Welche Leitplanken braucht die staatliche NGO-Förderung?
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- Welche Leitplanken braucht die staatliche NGO-Förderung?
- Antwortet die Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der CDU?
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In der Debatte um die staatliche Förderung von NGOs verteidigen Wissenschaftler deren politische Arbeit, während Kritiker mehr Neutralität fordern. Aber was meinen sie damit?
Die Debatte rund um die Kleine Anfrage der Union zur Finanzierung von NGOs (siehe Bericht Telepolis) hat sich rasch weiterentwickelt. Ein Blick in die Fachdebatte und Medienreaktionen hilft, die Dimension des Themas abzuschätzen.
Das Selbstverständnis vieler Nichtregierungsorganisationen (NGOs), politischen Einfluss auch außerhalb ihres Kernthemas ausüben zu sollen, zeigt ihre Forderung nach einer stärkeren "Plattformregulierung". Begründet wird dies wie so oft mit der Allzweckformulierung "Sorge um die Demokratie", wie Telepolis berichtet.
Dass dies das gute Recht aller NGO sei, meint auch eine auf über 2.000 Unterzeichner angewachsene Schar von Wissenschaftlern in einem offenen Brief an die Union, der im Verfassungsblog veröffentlicht wurde.
Offener Brief unterstützt politisch aktive NGOs
Die parlamentarische Anfrage der Union wird zunächst "mit großer Besorgnis" zur Kenntnis genommen. Man will sich keineswegs gegen die Wissbegier des Parlaments wenden, wohl aber gegen den "konfrontativen Unterton" und die herausgelesenen Unterstellungen.
Es verbittet sich, Nichtregierungsorganisationen, wie die Kleine Anfrage durch die Bezugnahme auf einen tendenziösen Beitrag in der Zeitung "Die Welt" suggeriert, als "Schattenstruktur" oder gar als Ausdruck eines "tiefen Staates" zu diffamieren. Vielmehr bilden NGOs in transparenter Weise eine tragende Säule demokratischer Willensbildung und friedlicher Konfliktaustragung.
Prof. Matthias Quent u.a.
Obwohl die meisten Unterzeichner nicht explizit aus der Rechtswissenschaft kommen, erläutert der Brief ausführlich die Rechtsauffassung: Staatlich geförderte NGOs unterliegen verfassungsrechtlich demnach nicht dem Neutralitätsgebot.
Die Neutralitätspflicht des Staates bezieht sich auf das Handeln der Exekutive, nicht aber auf die Meinungsäußerungen und die politische Arbeit unabhängiger zivilgesellschaftlicher Akteure. Eine Übertragung dieser Pflicht auf Nichtregierungsorganisationen ist daher ein "etatistisches Missverständnis".
Prof. Matthias Quent u.a.
Zivilgesellschaftliche Organisationen dürften im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts zwar nicht parteiähnlich sein, aber politisch neutral müssten sie nicht sein – "dies würde ihre gesellschaftliche, historische und demokratische Funktion ad absurdum führen".
Die Gegenposition
Anders sieht das der Rechtsreferendar Simon Diethelm Meyer in seinem Beitrag auf Legal Tribune Online (LTO).
Verfolgt eine Organisation neben ihren satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecken auch andere Aktivitäten, so verliert sie ihre Gemeinnützigkeit. Denn die gemeinnützige Zweckverfolgung muss nach § 51 Abs. 1 Satz 1 AO ausschließlich und unmittelbar sein.
Simon Diethelm Meyer
Der Staat müsse sich unbestreitbar parteipolitisch neutral verhalten. Folgerichtig dürfe er auch keine Organisationen durch Steuerbegünstigungen fördern, die sich ihrerseits nicht parteipolitisch neutral verhalten.
Deshalb könne durchaus schon der Aufruf zu einer Demonstration die Gemeinnützigkeit gefährden, wenn diese nicht unter die Satzungszwecke falle.
Überschreitet eine Organisation ihren Satzungszweck, indem sie zu allgemeinpolitischen oder parteipolitisch einseitigen Demonstrationen aufruft, so entzieht sie ihrer Gemeinnützigkeit selbst die Grundlage. [...] Einmalige oder geringfügige Verstöße führen allerdings nicht zum Verlust der Gemeinnützigkeit, da deren Entzug verhältnismäßig sein muss (BFH, Urteil vom 12.03.2020 – V R 5/17).
Simon Diethelm Meyer (Link nicht im Original)
Da die Kleine Anfrage der Union wenigstens in Teilen genau auf solche möglichen satzungswidrigen Aktivitäten staatlich geförderter NGO zielt, bleibt für die weitere Klärung wohl erst einmal die Antwort der Bundesregierung abzuwarten.