sie herausfinden, wieviele Atome sich in chemisch hochreichen Silizium-28-Kugeln mit einem Kilogramm Masse befinden, ermitteln sie über den Umweg der Avogadro-Konstanten auch den Wert der damit verknüpften Planck-Konstanten. Die Zählung findet natürlich nicht per Hand statt: Mit Röntgen-Kristallografie misst man die Größe der Grundstrukturen des Silizium-Kristalls, aus der sich dann die Zahl der Atome ergibt.

Die Watt-Waage

Ein anderes Verfahren ist die so genannte Watt-Waage. Sie misst, welche Stromstärke zur Kompensation einer Testmasse m im Magnetfeld einer Spule nötig ist und welche Spannung von der Bewegung dieser Testmasse induziert wird (Spannung * Strom = Leistung, deshalb Watt-Waage). Diese Messung ist sehr kompliziert: Es darf keinerlei störende Magnetfelder geben, und die einzige Bewegung darf die der Testmasse sein.

Die Forscherteams mit Watt-Waagen erreichten deshalb für lange Zeit nicht die Genauigkeit der Konkurrenz. 2011 schlug man daraufhin sogar vor, einfach Mittelwerte der Messergebnisse zu verwenden. Diese Krise ist aber inzwischen überstanden. Das amerikanische NIST hat eine neue Watt-Waage NIST-4 in Betrieb genommen, die inzwischen weniger als doppelt so ungenau misst wie die Avogadro-Forscher.

Bis 2017 soll NIST-4 die Anforderungen des SI-Standardisierungskomitees erfüllen. Da die kanadischen Kollegen dieses Ziel bereits erreicht haben, steht einer Neudefinition des Kilogramm 2018 dann nichts mehr im Wege.