Washington vs. Moskau: In Syrien droht gefährliche Konfrontation

Seite 2: Die Angst vor dem Vakuum

In Washington herrscht die pervertierte Vorstellung, dass die USA ihre Truppen nicht aus einem anderen Land abziehen sollten, selbst wenn ihre weitere Anwesenheit nicht mehr den Interessen der USA dient. Die Angst, ein "Vakuum" zu hinterlassen, das von Gegnern gefüllt werden könnte, lähmt Washington und zwingt die USA dazu, an Truppen festzuhalten, deren Vorteile bei der Schaffung von Sicherheit vernachlässigbar oder nicht vorhanden sind.

Politische Entscheidungsträger, die sich an diesem falschen Konzept orientieren, verhindern, dass die USA unnötige Einsätze reduziert. Es trägt dazu bei, dass die US-Ressourcen und Truppen an zu vielen Orten notdürftig verteilt sind. Außerdem setzt es die US-Streitkräfte an irrelevanten Orten in Gefahr.

Wie Ben Friedman von Defense Priorities erklärt hat, ist die Angst, ein "Vakuum" zu hinterlassen, unangebracht:

Heutzutage sind die Regionen, an die US-Truppen zur Stabilisierung geschickt werden, in der Regel strategisch unbedeutend oder irrelevant, d. h. kein Territorium mit Wert, so dass ein dritter Staat es kontrollieren wollte. Ein potenzielles Vakuum, das von außen ausgenutzt werden könnte, stellt daher keine Beeinträchtigung für die Sicherheit der USA dar.

Für die Sicherheit der USA spielte es vor fünfzehn Jahren keine Rolle, wer Ostsyrien regierte. Und es spielt auch jetzt keine Rolle. Die USA können es sich leicht leisten, Syrien zu verlassen. Die Kosten eines Verbleibs übersteigen jeden erkennbaren Nutzen.

Wenn die Kosten nun auch noch permanente Konfrontationen mit den von Russland und dem Iran unterstützten Kräften umfassen, sind sie noch höher als zuvor.

Angesichts der intensiven antirussischen Stimmung in Washington werden die Drohnenvorfälle die US-Regierung wahrscheinlich dazu veranlassen, die Mission in Syrien wieder aufzunehmen und möglicherweise sogar zusätzliche Verstärkung zu entsenden.

Die USA sind ohnehin schon dabei, ihre Präsenz im Nahen Osten zu vergrößern und mehr Truppen sowie Flugzeuge in den Persischen Golf zu schicken. All das ist ein Fehler und führt zu einem übermäßigen Engagement der USA in der Region.

Die USA sollten auf keinen Fall zusätzliche Truppen nach Syrien entsenden, sondern nach Möglichkeiten suchen, sie sicher wieder herauszuholen.

In der Zwischenzeit müssen das US-amerikanische und russische Militär zusammenarbeiten, um die in den vergangenen Jahren gut funktionierenden Regeln zur Konfliktvermeidung wiederherzustellen. Auch wenn die Versuchung besteht, Strafmaßnahmen gegen Russland zu ergreifen, sollte dem im Interesse der Deeskalation widerstanden werden. Wenn es auf russischer Seite Hardliner gibt, die die USA zu einer Überreaktion provozieren wollen, wäre es töricht, ihnen zu geben, was sie wollen.

Beide Parteien in den USA tragen eine Mitschuld an der illegalen Militärpräsenz in Syrien. Die Vorsitzenden der Demokraten und Republikaner haben sie fortgesetzt. Die Mitglieder des US-Kongresses von beiden Seiten haben es der Exekutive erlaubt, dort einen völkerrechtswidrigen Krieg zu führen. Im Kongress gab es mehrere Versuche, den Abzug aller US-Streitkräfte auf der Grundlage von Kriegsbefugnissen zu fordern, die jedoch erfolglos blieben.

Der Abgeordnete Jamaal Bowman hat einen neuen Änderungsantrag zum "National Defense Authorization Act" (NDAA, Genehmigungsgesetz zur nationalen Verteidigung) eingebracht, der die Finanzierung einer amerikanischen Militärpräsenz in Syrien nach einem Jahr verbieten würde, wenn keine Genehmigung des Kongresses vorliegt.

Was auch immer mit Bowmans Antrag geschieht: Es steht außer Frage, dass sich die US-Streitkräfte derzeit illegal in Syrien aufhalten, wie schon in den letzten neun Jahren zuvor.

Die Präsenz von US-Truppen in Syrien ist derzeit in Washington meist nur ein Randthema. Aber es ist einer der verbleibenden Schauplätze des "Kriegs gegen den Terror", der noch nicht beendet ist.

Die US-Streitkräfte sind nach wie vor in Kämpfe verwickelt und der Gefahr von Angriffen ausgesetzt, obwohl sie weder eine entsprechende Ermächtigung des Kongresses noch ein internationales Mandat für ihren Einsatz haben. Sowohl aus rechtlichen als auch aus politischen Gründen muss diese Politik aufgegeben werden. Die US-Streitkräfte müssen abgezogen werden.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.