Wasserstoff-Pedelecs: Eine Chance für den deutschen Fahrradmarkt?

Christoph Jehle

Hydrogen Bicycle Y600. Bild: Youon

Statt Batterien nutzt ein Pedelec aus China eine Brennstoffzelle. Der benötigte Wasserstoff wird zu Hause elektrolysiert. Welche Chancen hat das in Deutschland?

Die Zeiten, als aus der Volksrepublik China mehr oder weniger legale Nachbauten westlicher Produkte exportiert wurden, scheint still und heimlich zu Ende gegangen. Erst wurde die Qualität verbessert und inzwischen die Entwicklung neuer Produkte forciert.

Während die technische Entwicklung in China an Fahrt aufnahm, war lange Zeit das Marketing für chinesische Produkte auch ihre größte Schwäche. Genauso wie geistiges Eigentum findet sich die Idee des Marketings nicht in der überkommenen chinesischen Kultur.

In den alten Industriestaaten wurde hingegen das Marketing zum wichtigsten Element. Anders als hierzulande meist vermutet, wird jedoch erst mit der Realisierung aus einer Idee eine Innovation. China ist inzwischen dabei, die gesamte Leistungskette von der Produktidee, über die Entwicklung und Produktion bis zur Vermarktung zu integrieren.

Pedelec mit Wasserstofftank statt Lithium-Ionen-Batterie

Zu Zeiten der Pandemie boomten Pedelecs und E-Bikes. Die Fertigungskapazitäten wurden erweitert und jetzt ist der Markt mit Pedelecs geflutet und der Absatz stockt. Der Abverkauf der Lagerbestände ist derzeit das vorderste Ziel. Gelingt dies nicht schnell genug, bleibt für manchen Hersteller nur die Insolvenz, um wieder auf die Beine zu kommen. Für Neuentwicklungen bleibt da nur wenig Spielraum.

Echte Neuigkeiten sind von den in Deutschland eingeführten Marken zeitnah nicht zu erwarten. Da wundert es nur wenig, wenn eine schwäbische Firmengruppe mit chinesischen Wurzeln die Gelegenheit nutzt und beginnt, eine schon seit mehr als zwei Jahren im chinesischen Markt präsente Entwicklung in Deutschland zu vermarkten.

Die im August 2010 gegründete Firma Youon produziert seit Oktober 2021 in Changzhou Wasserstoff-getriebene Pedelecs, die in China auch in Verleihsystemen verfügbar sind.

Die Youon-Pedelcs setzen statt auf Batterien auf Wasserstoff-Kartuschen. Mit dem Wasserstoff wird in einer kleinen Brennstoffzelle dann elektrischer Strom produziert, welche den Elektromotor antreiben.

Inzwischen wird das Wasserstoff-Pedelc von Wandaa aus Marbach auch auf dem deutschen Markt angeboten.

Home-Elektrolyseur für die Wasserstoffproduktion

Der für das Pedelec benötigte Wasserstoff kann zu Hause in einem etwa PC-großen Elektrolyseur produziert werden. Für die Füllung einer Kartusche benötigt man etwa fünf Stunden. Eine Füllung soll durchschnittlich für eine Strecke von 50 Kilometern ausreichen.

Gefüllt wird der Elektrolyseur jeweils mit 200 Millilitern destilliertem Wasser. Der Elektrolyseur zerlegt da Wasser dann in Sauerstoff und Wasserstoff, der im Metallhydridspeicher der Kartusche gespeichert wird. Pro Kartusche werden etwa 1,3 Kilowattstunden Strom benötigt.

Die etwa zwei Kilogramm schwere Wasserstoff-Kartusche, die an eine Kohlendioxid-Kartusche erinnert, wie sie in Wassersprudlern zum Einsatz kommt, wird am Fahrrad in eine Halterung am Rahmen eingesetzt und mit der Brennstoffzelle verbunden, die den Motor mit Strom versorgt.

Mithilfe einer zusätzlichen Kartusche lässt sich der erreichbare Radius verdoppeln. Der Preis einer Kartusche soll derzeit bei 170 Euro liegen.

Ist der selbst erzeugte Wasserstoff umweltfreundlich?

Die Umweltfreundlichkeit des erzeugten Wasserstoffs hängt vom Erzeugungsmix des eingesetzten elektrischen Stroms ab. Wer seinen Strom mittels PV-Anlage auf dem Dach oder mit einem Balkonkraftwerk erzeugt, ist hier auf der sicheren Seite, weil er weiß, wo sein Strom herkommt.

Ein deutlich größeres Problem für das Youon-Bike dürfte in Deutschland in der im Vergleich zu Fernost deutlich geringeren Technik-Affinität der deutschen Kunden bestehen, die auch beim konventionellen Pedelec viele Jahre Anlauf benötigt und diese Räder über lange Zeit als reine Senioren-Spielzeuge verschrien hatten.

Die chinesischen Kunden sind deutlich Technik-verliebter und gegenüber neuen Entwicklungen viel aufgeschlossener, als das Publikum hierzulande, das an überkommener Technik hängt und nur noch darauf achtet, dass es die gleiche Leistung für weniger Geld erhält.

Das Youon-Bike ist kein Schnäppchen

Mit einem deutschen Endkundenpreis von knapp 4.000 Euro ist das Wasserstoff-Bike aus China keinesfalls ein Billigangebot. Der einschlägige Fachhandel, der derzeit sowohl mit vollen Lagern als auch mit Fachkräftemangel zu kämpfen hat, scheint für neue Entwicklungen keinesfalls aufgeschlossen zu sein.

Ein nicht zu übersehendes Problem des Wasserstoff-Pedelecs scheint in der Tatsache zu liegen, dass es in Deutschland bislang keine Auswahl, sondern nur ein Modell gibt.

Die Angst vor chinesischen Anbietern erscheint nicht zielführend

Wer heutzutage den Fahrradmarkt in Augenschein nimmt, stellt schnell fest, dass immer mehr eingeführte Marken hierzulande weder vollstufig in Deutschland produzieren, noch sich im Besitz deutscher Investoren befinden. Um Deutschland als Herstellungsland ausweisen zu können, genügt es, wenn die Farbe auf einer Lackierstraße in deutschen Landen aufgebracht wird.