Weltbevölkerungsfond der UN mahnt die reichen Länder
Mangelnde Zahlungsmoral der jetzt in den "Krieg gegen den internationalen Terrorismus" bereitwillig investierenden Länder verschlechtert die Bekämpfung des Zusammenhangs von Bevölkerungswachstum und der Umweltzerstörung
Im eben veröffentlichten State of World Population Report 2001, herausgegeben vom United Nations Population Fund (UNFPA), werden die reichen Länder bezichtigt, ihre auf der Kairo-Konferenz über Entwicklung und Umwelt (ICPD) im Jahr 1994 zugesagten Gelder für die Entwicklungsländer auf alarmierende Weise zu unterschreiten. Dafür haben allein die USA in den ersten vier Wochen des Kriegs gegen Afghanistan an die eine Milliarde Dollar ausgegeben.
Die Menschen, so der Bericht warnend, verändern die Erde in einem zerstörerischen Ausmaß. Mehr Menschen verbrauchen mehr Ressourcen in höheren Mengen und hinterlassen so größere Spuren als jemals zuvor auf dem Planeten. Seit 1960 hat sich die Weltbevölkerung auf jetzt 6,1 Milliarden Menschen verdoppelt. In einer mittleren Schätzung wird es bis 2050 9,3 Milliarden Menschen geben. Trotz aller Versprechen der Globalisierungsbefürworter haben sich die Lebensbedingungen für viele Menschen nicht entscheidend zum Besseren verändert. Die Ausgaben für den Verbrauch haben sich weltweit zwar seit 1970 verdoppelt, wovon in aller Regel nur die reichen Ländern profitieren. Die Hälfte der Menschheit muss hingegen noch immer mit 2 US-Dollar täglich auskommen.
"Die großen Fragen des 21. Jahrhunderts sind, ob die Lebensweise des 20. Jahrhunderts uns auf einen Kollisionskurs mit der Umwelt gebracht haben und was wir dagegen tun können, wenn dies der Fall ist."
Weltbevölkerung und Umwelt- und Ressourcenverbrauch sind miteinander ebenso verknüpft wie Armut und eine untergeordnete Rolle der Frauen mit Bevölkerungswachstum. In den 49 ärmsten Ländern wird sich die Bevölkerung weiterhin am schnellsten vermehren und sich bis 2050 auf 1,86 Milliarden Menschen verdreifachen. Um eine Weltbevölkerung von 8 Milliarden angemessen ernähren zu können, müsste die Lebensmittelmittelproduktion sich verdoppeln, während gleichzeitig Anbauflächen verloren gehen. Doch ein Drittel der Menschen in den Entwicklungsländern hat jetzt schon keinen Zugang zu sauberem Wasser, 25 Prozent haben keine angemessene Unterkunft, 800 Millionen sind unterernährt. Dafür sind die reichsten Länder der Erde mit einem Anteil an der Weltbevölkerung von 20 Prozent für 86 Prozent des privaten Verbrauchs verantwortlich, die ärmsten 20 Prozent gerade einmal für 1,3 Prozent: "Ein Kind, das heute in einem industrialisierten Land geboren wird, wird im Laufe seines Lebens mehr verbrauchen und mehr Umweltverschmutzung verursachen als 30-50 Kinder, die in Entwicklungsländern geboren werden."
Die Hälfte der Menschen leben bereits in Städten. Jeden Tag sollen an die 160.000 von ländlichen Gebieten in die Städten ziehen, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Doch die Städte erhöhen den Ressourcenverbrauch und sind besonders in den Entwicklungsländern Ursachen für umweltbedingte Krankheiten, da die notwendige Infrastruktur fehlt. Wichtig sei, so de UNFPA, vor allem in den armen Ländern die Unterstützung der Frauen, um ihnen mehr Selbständigkeit zu geben. Die Frauen würden zwar in weiten Teilen der Welt für die grundlegende Ernährung sorgen, hätten aber keine Kontrolle, können kein Land besitzen und vererben oder Darlehen aufnehmen. Auch der Umzug in die Städte verbessert die Situation der Frauen oft nicht. Um die gesellschaftlichen Bedingungen zu verbessern und das Bevölkerungswachstum zu senken, sei es dringend erforderlich, die Stellung der Frauen juristisch und sozial zu verbessern und für Gleichheit zu sorgen.
Die "Geberländer" geben nicht ausreichend
Auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo im Jahr 1994 habe man die Zusammenhänge zwischen einer Reduzierung des Bevölkerungswachstum, einer Verringerung der Armut, wirtschaftlichen Fortschritt und Schutz der Umwelt erkannt. Die Wahrung der Rechte der Frauen wurde als wesentlicher Schlüssel zur Erreichung einer umwelterhaltenden Entwicklung gesehen. Verabschiedet wurde ein Aktionsprogramm mit Richtlinien für die Bevölkerungspolitik. Bis zum Jahre 2015 sollte so ein umfassendes Angebot an Familienplanungsmethoden, Aufklärung zum Schutz vor HIV/AIDS und eine angemessene Gesundheitsversorgung für Schwangerschaft und Geburt für alle vorhanden sein. Zur Finanzierung der bevölkerungspolitischen Maßnahmen im engeren Sinne, also der Familienplanung, der medizinischen Betreuung bei Schwangerschaft und Geburt und der Bekämpfung von AIDS, verpflichteten sich die Geberländer, ein Drittel der jährlich auf 17 Milliarden Dollar geplanten Kosten beizutragen.
Die reichen Länder haben diese Zusagen aber bislang nicht erfüllt und nicht einmal die Hälfte der erforderlichen Gelder gezahlt, während die armen Ländern ihren Beitrag geleistet hätten. Die fehlenden Gelder aber hätten schon Konsequenzen, beispielsweise in sinkender Fruchtbarkeit und sich vermehrenden Aids-Kranken. Und die Kosten würden schnell anwachsen. "Wir sprechen hier von Peanuts", sagt Alex Marshall, der Herausgeber des Berichts, "von 20 Milliarden Dollar jährlich. Man versuche einmal, damit einen Krieg zu führen. Das ist kurzsichtig."
Kriegskosten
Anstatt in Entwicklungsprogramme zu investieren, die möglicherweise auch Ursachen für den Terrorismus oder zumindest für die Unterstützung des Terrorismus verändern könnten, ziehen es die zumeist reichen Koalitionspartner im Krieg gegen den internationalen Terrorismus vor, eines der ärmsten Länder der Welt noch weiter als zuvor in Schutt und Asche zu legen und so den Flüchtlingsstrom noch weiter zu verstärken. Gerade auch in den muslimischen Ländern könnte die Stärkung der Rechte der Frauen zur islamstischen Entschärfung führen.
Welche Umweltschäden als Luftverschmutzung, Giften oder Abfall ein solcher Bombenangriff bewirkt, ist nicht bekannt. Dafür aber hat das Center for Strategic and Budgetary Assessments schon einmal mit Rückgriff auf den Golfkrieg die militärischen Kosten von "Enduring Freedom" für die USA geschätzt. Sie lägen von 7.-31. Oktober zwischen 400 bis 800 Millionen Dollar. Schwierig sei die Schätzung dieses Mal, weil die Regierung wesentlicher weniger Informationen als im Golf- oder Kosovokrieg herausgegeben habe. Wenn der Krieg entsprechend weitergeführt werde, müsse man mit monatlichen Kosten zwischen 500 Millionen und einer Milliarde rechnen. Für die deutschen Soldaten wurden für dieses Jahr 50 Millionen Mark, fürs nächste Jahr weitere 500 Millionen von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt.
Und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, um beim Geld zu bleiben, sieht sich im Rennen gegen die Zeit gegenwärtig eher auf der Verliererseite. Man geht davon aus, dass weitere Flüchtlingsströme kommen werden, zumal bei fortgesetzter Bombardierung den Menschen in Afghanistan kaum geholfen werden kann. Die Grenzen der Nachbarländer bleiben für die Flüchtlinge geschlossen. Die Mitarbeiter werden in Pakistan, das bereits von früher 2 Millionen Flüchtlinge beherbergt, an der Arbeit wegen angeblicher Sicherheitsprobleme gehindert, neue Camps dürfen nur in trockenen, weit entlegenen und unsicheren Stammesgebieten an der afghanischen Grenze eingerichtet werden.
UNHCR hat für die dringendste Hilfe die Geberländer um 50 Millionen Dollar gebeten, um 400.000 Menschen helfen zu können. Von den bislang gespendeten 29 Millionen Dollar seien aber nur 23 Millionen bei der Organisation eingetroffen ....