Website der Taliban gehackt
Besonnene Reaktion der arabischen Online-Medien
Hacker gegen Osama bin Laden: Die offizielle Website der Taliban, die am Mittwoch noch geschlossen war, wurde am Donnerstag von Gegnern des Regimes übernommen. Ein Hacker mit einer Email-Adresse bei einem Moskauer Provider, der dies schon wiederholt gemacht hatte (Taleban was again Fucked by RyDen, Taliban bauen weiter an der Abschließung des Landes), stellte ein Bild des Terroristen bin Laden auf die Homepage der Taliban-Vertretung in New York mit dem Hinweis, es seien fünf Millionen Dollar auf den Kopf des "Bastards" ausgesetzt. Osama bin Laden, Ibn al Khatab Maskhadow - ein tschetschenischer Guerilla-Führer - sowie alle anderen tschetschenischen Terroristen seien "dumme Affen". Kurz darauf konnte man die Fahndungsseite des FBI sehen, mittlerweile wurde die Seite vorübergehend vom Netz genommen.
Die Wut der US-Amerikaner entlädt sich in allen Newsgroups, die mit arabischen Themen zu tun haben: soc.culture.arabic, talk.politics.mideast und soc.culture.palestine. Viele Surfer machen den Arabern zum Vorwurf, sie würden den Terror begünstigen oder sogar unterstützen. Falls es sich herausstellte, dass palästinensische Terroristen für die Attentate verantwortlich seien, hätte die PLO die letzte Chance und auch ihr Recht verloren, Ansprüche zu stellen. Wüste Beschimpfungen sind an der Tagesordnung. Gemäßigte arabische Stimmen sind im Usenet mehr oder weniger verstummt.
Die Reaktion der arabischen Welt auf den Terror gegen die USA ist bis auf wenige Ausnahmen besonnen. Das Arabic Media Internet Network, das der Sache der Palästinenser nahe steht, publiziert Artikel und Interviews die vor dem Griff zu den Waffen warnen. Presseerklärungen von Jassir Arafat und Dr. Hanan Ashrawi, einem Mitglied des "Palestinian Legislative Council", verdammen die Anschläge. Zwei Palästinensische Journalisten, Huwaida Arraf, der in Jerusalem lebt, und Sam Bahour, der in der Westbank arbeitet, haben einen Artikel veröffentlicht, in dem sie ihr Mitgefühl mit den Opfern und deren Familien ausdrücken. Das Resource Center for Palestinian Residency and Refugee Rights hat sogar die Liste mit "Märtyrern" vom Netz genommen. Auch andere islamische Websites sind kurzzeitig vom Netz gegangen.
Alle offiziellen großen arabischen Zeitungen informieren ihre Leser seriös und detailliert über das Geschehen. Die Gulf News zeigen Fotos des Handelszentrums von Dubai, vor dem die Flaggen auf Halbmast wehen. Auch die Libanesische Zeitung "Al Anwar" bekundet ihr Mitgefühl mit den Amerikanern. Das gilt auch für die englische Ausgabe der Khaleej Times aus den Vereinigten Arabischen Emirate. Qazi Husain Ahmad, der Herausgeber einer der größten islamischen Zeitungen der Welt, der pakistanischen Jamaat-e-Islami verdammt in einer Presseerklärung die Anschläge als einen "Akt des Terrorismus". Auch die größte Website zum Thema Islam, www.islamworld.net, die in den USA beheimatet ist, bekundet, dass die amerikanischen Muslime die Angriffe gegen unschuldige Zivilisten verabscheuten, und erklärt, man solidarisiere sich mit den Amerikanern und fordere die Bestrafung der Täter. Es gebe keinen politischen Grund für derartige amoralischen Akte.
Ausnahmen bilden die Websites, die schon immer den Jihad, den "Heiligen Krieg", unterstützt haben. Azzam Publications in London und das weltweite www.qoqaz.net bieten auf ihren Homepages Anleitungen, wie Sympathisanten des Terrors sich für den Jihad militärisch trainieren können. Die Verantwortlichen empfehlen zukünftigen Terroristen, die Handbücher der US-Army zu studieren, die es auch online im Internet gebe. Azzam Publications gibt keine konkreten Hinweise, in welchen Ländern für den Heiligen Krieg trainiert werden könnte, rät aber, "vertrauenswürdige Individuen" zu kontaktieren und auf Allah zu vertrauen. Qoqaz.net hat sogar ein Video auf der Website, das Osama bin Ladens Aufruf zeigt, den Kampf der Palästinenser mit Bombenanschlägen zu unterstützen.
In einer langen Erklärung zum Thema "Die Taliban und Usama bin Ladin" verbreitetet die Nachrichtenagentur Azzam die Position des Taliban-Führers Mullah Omar, die dieser dem Magazin "The Islamic Emirate" in einem Interview erläutert hatte: Nach dem Gesetz des Islam sei es ausnahmslos verboten, dass ein Muslim einen anderen an Ungläubige ausliefere. Das mache ihn zu einem Apostaten, einem "Abgefallenen". Der Koran kenne hierfür die Todesstrafe, dieses Vergehen wiege schwerer als Mord. Ein Grund, warum man kein Mitleid haben sollte: Die USA seien das einzige Land, das Atombomben eingesetzt habe.
Das passt zu dem anonymen Anrufer, der schon am Tag des Terrorangriffs als Grund für die Anschläge "Hiroshima" genannt hat. Auch wenn sich herausstellte, dass keine konkreten personellen Verbindungen der Attentäter mit Osama bin Laden bestehen sollten, so liefern seine Aufrufe, die schon seit langem jederzeit zugänglich sind, liefern mindestens die ideologische Basis für verblendete Selbstmordattentäter. Experten erwarteten jedoch schon vor Monaten, dass überzogene Reaktionen den Top-Terroristen zu einem "Helden der islamischen Welt" machen könnten. Das Online Center for Afghan Studies in den USA hat schon vor zwei Jahren eine Warnung publiziert, dass "kein Amerikaner sicher" sein könnte, falls Afghanistan attackiert würde. Die Mujahideen würden den USA "eine Lektion erteilen."