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Washington vs. Moskau: In Syrien droht gefährliche Konfrontation

Daniel Larison

Drei russische Kampfjets haben Anfang Juli im Nordosten Syriens drei Drohnen der US-Luftwaffe abgefangen. Bild: CNN-Screenshot

Die Spannungen im Ukraine-Krieg führen zu verstärkten Konflikten an einer anderen Front. Das zeigen die jüngsten Drohen-Abschüsse über Syrien. Warum die USA ihre Streitkräfte abziehen sollten.

Die Spannungen zwischen den USA und Russland haben letzte Woche weiter zugenommen, als zwei US-Drohnen des Typs MQ-9 Reaper durch Leuchtraketen beschädigt wurden, die von russischen Jets über Syrien abgeschossen wurden.

Daniel Larison ist Redakteur bei Antiwar.com und leitete zuvor die Zeitschrift The American Conservative.

Der erste Vorfall [1] am Sonntag beschädigte den Propeller der Drohne, führte aber nicht zum Absturz, sondern erinnerte an einen ähnlichen Vorfall über dem Schwarzen Meer im März, als die Drohne nach einem Zusammenstoß mit einem russischen Jet abstürzte. Ein weiterer Zwischenfall [2] ereignete sich am Mittwoch über dem Nordwesten Syriens, bei dem einer der Flügel der Drohne beschädigt wurde.

Damit gab es im Juli insgesamt sechs Zwischenfälle [3] zwischen russischen und US-amerikanischen Flugzeugen. Die Zusammenstöße erinnerten an die potenziellen Gefahren, die von den in Syrien in unmittelbarer Nähe zueinander operierenden US-amerikanischen und russischen Streitkräften ausgehen, und werfen die Frage auf, warum die US-Streitkräfte noch immer in einem Land operieren, für das sie kein rechtliches Mandat haben.

Russische und US-amerikanische Streitkräfte operieren seit der russischen Intervention aufseiten der syrischen Regierung im Jahr 2015 gleichzeitig in und über Syrien. Die meiste Zeit haben sie sich an die Regeln zur Konfliktvermeidung gehalten, die Unfälle zwischen ihnen vermeiden sollen.

Die jüngsten Vorfälle sowie andere Zwischenfälle [4] zu Beginn des Jahres deuten darauf hin, dass diese Regeln allmählich ins Wanken geraten, da der Krieg in der Ukraine die Beziehungen zwischen den USA und Russland auch in anderen Bereichen belastet.

Übrigens behauptet auch das russische Militär [5], dass US-Flugzeuge wiederholt gegen die Regeln verstoßen haben. Man macht die USA für die Zwischenfälle verantwortlich. Es ist denkbar, dass es bei Einzelfällen bleibt. Sie können aber auch ein Vorspiel für zunehmende Feindseligkeit und sogar einen direkten Konflikt sein.

Im Mittelpunkt der Medienberichterstattung über diese Vorfälle stand vor allem die Frage, wie die USA darauf reagieren könnten. Das geht jedoch an der wichtigeren Frage vorbei, warum US-Militärflugzeuge auch Jahre nach dem Sieg über den Islamischen Staat (ISIS) noch über Syrien fliegen.

Die offizielle Begründung lautet, dass die USA bei der Bekämpfung der Überreste von ISIS helfen. Das Ziel, die Gruppe "dauerhaft zu besiegen", hat das Militär jedoch in eine Mission mit offenem Ausgang verwickelt, die, wenn überhaupt, nur wenig mit der Sicherheit der USA zu tun hat.

Die Verfolgung dieser Mission hat auch dazu geführt, dass die US-Streitkräfte entweder am Boden von Milizen angegriffen werden, die mit dem Iran in Verbindung stehen, oder in der Luft mit russischen Flugzeugen in einen Nahkampf geraten. Die USA können aus ihren Militäroperationen in Syrien nur wenig Nutzen ziehen, und die Risiken einer Eskalation mit Russland und dem Iran sind ein ernstes Problem.

Der Verbleib der US-Truppen in Syrien ist es nicht wert, diese Risiken weiterhin einzugehen. Es wäre viel sinnvoller, wenn die USA ihre Streitkräfte aus Syrien abziehen würden. Aber wir wissen, dass es in Washington heftigen Widerstand gegen einen Abzug geben wird, sollte eine US-Präsenz direkt infrage gestellt wird.

Es wäre klüger, Syrien jetzt zu verlassen, bevor es zu einem Zwischenfall kommt, der Menschenleben fordert. Denn in diesem Fall wird die Gefahr einer Eskalation zunehmen. Es wird dann sehr viel schwieriger sein, das Land zu verlassen, wenn es dazu kommen sollte.

Glücklicherweise wurden bei den bisherigen Konfrontationen relativ wenige US-Angehörige verletzt oder getötet. Aber es gibt keinen Grund für die USA, ihr Glück weiter zu strapazieren. Von niemandem sollte verlangt werden, dass er sein Leben für eine unklare, nicht autorisierte Mission an einem Ort aufs Spiel setzen muss, an dem für die USA so wenig auf dem Spiel steht.

Die Angst vor dem Vakuum

In Washington herrscht die pervertierte Vorstellung, dass die USA ihre Truppen nicht aus einem anderen Land abziehen sollten, selbst wenn ihre weitere Anwesenheit nicht mehr den Interessen der USA dient. Die Angst, ein "Vakuum" zu hinterlassen, das von Gegnern gefüllt werden könnte, lähmt Washington und zwingt die USA dazu, an Truppen festzuhalten, deren Vorteile bei der Schaffung von Sicherheit vernachlässigbar oder nicht vorhanden sind.

Politische Entscheidungsträger, die sich an diesem falschen Konzept orientieren, verhindern, dass die USA unnötige Einsätze reduziert. Es trägt dazu bei, dass die US-Ressourcen und Truppen an zu vielen Orten notdürftig verteilt sind. Außerdem setzt es die US-Streitkräfte an irrelevanten Orten in Gefahr.

Wie Ben Friedman von Defense Priorities erklärt hat [6], ist die Angst, ein "Vakuum" zu hinterlassen, unangebracht:

Heutzutage sind die Regionen, an die US-Truppen zur Stabilisierung geschickt werden, in der Regel strategisch unbedeutend oder irrelevant, d. h. kein Territorium mit Wert, so dass ein dritter Staat es kontrollieren wollte. Ein potenzielles Vakuum, das von außen ausgenutzt werden könnte, stellt daher keine Beeinträchtigung für die Sicherheit der USA dar.

Für die Sicherheit der USA spielte es vor fünfzehn Jahren keine Rolle, wer Ostsyrien regierte. Und es spielt auch jetzt keine Rolle. Die USA können es sich leicht leisten, Syrien zu verlassen. Die Kosten eines Verbleibs übersteigen jeden erkennbaren Nutzen.

Wenn die Kosten nun auch noch permanente Konfrontationen mit den von Russland und dem Iran unterstützten Kräften umfassen, sind sie noch höher als zuvor.

Angesichts der intensiven antirussischen Stimmung in Washington werden die Drohnenvorfälle die US-Regierung wahrscheinlich dazu veranlassen, die Mission in Syrien wieder aufzunehmen und möglicherweise sogar zusätzliche Verstärkung zu entsenden.

Die USA sind ohnehin schon dabei, ihre Präsenz im Nahen Osten zu vergrößern [7] und mehr Truppen sowie Flugzeuge in den Persischen Golf zu schicken. All das ist ein Fehler und führt zu einem übermäßigen Engagement der USA in der Region.

Die USA sollten auf keinen Fall zusätzliche Truppen nach Syrien entsenden, sondern nach Möglichkeiten suchen, sie sicher wieder herauszuholen.

In der Zwischenzeit müssen das US-amerikanische und russische Militär zusammenarbeiten, um die in den vergangenen Jahren gut funktionierenden Regeln zur Konfliktvermeidung wiederherzustellen. Auch wenn die Versuchung besteht, Strafmaßnahmen gegen Russland zu ergreifen, sollte dem im Interesse der Deeskalation widerstanden werden. Wenn es auf russischer Seite Hardliner gibt, die die USA zu einer Überreaktion provozieren wollen, wäre es töricht, ihnen zu geben, was sie wollen.

Beide Parteien in den USA tragen eine Mitschuld an der illegalen Militärpräsenz in Syrien. Die Vorsitzenden der Demokraten und Republikaner haben sie fortgesetzt. Die Mitglieder des US-Kongresses von beiden Seiten haben es der Exekutive erlaubt, dort einen völkerrechtswidrigen Krieg zu führen. Im Kongress gab es mehrere Versuche, den Abzug aller US-Streitkräfte auf der Grundlage von Kriegsbefugnissen zu fordern, die jedoch erfolglos blieben.

Der Abgeordnete Jamaal Bowman hat einen neuen Änderungsantrag [8] zum "National Defense Authorization Act" (NDAA, Genehmigungsgesetz zur nationalen Verteidigung) eingebracht, der die Finanzierung einer amerikanischen Militärpräsenz in Syrien nach einem Jahr verbieten würde, wenn keine Genehmigung des Kongresses vorliegt.

Was auch immer mit Bowmans Antrag geschieht: Es steht außer Frage, dass sich die US-Streitkräfte derzeit illegal in Syrien aufhalten, wie schon in den letzten neun Jahren zuvor.

Die Präsenz von US-Truppen in Syrien ist derzeit in Washington meist nur ein Randthema. Aber es ist einer der verbleibenden Schauplätze des "Kriegs gegen den Terror", der noch nicht beendet ist.

Die US-Streitkräfte sind nach wie vor in Kämpfe verwickelt und der Gefahr von Angriffen ausgesetzt, obwohl sie weder eine entsprechende Ermächtigung des Kongresses noch ein internationales Mandat für ihren Einsatz haben. Sowohl aus rechtlichen als auch aus politischen Gründen muss diese Politik aufgegeben werden. Die US-Streitkräfte müssen abgezogen werden.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Hier geht es zum englischen Original [9]. Übersetzung: David Goeßmann [10].


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9235198

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.wsj.com/amp/articles/russian-jet-fighter-damages-u-s-drone-over-syria-3be72019?mod=article_inline
[2] https://www.wsj.com/articles/russian-attack-on-u-s-drone-spurs-fears-of-escalation-over-syria-ff3b9f98?mod=world_lead_pos2
[3] https://www.nbclosangeles.com/news/national-international/russian-fighter-jet-damages-another-us-drone-over-syria-for-sixth-time-this-month/3194773/
[4] https://www.wsj.com/articles/u-s-says-russias-military-actions-in-syria-raise-risk-of-escalation-7a858d77?mod=article_inline
[5] https://www.nbclosangeles.com/news/national-international/russian-fighter-jet-damages-another-us-drone-over-syria-for-sixth-time-this-month/3194773/
[6] https://www.defensepriorities.org/explainers/dont-fear-vacuums-its-safe-to-go-home
[7] https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-07-20/us-increases-troop-presence-in-middle-east-amid-iran-tensions
[8] https://amendments-rules.house.gov/amendments/BOWMAN_020_xml230628214459060.pdf?ref=foreverwars.ghost.io
[9] https://responsiblestatecraft.org/2023/07/28/moscow-and-washington-are-shadowboxing-in-the-skies-over-syria/
[10] https://www.telepolis.de/autoren/David-Goessmann-7143590.html