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Wassermangel trifft Wirtschaft: Wie gefährdet ist die Rhein-Schifffahrt?

Bereits 2018 (Foto) und 2022 war der Rheinpegel problematisch niedrig. Bild: Sir James / CC-BY-4.0

Weniger Schmelzwasser aus den Alpen. Rheinpegel sinkt. In Dürre-Sommern ist Binnenschifferei beeinträchtigt. Das hat auch Auswirkungen auf Bahn-Kunden.

Bereits 2018 glich das Kölner Rheinufer einer Steinwüste, in dessen Mitte ein Rinnsal floss, aus dem Sandbänke herausragten. Risse durchzogen das ausgetrocknete Flussbett. Schiffe fuhren mit reduzierter Fracht oder blieben gleich ganz im Hafen. Wegen unterbrochener Transportketten stellten Unternehmen ihre Produktion ein. Weil nur noch geringe Mengen Kraftstoff per Schiff transportiert werden konnten, wurde in Nordrhein-Westfalen der Sprit knapp und teuer. Am Ende der Dürreperiode betrug der wirtschaftliche Schaden rund fünf Milliarden Euro.

2022 sollten dann wegen niedriger Pegelstände wichtige Transporte auf die Schiene verlagert werden [1]. Weil in der Energiekrise Güterzüge mit Kohle und Öl Vorrang hatten, sollten sich Fahrgäste auf Verzögerungen einstellen.

Dass es nicht schlimmer geworden ist, ist dem Schnee- und Gletscherschmelzwasser aus den Alpen zu danken. Wegen des großen Gefälles fließt das Schmelzwasser rasant über Gletscherbäche ab. Gebirgsflüsse führen zwar auch Wasser aus der übrigen Schneeschmelze im späten Winter und Frühjahr sowie Regen und einen Teil Grundwasser.

Sind diese Quellen erschöpft, liefern die Gletscher während längerer Trockenperioden Wasser über Gebirgsbäche und Flüsse. Damit gleichen sie den Wasserpegel der Flüsse aus, was etwa für den Betrieb von Flusskraftwerken oder die Entnahme von Kühlwasser von Vorteil ist.

Der Anteil von Gletscherwasser liegt im Rhein normalerweise bei rund einem Prozent. Doch bei Niedrigwasser steigt der Pegel und lindert die Folgen der Dürren. So betrug dieser Anteil im August 2018 bis zu 15 Prozent, erklärt Jörg Belz, Hydrologe an der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz.

Im Hitzesommer 2003 waren es bei Kaub sogar bis zu 20 Prozent. In Dürreperioden zählt jeder Zentimeter, damit Schiffe Güter transportieren und Industrieanlagen arbeiten [2] können. Ohne das Gletscherwasser wäre der Pegel um rund 30 Zentimeter tiefer gesunken - die Binnenschifferei wäre dann zum Erliegen gekommen. Der Sommer und Herbst 2018 war nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Denn mit dem Klimawandel ist zunehmend mit lang anhaltenden Dürreperioden zu rechnen. Auch der Rhein wird dann immer öfter extremes Niedrigwasser führen [3].

Der Rhein gilt hierzulande als wichtigste Wasserstraße, auf der Rohstoffe wie Getreide, Chemikalien, Mineralien, Kohle und Ölprodukte aber auch Vorprodukte oder Baustoffe transportiert werden. Derzeit laufen 80 Prozent des Schiffsverkehrs über den Rhein. Mehr als 180 Millionen Tonnen Güter werden pro Jahr über den Fluss transportiert. Auf dem Niederrhein sind jährlich 200.000 Schiffe unterwegs, etwa 550 pro Tag.

Bei Niedrigwasser dürfen die Schiffe weniger stark beladen werden, das bedeutet auch höhere Frachtkosten [4].

Das Gletscherwasser könnte in Stauseen gespeichert werden

Die Alpengletscher verlieren seit 1980 jedes Jahr rund vier Billionen Liter Wasser – dieses Volumen würde ausreichen, den Zürichsee mehr als einmal komplett aufzufüllen. Wenn das Eis einmal verschwunden ist, wird es kein Gletscherschmelzwasser mehr geben, das in den Rhein fließen kann, warnen Experten.

Verschwinden die Gletscher, fallen Rhein, Donau und zahlreiche andere Fließgewässer im Sommer ganz oder weitgehend trocken. Die Schifffahrt müsste eingestellt werden – mit spürbaren Folgen für die Wirtschaft.

Würde man die durch die Gletscherschmelze freigelegten Flächen mit gigantischen Staumauern umgeben, sodass der im Frühjahr tauende Schnee und restliches Gletscherwasser nicht sofort abfließen, könnte dieses Wasser für die sommerliche Dürre gespeichert werden, wie italienische und Schweizer Forscher herausfanden.

Nebenbei könnten die Stauseen als Stromspeicher genutzt werden, indem man sie mit Pumpkraftwerken kombiniert. Um das Potenzial von neuen Stauseen zu analysieren, verwendeten die Forscher ein Gletschermodell, das die Entwicklung aller 4.000 Gletscher in den Alpen und ihres Abflusses bis zum Ende dieses Jahrhunderts beschreibt und platzierten virtuelle Staudämme am heutigen Ende jedes Gletschers. Es zeigte sich, dass auf diese Weise rund eine Billion Liter Wasser gepuffert werden können.

Auf diese Weise sei es möglich, rund zwei Drittel des künftig fehlenden Wassers in der warmen Jahreszeit zu ersetzen, schlussfolgern die Autoren. Etwa ein Dutzend Staudämme, die sich über die Alpen verteilen, würden dafür ausreichen.

Zugleich bezweifelten die Wissenschaftler, dass sich ein derart gigantisches Bauprojekt wegen massiver Eingriffe in die Natur durchsetzen ließe. Das könnte sich allerdings ändern, wenn die Schifffahrt auf Europas Flüssen in einigen Jahren komplett zum Erliegen käme [5] und der sommerliche Wassermangel das Wirtschaftswachstum deutlich negativ beeinflusst.

Gletscher könnten ein Viertel ihrer Masse verlieren

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts schmelzen Gletscher weltweit. In den Alpen büßten sie seither ein Drittel ihrer Gesamtfläche ein. Grund dafür ist der stetige Temperaturanstieg, der durch den wachsenden Einfluss des Menschen auf die Umwelt mit Beginn der industriellen Revolution immer weiter beschleunigt wird [6]. Bliebe es bei einer Erwärmung von 1,5 Grad, verlören die Gletscher schätzungsweise 26 Prozent ihrer Masse.

Bei vier Grad wären es etwa 40 Prozent, erklärt David Rounce von der Carnegie-Mellon-University in Pittsburgh [7]. Die genannten Zahlen stehen für die Änderungen in der Masse. Bei der Anzahl der Gletscher zeigt sich der "menschengemachte", systemische Einfluss noch deutlicher: Etwa die Hälfte könnte verschwinden, würde die Temperatur um anderthalb Grad steigen, bei vier Grad wären es mehr als 80 Prozent.

In einer jüngeren Studie berechneten der Gletscherforscher und sein Team anhand von Satellitendaten die Veränderung der Masse für jeden einzelnen Gletscher weltweit. Ein massiver Eisverlust bei den Gebirgsgletschern ließe sich nicht mehr verhindern – dennoch könne man das Ausmaß sehr wohl beeinflussen, ist der Umweltingenieur überzeugt.

Zuallererst werden vor allem die kleinen Gletscher verloren gehen. So sind von den weltweit 215.000 Gletschern die meisten kleiner als ein Quadratkilometer und somit zu klein, um in den zukünftigen Klimazonen zu überleben. In vielen Regionen würde sich dies auf die Wasserversorgung auswirken, denn das Schmelzwasser vieler Gletscher versorgt im Spätsommer und in Dürreperioden Millionen Menschen mit Wasser. Ferner trägt die Gletscherschmelze zum Anstieg des Meeresspiegels bei [8].

Mehr als die Hälfte der deutschen Gletscher ist bereits geschmolzen

In den Alpen gibt es insgesamt rund 5.000 Gletscher, davon vier in Deutschland: der Nördliche Schneeferner auf der Zugspitze, der Höllentalferner im Wettersteingebirge, der Watzmanngletscher sowie der Blaueisgletscher in den Berchtesgadener Alpen. Dem bislang fünften Gletscher – der Südliche Schneeferner – wurde Ende September 2022 nach einem heißen Sommer der Status als Gletscher aberkannt.

Der Temperaturanstieg im Sommer mit rund zwei Grad Celsius ist hier nahezu doppelt so hoch wie der globale Durchschnittswert. So schmilzt der Winterschnee auf der Zugspitze inzwischen innerhalb eines einzigen Sommermonats weg. Vom Nördlichen Schneeferner fließen pro Minute etwa 500 Liter Schmelzwasser ab.

Im vorigen Jahr lagerte sich zudem im März Saharastaub als rötliche Schicht auf Schnee- und Eisflächen. Die durch den Staub verdunkelte Gletscheroberfläche wurde von der Sonne stärker erwärmt als sonst. Weil dunklere Flächen mehr Energie des Sonnenlichts aufnehmen, schmolz das Eis noch schneller als vorher.

2018 haben Forscher der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die bayerischen Gletscher neu vermessen. Allein der nördliche Schneeferner schmilzt alle 30 Sekunden um fast 250 Liter Wasser ab. Die Eisreste des südlichen Schneeferner werden bereits in wenigen Jahren abgeschmolzen sein. Geht das Schmelzen so weiter, könnte der letzte bayerische Gletscher bereits Anfang der 2030er Jahre verschwunden sein.

Bisher gingen die Wissenschaftler davon aus, dass dies erst gegen Mitte des Jahrhunderts der Fall sein wird. Zwischen 2000 und 2011 büßten die Alpengletscher rund einen Meter an Eisdicke pro Jahr ein. Bei einem gleichbleibenden Verlust und unter der Annahme einer mittleren Gletscherdicke von 45 Metern könnte in 20 Jahren beinahe die Hälfte des Eises in den Alpen verschwunden sein, heißt es im zweiten Gletscherbericht des bayerischen Umweltministeriums [9].

Bis 2100 könnten zwei Drittel aller Alpengletscher geschmolzen sein, glauben Forscher der Universität Zürich. Allerdings nur unter der Bedingung, dass das 1,5-Grad-Ziel eingehalten würde. Erwärmt sich das Klima stärker, dann verschwänden neunzig Prozent der Gletscher in den Alpen. Die Wasserversorgung würde bereits vorher empfindlich einbrechen.

Mit den Gletschern geht ein Großteil der Süßwasserreserven verloren. Drei Viertel der Süßwasserreserven bestehen aus Eis und Schnee, nur ein Viertel entsteht durch Grundwasser, Seen, Flüsse und Niederschläge. Schmelzen die Gletscher verstärkt ab, herrscht zunächst ein Überangebot an Wasser. Später trocknen Flussbetten aus und der Grundwasserpegel sinkt.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9201252

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.manager-magazin.de/unternehmen/energie/niedrige-rhein-pegel-vorfahrt-fuer-energietransporte-bei-der-bahn-personenverkehr-muss-warten-a-3232c203-427a-42c3-8f30-afc3e3d3885b
[2] https://www.heise.de/tp/features/Wie-das-Niedrigwasser-im-Rhein-die-Konjunktur-gefaehrdet-9193872.html
[3] https://krautreporter.de/4912-kleiner-gletscher-grosses-problem?utm_campaign=pocket-visitor#lesen
[4] https://www.telepolis.de/features/Wie-das-Niedrigwasser-im-Rhein-die-Konjunktur-gefaehrdet-9193872.html
[5] https://www.wiwo.de/technologie/green/klimawandel-gletscherschmelze-eine-gefahr-fuer-europas-fluesse/13680752.html
[6] https://www.ardalpha.de/wissen/umwelt/klima/klimawandel/gletscherschmelze-weltweit-gletscher-schmelzen-klimawandel-100.html
[7] https://www.deutschlandfunk.de/neue-studie-zum-klimawandel-etwa-die-haelfte-der-gletscher-wird-verschwinden-mindestens-100.html
[8] https://www.deutschlandfunk.de/neue-studie-zum-klimawandel-etwa-die-haelfte-der-gletscher-wird-verschwinden-mindestens-100.html
[9] https://badw.de/fileadmin/user_upload/Files/BADW/Neuigkeiten/2021/04-21/Bayerischer_Gletscherbericht_2021_bf_low-DS_n.pdf