Weihnachtsmänner der Nuklearbranche

Gespräche über Physik

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Vor einigen Jahren übersetzte ich einmal für das in Wien ansässige Bruno-Kreisky-Forum eine Sammlung von Essays zum Thema Krieg und Frieden, in der sich auch ein Beitrag von Albert Einstein befand. Irgendein Text aus seiner US-Zeit auf Englisch; aber wie Sie wissen, Übersetzer vergessen sofort alles, was sie da einmal übersetzt haben, oder jedenfalls, sobald das Honorar überwiesen worden ist. Ich glaube aber, mich zu erinnern, dass Einstein versuchte, die Frage "Was ist Krieg und wie kann man ihn abschaffen?" endgültig mit finaler Wirkungsmächtigkeit zu beantworten.

Persönlich glaube ich nicht, dass Einstein seine Relativitätstheorie einfach nur bei seiner Schwester oder Ehefrau abgeschrieben hat, aber die Frauen haben ihn sicher bloß dieses eine Jahr lang gut bekocht, denn danach war es vorbei mit seinem annus mirabilis, seinem wundersamen Jahr kosmischer Gedankenblitze.

Eben noch hatte er die Weltformel der Physik auf eine Serviette geschrieben, aber die Formel, wie man den Krieg einfach abstellt, hat er nachher nimmer gefunden. Dabei wäre sie ja supereinfach gewesen (K/F) quadrat = S - oder anders gesagt, Krieg durch Frieden zum Quadrat und schon ham wa den Salat. (Oder andersrum eben.)

Zufällig stellten sich diese physikalischen Ideen alle bei ihm ein, als draußen in der Realität der Erste Weltkrieg tobte. Die Physiker in aller Herren Ländern wollten mit Einstein seine Theorien diskutieren, aber die Politiker glaubten allesamt nur, Einstein baue in Wirklichkeit nichts weiter als eine deutsche Wunderwaffe, und wollten ihn am liebsten aus der damaligen Kriegsgleichung als lästiges X oder Y eliminieren.

Es gibt darüber ein Buch, das reizvoll zu lesen wäre. Ich besitze es leider bloß als Audiobuch, gelesen von einer transhumanen Computerstimme – die Leute von Audible glaubten wohl, das müsse die Physiker der Welt besonders antörnen –, jedenfalls klingt jeder Aussagesatz wie ein Fragesatz, und man verblödet zusehends beim Zuhören.

Aber Einstein begann jedenfalls keineswegs als der deutsche Friedensfürst, als den man ihn dann aus den 1920er Jahren kannte, der von der Berliner Stadtregierung ein Ruderboot geschenkt bekam, damit er auf dem Wannsee umherpaddeln konnte.

Auch in den USA sieht man ihn auf Fotos strumpflos in Lederschuhen und mit damals unzeitgemäßer Langhaarmähne eher verwirrt in seinem Arbeitszimmer stehen. Ob dieser Weihnachtsmann auf Urlaub noch irgendetwas zu den drängenden Fragen der Physik beizutragen hatte, hätte wohl niemand zu sagen gewusst. Er war einfach nur ein Feigenblatt fürs US-Atombombenprogramm.

Genauer genommen ist der posthume Einstein heute ein Maskottchen des gesamten US-Atom-Gebarens, ähnlich wie es Santa Claus für die Coca Cola-Werbung im Winter ist, wenn es eigentlich keinen Anlass gibt, einen brennenden Durst mit kalter Limonade zu löschen. Der weißhaarige Weise mit dem Zeitreiseprogramm reussierte bereits an der Seite von Michael J. Fox in drei Folgen (siehe Poster) und im Film "I.Q." - nun wieder als Einstein selber, in Gestalt des Schauspielers Walter Matthau mit weißer Perücke, und dazu drei weiteren Genies – Gödel, Escher und Bach –, bzw. (sorry) drei ähnlich hochtrabenden Geistesheroen, die allerdings dem Filmkritiker der New York Times nicht sofort namentlich gegenwärtig waren.

Einzig Meg Ryans Orgasmusfähigkeiten verdienten mehrfache Erwähnung. Aber: So what? Wurde doch dieser Film "I.Q." als "Comedy/Romance" am Weihnachtstag 1994 in die Kinos gebracht und sollte die jugendlichen Nerds der USA nicht nur intellektuell sondern auch sexuell stimulieren.

Das eigentliche Programm des Films bestand also aus zwei Punkten. Erstens sollten die jungen Physiker der USA dazu angehalten werden, weibliche Physikerinnen nicht bloß zu verlachen. Meg Ryan spielte hier nicht allein eine schnuckelige Physikerin sondern sogar Albert Einsteins Nichte!

Männliche Physiker sollten sich zudem bemühen, weibliche Physikerinnen zu ehelichen. Das mochte eine sich modern oder gar wissenschaftlich gerierende Neuauflage der altbekannten US- Eugenik sein, oder schlichtweg eine auf die Physik übertragene Einsicht aus der Hundezucht, jedenfalls schob der Film noch einen zweiten Punkt nach.

Die US-Atomindustrie benötigte Scientisten, die eine neue Atomwissenschaft aus der Taufe heben könnten, und dazu musste sogar noch ein fiktiver Präsident Eisenhower auftreten, der seine Warnung vor dem Verbund aus Militär und Wissenschaft zurücknahm und im Gegenteil sein Hohelied darauf sang. Man sieht, ein harmloser Sci-Fi-Film mit Nerd-Appeal, zu Weihnachten präsentiert als romantische Komödie, in Wirklichkeit ein bösartiger, kriegstreiberischer Streifen, ein Stück Geschichtsklitterei mit nazioiden Anklängen. Und nicht ohne Folgen.

Pünktlich zu Weihnachten, jetzt, ein Vierteljahrhundert später, vermeldet das Wissenschaftsorgan Science in der Schlussphase der Trump'schen Präsidentschaft:

US-amerikanische Fusionswissenschaftler, die dafür berüchtigt sind, sich darüber zu streiten, welche Projekte mit dem begrenzten Budget ihres Fachgebiets finanziert werden sollen, haben sich zu einem kühnen Ziel zusammengeschlossen. Ein 10-Jahres-Plan, der letzte Woche dem föderalen Beratungsausschuss für Fusionsenergiewissenschaften vorgelegt wurde, ist der erste, seit die Gemeinde 2014 versucht hat, einen solchen Fahrplan zu formulieren, und ist spektakulär gescheitert. Das Energieministerium (DOE), der Hauptsponsor der US-amerikanischen Fusionsforschung, soll sich darauf vorbereiten, in den 2040er Jahren einen Prototyp eines Kraftwerks zu bauen, das kohlenstofffreien Strom erzeugt, indem es den Kernprozess nutzt, der die Sonne antreibt. Der Bericht repräsentiert den Konsens aus einem zweijährigen Versuch, einen gemeinschaftsweiten Konsens zu erzielen, was US-amerikanische Fusionsforscher zuvor noch nicht getan hatten. Es erfordert auch eine subtile, aber entscheidende Verlagerung von der Grundlagenforschung zur Fusionsforschung hin zu angewandter Forschung, was DOE-Beamte in der Vergangenheit entmutigt haben, jetzt aber offener für Überlegungen zu sein scheinen.

Soweit das Science Abstract in der Google-Übersetzung. Wieviel Geld die altgewordenen Santa-Helferlein wohl für diese Forschungen bekommen werden? Die Seti-Forscher erhielten immerhin vom Pentagon über 60 Jahre lang Millionen zur UFO-Erforschung. Es ist also nicht alles bloß reine Science-Fiction.