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Was wir Mitte 2023 über die Sicherheit und Wirksamkeit von Covid-19-Impfstoffen wissen

Einschätzung der Ständigen Impfkommission von Mai. Corona-Pandemie ist in eine endemische Phase übergegangen. Schwerwiegende Nebenwirkungen der Corona-Impfung sind selten bis sehr selten. (Teil 1)

Aus ärztlicher Sicht muss ein Covid-19-Impfstoff in erster Linie sicher, in zweiter Linie sicher, drittens sicher und viertens wirksam sein. Das schrieb Carlos Beat Quinto von der Schweizer Ärztevereinigung FMH in einem Ende 2020 in der Schweizerischen Ärztezeitung erschienenen Text.1 [1]

Diese Aussage, der ich mich vorbehaltlos anschließen kann, bedeutet, dass der Nutzen einer Impfung die möglichen Risiken weit überwiegen muss, wenn diese zur Prävention einer Erkrankung wie Covid-19 eingesetzt werden soll, und das gilt für die öffentliche Gesundheit ebenso wie für die individuelle.

Deshalb habe ich mich seit Beginn der Corona-Impfung Ende Dezember 2020 in einer Reihe von Artikeln in Telepolis vor allem mit der Sicherheit der Corona-Impfung auf der Basis der verfügbaren wissenschaftlichen Daten kritisch auseinandergesetzt, zuletzt in einem Beitrag vom 30.10.2022 [2].2 [3]

Anfang April 2023 wurde das Ende der Corona-Pandemie in Deutschland und deren Übergang in eine endemische Phase verkündet.

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich in seinem ersten Teil mit den neuesten Daten zur Sicherheit der Corona-Impfstoffe, während der zweite Teil die neuen Daten zur Wirksamkeit behandeln wird.

Meine Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf einen langen Beitrag mit vielen Abbildungen und Tabellen und einer umfangreichen Literaturliste, der von einer Arbeitsgruppe der Ständigen Impfkommission (Stiko) erarbeitet und am 25.05.2023 im Epidemiologischen Bulletin 21/2023 [4] des Robert-Koch-Institutes (RKI) veröffentlicht worden ist.3 [5]

In meinem Artikel habe ich mich darum bemüht, die wichtigsten Daten für Interessierte verständlich aufzuarbeiten, wobei es mir auch darum geht, diese umfangreiche Schrift für die öffentliche Diskussion besser zugänglich zu machen.

Zum Meldesystem über die Sicherheit von Impfstoffen

Bis Anfang April 2023 wurden in der Impfkampagne gegen Covid-19 insgesamt 192,2 Millionen Impfstoffdosen in Deutschland verabreicht. Davon waren etwa 138,2 Millionen Impfstoffdosen Comirnaty, rund 31,6 Millionen Dosen Spikevax, circa 5,6 Millionen Dosen Comirnaty bivalent (Original/Omicron), ca. 113.000 Dosen Spikevax bivalent (Original/Omicron), rund 160.000 Dosen Nuvaxovid, ca. 3,8 Mio. Dosen JCovden, ca. 12,8 Mio. Impfstoffdosen Vaxzevria und ca. 7.800 Dosen Valneva.4 [6]

Für die weitere Erörterung muss man sich zunächst klarmachen, dass die Aussagen über die Sicherheit der Impfstoffe bei uns vor allem auf dem etablierten (passiven) Meldesystem über Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung mit Covid-19-Vakzinen beruhen, die in den vorliegenden Sicherheitsberichten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) zusammengefasst sind. Entsprechende Meldesysteme gibt es auch in anderen Ländern, etwa das VAERS in den USA.5 [7]

Diese Meldungen erhalten die Gesundheitsämter und andere Institutionen entsprechend den Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes.

Ärztinnen und Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, Nebenwirkungen und Impfkomplikationen – und das sind gesundheitliche Beschwerden, die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehen und nicht evident auf andere Ursachen zurückzuführen sind- namentlich dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden, das diese wiederum unverzüglich und in anonymisierter Form an das PEI weiterleitet.

Zusätzlich erhält das PEI Meldungen der Arzneimittelkommissionen der Apotheker und der Ärzte in Deutschland, der Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) sowie direkt von Ärztinnen und Ärzten sowie auch von Impflingen bzw. deren Angehörigen.

Das PEI fasst alle diese erhaltenen Meldungen zusammen, und zwar unabhängig von einem ursächlichen Zusammenhang mit der Impfung. So ist es im Sinne der frühzeitigen Erkennung von möglicherweise neuen Risikosignalen wichtig, die Meldeschwelle niedrig anzusetzen.

Dies bedeutet, dass auch Meldungen in rein zeitlichem und nicht von vornherein notwendigerweise ursächlichem Zusammenhang mit der Impfung bedeutsam sind und gemeldet werden.

So sind die Meldungen also zunächst ganz überwiegend Verdachtsfälle und müssen im Nachhinein hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs mit der Impfung bewertet werden. Diese Beurteilung erfolgt vor dem Hintergrund, dass in Deutschland auf Grund aller Todesursachen zusammen im Durchschnitt pro Tag etwa 3.000 Menschen versterben [8].

Zur Bewertung der Meldungen führt das PEI im Rahmen der Erkennung möglicher neuer Risikosignale fortlaufend Observed-versus-Expected (OvE)-Analysen durch. Dabei wird die Häufigkeit der dem PEI nach Impfung gemeldeten unerwünschten Ereignisse mit den statistisch zufälligen und zu erwartenden Häufigkeiten in einer entsprechenden nicht geimpften Bevölkerung verglichen.6 [9]

Ergibt sich bei dieser Analyse eine signifikant höhere Melderate für ein Ereignis nach Impfung, als es statistisch zufällig in einer vergleichbaren Population ohne Impfung zu erwarten wäre, geht das PEI von einem Risikosignal aus. Dieses muss dann durch zusätzliche, zumeist epidemiologische Studien weiter daraufhin untersucht werden, ob ein ursächlicher Zusammenhang mit der Impfung wahrscheinlich oder möglich ist.

Das PEI führt zudem eine Befragung zur Verträglichkeit der Covid-19-Impfstoffe mit der SafeVac 2.0-App durch.7 [10] Eine Gruppe von freiwilligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird darin im Zeitraum von jeweils drei bzw. vier Wochen nach jeder Impfung bezüglich der Sicherheit von Covid-19-Impfstoffen oder sechs und zwölf Monate nach den Impfungen im Hinblick auf den Schutz vor der Erkrankung befragt.

Zu Schweregrad und Häufigkeit der Nebenwirkungen

Bei schwerwiegenden Nebenwirkungen und Impfkomplikationen, um die es ja in dieser Diskussion vor allem geht, handelt es sich gemäß § 4 des Arzneimittelgesetzes (AMG) um Nebenwirkungen, die tödlich oder lebensbedrohend sind, eine stationäre Behandlung oder Verlängerung einer stationären Behandlung erforderlich machen, zu bleibender oder schwerwiegender Behinderung, Invalidität, kongenitalen Anomalien oder Geburtsfehlern führen. Diese Nebenwirkungen werden als "selten" oder "sehr selten" eingeschätzt.8 [11]

Nicht zu dieser Gruppe gehören die typischen und nach einer Impfung häufig bis sehr häufig auftretenden nicht schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Rötung, Schwellung und Schmerzen an der Impfstelle und auch Allgemeinreaktionen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Unwohlsein, die auch die große Mehrzahl der oben angegebenen gemeldeten Verdachtsfälle ausmachen.

Bei den Häufigkeitsangaben der Nebenwirkungen und Impfkomplikationen werden folgende Kategorien unterschieden, wobei sich die Angabe jeweils auf die Anzahl der Ereignisse pro Zahl der geimpften Personen bzw. verwendeter Impfdosen bezieht:

Somit bedeutet "sehr selten" beispielsweise, dass eine Nebenwirkung oder Impfkomplikation bei weniger als einer Person bei 10.000 Geimpften oder verwendeten Impfdosen auftritt, bzw. bei weniger als 100 Personen bei 1 Million Geimpften oder verwendeten Impfdosen beobachtet wird.

Daten zur Sicherheit der zugelassenen Impfstoffe

Bei den hier untersuchten Impfstoffen handelt sich um die genetischen (genbasierten) monovalenten mRNA-Vakzine Comirnaty des Pharma-Unternehmens Biontech-Pfizer und Spikevax von Moderna und die Vektor-Impfstoffe Vaxzevria von Astrazeneca und Jcovden von Johnson&Johnson, wobei Comirnaty in Deutschland mit weitem Abstand am häufigsten verwendet worden ist (siehe auch oben).

Daneben sind der proteinbasierte Impfstoff Nuvaxovid bzw. Valneva, ein sogenannter "Totimpstoff", der aus kompletten inaktivierten Viren besteht, eingesetzt worden. Seit Februar 2022 ist Nuvaxovid als fünftes und seit Juni 2022 Valneva als sechstes monovalentes Vakzin in der EU zugelassen.

Einbezogen sind auch die Varianten-adaptierte bivalenten mRNA-Impfstoffe, die für die Auffrischimpfung eine Zulassung erhalten haben (siehe oben).

Grundimmunisierung

Die Inzidenz von Verdachtsfällen schwerwiegender unerwünschter Ereignisse, z.B. allergische anaphylaktische Reaktionen, Thrombosen oder Myokarditis, betrug insgesamt 0,3 pro 1.000 Impfstoffdosen. Das entspricht 300 Verdachtsfälle pro Million Geimpfter.

Myokarditiden als schwerwiegende Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfung sind sowohl nach der Impfung mit mRNA- als auch nach Vektor- und proteinbasierten Impfstoffen berichtet worden.

Das höchste Myokarditis- und Perikarditisrisiko wird bei 18- bis 24-jährigen jungen Männern nach der zweiten Spikevax-Impfstoffdosis verzeichnet (299 Verdachtsfälle pro 1 Mio. verabreichter Impfstoffdosen. Das entspricht der Häufigkeitskategorie "selten".)

Nach der zweiten Comirnaty-Impfung war das Risiko insgesamt niedriger. Es wurden 59,2 Myokarditiden pro 1 Mio. verabreichter Impfstoffdosen beobachtet, was der Häufigkeitskategorie "sehr selten" entspricht.

Für beide Impfstoffe war das Risiko am höchsten, wenn die zweiten Impfstoffdosis in einem Zeitabstand von gleich bzw. weniger als 30 Tagen zur ersten Dosis verabreicht wurde. Durch einen längeren Impfabstand von gleich bzw. mehr als 56 Tagen kann das Risiko um das 5-fache reduziert werden.

Nach Ergebnissen einer dänischen Studie betrug das Myokarditis-Risiko nach der zweiten Comirnaty-Impfung bei 12- bis 17-jährigen Jugendlichen 57,4 pro 1 Mio. Impfstoffdosen.

Bei jüngeren Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren war es signifikant niedriger und betrug lediglich 4,8 Verdachtsfallmeldungen pro 1 Mio. Impfstoffdosen.

Post-Vac-Syndrom

Als Post-Vac-Syndrom wird ein neuartiges Krankheitsbild mit Post-Covid-vergleichbarer Symptomatik (z.B. chronische Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Herz-Kreislaufbeschwerden) beschrieben, die nach der Covid-19-Impfung auftreten kann.

Post-Vac ist aber bisher kein anerkanntes Krankheitsbild und es existiert bisher auch keine einheitliche Definition für dieses Syndrom.

In der Nebenwirkungsdatenbank des PEI sind bis zum 6. Juli 2022 insgesamt 472 Post-Vac-Verdachtsmeldungen eingegangen, die die folgenden Krankheitsbilder umfassten: Chronisches Ermüdungssyndrom, Post-Vaccination-Syndrome, Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom (POTS), Post-akutes Covid-19-Syndrom.

Zum Vergleich führte das PEI eine Auswertung internationaler Verdachtsfallmeldungen in der Nebenwirkungsdatenbank der European Medicines Agency (EMA) (EudraVigilance) durch. Der Anteil der Meldungen aus Deutschland an allen internationalen Meldungen betrug 34,8 Prozent und an denen aus dem europäischen Wirtschaftsraum 54,6 Prozent.

Berücksichtigt man, dass in Deutschland ein Anteil von 20 Prozent der verabreichten Impfstoffdosen (192,2 Mio.; Stand: 7. April 2022) von allen in der EU verabreichten Impfstoffdosen (940 Mio.) eingesetzt worden ist, wird deutlich, dass ein unverhältnismäßig hoher Anteil der gemeldeten Post-Vac-Verdachtsmeldungen aus Deutschland stammt. Was das jedoch bedeutet, ist unklar.

Nach Einschätzung des PEI kann angesichts der Spontanberichte derzeit kein Signal für anhaltende, mit Müdigkeit einhergehende Beschwerden nach Covid-19-Impfung festgestellt werden.

Varianten-adaptierte mRNA-Impfstoffe zur Auffrischimpfung

Die Stiko empfiehlt präferenziell Varianten-adaptierte bivalente Impfstoffe für die Auffrischimpfung (siehe oben). Bis zum 31.Oktober 2022 sind dem PEI 444 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit Auffrischimpfungen mit diesen Impfstoffen gemeldet worden.

Ca. 90 Prozent der 444 Meldungen des Verdachts einer Nebenwirkung waren nicht schwerwiegend. Von der Zulassung bis zu diesem Zeitpunkt sind 1.907.923 dieser bivalente Impfstoffdosen verabreicht worden. Die Melderate zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen betrug 0,23 pro 1.000 Impfungen und zu Verdachtsfällen von schwerwiegenden Nebenwirkungen 0,03 pro 1.000 Impfungen entsprechend ca. 30 Verdachtsfallmeldungen pro Million Geimpfter. Diese Anzahl ist deutlich niedriger als nach den monovalenten Impfstoffen.

Erwähnt sei hier, dass in den Verdachtsfallmeldungen nach den monovalenten Impfstoffen Komplikationen nach der Verabreichung sowohl der Grundimmunisierung als auch der Auffrischimpfung zusammengefasst sind.

Das mediane Alter der 444 betroffenen Personen, die bivalente Impfstoffe erhalten hatten, betrug 53 Jahre, Frauen (57 Prozent) waren häufiger betroffen. Bei 114 (26 Prozent) Verdachtsfällen waren die berichteten unerwünschten Reaktionen zum Zeitpunkt der Meldung vollständig abgeklungen, bei 71 (16 Prozent) Fällen hatte sich der Allgemeinzustand verbessert; bei 137 (31 Prozent) Fällen war der Gesundheitszustand noch nicht wiederhergestellt und bei 114 (26 Prozent) war der Ausgang unbekannt. Zwei Todesfälle (Herzinfarkt und Lungenembolie), die am Tag nach der Impfung eintraten, betrafen schwer vorerkrankte Personen im Alter von 80 Jahren und älter. Ein ursächlicher Zusammenhang mit der jeweiligen Impfung wurde vom PEI in diesen Fällen ausgeschlossen.

Ein kausaler Zusammenhang zwischen bivalenter Impfung und dem Auftreten von Schlaganfällen bei drei Personen erscheint fraglich. In epidemiologischen Studien in Frankreich und Israel wurde nach der Grundimmunisierung mit Comirnaty kein erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall identifiziert.

Zwei Fälle einer Myokarditis bei Männern am zwölften Tag nach der ersten Covid-19-Impfung und am zehnten Tag nach der fünften Covid-19-Impfung wurden vom PEI als kausal mit der Impfung zusammenhängend bewertet.

Bei drei Meldungen handelt es sich um anaphylaktische Impfreaktionen wenige Minuten nach Impfung bei drei Frauen, die bei sofortiger Therapie nur kurz anhielten.

Bekannte sehr seltene Risiken der mRNA-Impfstoffe einschließlich der bivalenten Impfstoffe sind vor allem Myokarditis und/oder Perikarditis sowie Anaphylaxie. Neue Sicherheitssignale wurden nach Verabreichung der bivalenten mRNA-Impfstoffe nicht beobachtet.

Daten aus den USA

Die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA untersuchten die Sicherheit der Omikron-adaptierten bivalenten mRNA-Auffrischimpfstoffe von Biontech-Pfizer und Moderna im Zeitraum vom 31. August 2022 bis zum 23. Oktober 2022 durch Auswertung der Angaben im freiwilligen Smartphone-gestützten Meldesystem (v-safe) und des passiven Meldesystems für unerwünschte Ereignisse nach Impfungen (VAERS).

In diesem Zeitraum hatten 14,4 Mio. Personen im Alter von 12 Jahren und älter eine bivalente Comirnaty-Impfung und 8,2 Mio. eine bivalente Spikevax-Impfung verabreicht bekommen.

Von den 211.959 Registrierten in v-safe berichteten 61 Prozent über Lokalreaktionen und 55 Prozent über systemische Reaktionen; bei weniger als ein Prozent wurde medizinische Hilfe in Anspruch genommen.

Die Impfreaktionen wurden in der Regel mit steigendem Alter seltener.

In VAERS waren 5.542 Berichte über unerwünschte Ereignisse eingegangen; davon waren 95,5 Prozent nicht schwerwiegend und 4,5 Prozent schwerwiegend.

Unter den schwerwiegenden Ereignissen waren fünf Myokarditis-Fälle bei zwölf bis 78-Jährigen und vier Perikarditis-Fälle bei 46- bis 78-Jährigen.

Entsprechend diesen Ergebnissen kann festgehalten werden, dass die Varianten-adaptierten bivalenten Auffrischimpfstoffe bei Jugendlichen und Erwachsenen im Alter von zwölf Jahren und älter ein vergleichbar gutes Sicherheitsprofil wie die monovalenten mRNA-Auffrischimpfstoffe aufweisen.

Die CDC führten eine identische Sicherheitsevaluation der bivalenten mRNA-Auffrischimpfung bei Fünf- bis 1Elfjährigen unter Nutzung des VAERS- und v-safe-Systems durch.

Im Zeitraum vom 12. Oktober 2022 bis zum 1. Januar 2023 waren 861.251 Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren mit dem Omikron-adaptierten Comirnaty-Impfstoff und 92.108 Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren mit dem Omikron-adaptierten Spikevax-Impfstoff aufgefrischt worden.

Von den 3.259 Registrierten (Comirnaty: 2.647 entsprechend 81 Prozent; Spikevax: 612 entsprechend 19 Prozent) in v-safe berichteten 69 Prozent über Lokalreaktionen und 50 Prozent über systemische Reaktionen, wobei die Ausprägung meist mild war.

In VAERS waren 922 Berichte über unerwünschte Ereignisse eingegangen; davon waren 99,8 Prozent nicht schwerwiegend.

Es traten zwei schwerwiegende Ereignisse auf: Ein Kind entwickelte ein Miller-Fischer-Syndrom (Variante des Guillain-Barré-Syndroms) und ein Kind zeigte eine Urtikaria in Kombination mit einer Arthritis. Beide Fälle befinden sich noch in Abklärung. Myokarditiden oder Todesfälle wurden nicht berichtet.

Auch bei Kindern und Jugendlichen war die Häufigkeit und Schwere der lokalen Impfreaktionen und systemischen Ereignisse mit denen nach Gabe der monovalenten mRNA-Impfstoffe vergleichbar.

Die Datenauswertung des aktiven US-amerikanischen Surveillancesystems für unerwünschte Ereignisse nach Impfungen (Vaccine Safety Datalink; VSD) zeigte, dass das Myokarditis-Risiko bei 5- bis 39-Jährigen im Zeitraum von 0 bis 7 Tagen nicht nur nach der zweiten Impfstoffdosis der Grundimmunisierung, sondern auch nach der ersten mRNA-Auffrischimpfung erhöht ist.

In allen Altersgruppen waren Myokarditiden bei Jungen und Männern häufiger als bei Mädchen und Frauen, wobei Comirnaty bei Kindern und Erwachsenen eingesetzt wurde, während Spikevax ausschließlich bei 18-Jährigen und Älteren verwendet wurde. Die höchsten Myokarditis-/Perikarditis-Inzidenzen nach der Auffrischimpfung wurden bei den 16- bis 17-jährigen (188,0 pro Million Impfstoffdosen) und den zwölf bis 15-jährigen (61,3 pro Million Impfstoffdosen) männlichen Jugendlichen gemessen.

Bei den 18- bis 29-jährigen männlichen Erwachsenen war die Inzidenz auch nach der Auffrischimpfung mit Spikevax (64,0 pro Million Impfstoffdosen) höher als nach der Comirnaty-Auffrischimpfung (41,9 pro Million Dosen).

Die Inzidenz der Myokarditis nach der ersten Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff (1: 50.000 entsprechend 20 Verdachtsfallmeldungen pro Million Impfdosen) war im Allgemeinen höher als nach der ersten Impfstoffdosis (1:200.000 entsprechend fünf Verdachtsfallmeldungen pro 1 Mio. Impfdosen), aber geringer als nach der zweiten Impfstoffdosis (1:30.000 entsprechend 33 Verdachtsfallmeldungen pro Million Impfdosen).

Entsprechend den Ergebnissen zum Auftreten von Myokarditiden empfiehlt die Stiko die Anwendung von Spikevax zur Grundimmunisierung oder Auffrischimpfung nur für 30-Jährige und ältere Personen.

Daten aus Dänemark

In einer bevölkerungsrepräsentativen landesweiten Kohortenstudie in Dänemark wurde die Sicherheit der bivalenten Omikron-adaptierten Booster-Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 10. Dezember 2022 bei Personen im Alter 50 Jahren und älter untersucht.

Dazu wurden die Inzidenzraten nach Adjustierung für Geschlecht, Alter, Region, Risiko für schweren Krankheitsverlauf, Zeit und Komorbiditäten für insgesamt 27 verschiedene Ereignisse im Zeitraum von 28 Tagen nach Impfung mit den Inzidenzraten in einem impffreien Kontrollzeitraum verglichen.

In der stratifizierten Analyse wurden die Inzidenzraten nach Alter, Geschlecht und Impfstofftyp verglichen. 1.740.417 Personen mit einem Durchschnittsalter von 67,8 Jahren, die einen Omikron-adaptierten mRNA-Impfstoff zur Auffrischimpfung als 4. Impfstoffdosis erhalten hatten, wurden in der Studie berücksichtigt.

Die Auswertung ergab, dass keines der betrachteten Ereignisse im Zeitraum von 28 Tagen nach der Impfung häufiger aufgetreten war als in der Kohorte aus dem impffreien Vergleichszeitraum. Wenn der Zeitraum nach Impfung auf 14 Tage verkürzt wurde, zeigte sich ein Myokarditis- oder Perikarditis-Risiko mit einem RR von 1,88, d. h. es war um 88 Prozent erhöht.

In der Post-hoc-Analyse wurde das Risiko für zerebrovaskuläre Infarkte sowie Myo- und Perikarditiden gesondert betrachtet.

Während keine Assoziation zwischen der bivalenten Auffrischimpfung und zerebrovaskulären Infarkten sowie Perikarditiden bestand, waren die Inzidenzraten nach bivalenter Auffrischimpfung für Myokarditiden bei Frauen höher als in der Vergleichsgruppe und das Inzidenzratenverhältnis für Myokarditis (IRR: 2,65). Die Analyse beruhte jedoch ausschließlich auf sechs und weniger Myokarditiden in der bivalent geimpften Gruppe.

Fortsetzung und Schluss in Teil 2 des Artikels [12]

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.


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[4] https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2023/Ausgaben/21_23.pdf?__blob=publicationFile
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[8] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156902/umfrage/sterbefaelle-in-deutschland/
[9] https://www.heise.de/tp/features/Was-wir-Mitte-2023-ueber-die-Sicherheit-und-Wirksamkeit-von-Covid-19-Impfstoffen-wissen-9195949.html?view=fussnoten#f_6
[10] https://www.heise.de/tp/features/Was-wir-Mitte-2023-ueber-die-Sicherheit-und-Wirksamkeit-von-Covid-19-Impfstoffen-wissen-9195949.html?view=fussnoten#f_7
[11] https://www.heise.de/tp/features/Was-wir-Mitte-2023-ueber-die-Sicherheit-und-Wirksamkeit-von-Covid-19-Impfstoffen-wissen-9195949.html?view=fussnoten#f_8
[12] https://www.heise.de/tp/features/Gute-Wirksamkeit-der-Covid-19-Impfstoffe-gegen-schwere-Krankheitsverlaeufe-9195954.html