Weltklima im Wandel - was erwartet uns in der Zukunft?
Drastischer Eis-Schwund: erschreckende Erkenntnisse aus der Antarktis
Unendliche Weiten aus Eis und Schnee erwarten uns in der Antarktis, die offiziell erst 1820 von Gottlieb Fabian von Bellingshausen während einer von Zar Alexander I. beauftragten Expedition in die Südpolregion entdeckt wurde. Tobende Schneestürme und eiskalte Temperaturen von bis zu -70°C hielten Forscher und Entdecker nicht ab, sich näher mit dieser Gegend zu beschäftigen.
Unser technischer Fortschritt ermöglicht es 186 Jahre später, wesentlich genauere und detailreichere Informationen über die Antarktis mittels eines kleinen Umwegs über den „Weltraum“ zu ermitteln. Dazu wurde 2002 das Projekt "Gravity Recovery and Climate Experiment" (GRACE) gestartet: zwei baugleiche Satelliten, die die Erde in rund 500 Kilometern Höhe und mit einem Abstand von 220 Kilometern zueinander umkreisen.
Dieses Satellitengemeinschaftsprojekt der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ermöglicht die erste Schwerkraftuntersuchung der Antarktis; auf Basis dieser Daten wird ein neues Modell des Erdgravitationsfeldes mit bisher unerreichter Genauigkeit erstellt. Es soll unter anderem Aufschluss darüber geben, ob die Eiskappen an den Polen schmelzen, die Meeresspiegel ansteigen, Überflutungen drohen, weshalb warme Meeresströmungen wie der Golfstrom so weit in nördliche Gebiete der Erdkugel reichen und welchen Einfluss die Gravitation darauf hat.
Antarktis verliert jährlich 150 Kubikkilometer Eis
Auf Basis dieser Daten führten Isabella Velicogna und John Wahr, beide von der University of Colorado, eine Studie durch, die aufzeigte, dass der antarktische Eispanzer seit 2002 kleiner geworden ist. Er hat in den vergangenen Jahren so deutlich abgenommen, dass in der Antarktis jährlich bis zu 150 Kubikkilometer Eis abschmolzen. Dieses Abschmelzen trägt pro Jahr 0,2 bis 0,6 Millimeter zum Anstieg des Meeresspiegels bei.
Der antarktische Eisschild erstreckt sich über 14 Millionen Quadratkilometer. Er enthält 90 Prozent des gesamten Eises der Erde und 70 Prozent des weltweiten Süßwasserbestands. Der größte Teil des Masseverlustes betraf den Eispanzer der westlichen Antarktis. Dies sei die erste Studie, "die darauf hinweist, dass sich die Massebalance des antarktischen Eisschildes deutlich verringert", erklärte Projektleiterin Isabella Velicogna im Wissenschaftsmagazin Science. Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum von April 2002 bis August 2005.
Die beiden GRACE-Satelliten fliegen in einer sehr polnahen Umlaufbahn (89° Inklination) in etwa 500 km Höhe und in einem Abstand von etwa 220 km. Sie sind so ausgelegt, dass das Schwerefeld der Erde in nie da gewesener Auflösung gemessen werden kann; und zwar dadurch, dass die Position der beiden Satelliten durch GPS-Beobachtungen und die Veränderung des Abstandes zwischen den beiden Satelliten mit einem K-Band-Entfernungsmessgerät mit extrem hoher Genauigkeit bestimmt werden. Bei Veränderungen der Erdanziehung, wie etwa durch geschmolzenes Eis, verändert sich der Abstand zwischen dem ersten Satelliten, der das Gebiet überfliegt, und seinem Verfolger, dabei wird dann die Abstandsveränderung der beiden Satelliten im Mikronbereich gemessen. Nach momentanen Vorhersagen sollen die GRACE-Satelliten noch etwa zehn weitere Jahre Informationen für weitere Analysen geben. Die wissenschaftliche Datenauswertung erfolgt durch die University of Texas (UTCSR) und das Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ).
Polarstern-Expedition bestätigt beschleunigten Rückzug des westantarktischen Eisschildes
Der vierte Fahrtabschnitt der 23. Polarstern-Expedition stand ganz im Zeichen der Erkundung und Vermessung des Kontinentalschelfs der Westantarktis. Insbesondere im Bereich der Pine-Island-Bay sollte geklärt werden, warum gerade dort Gletscher verstärkt abfließen.
Erstmals gelang der Zugang zu Bereichen in dieser Bucht, die bis vor wenigen Jahrzehnten noch von Schelfeis bedeckt war und auch heute nur schwer zugänglich ist. Vermessungen des Meeresbodens im inneren Schelfbereich zeigen erstaunlicherweise pures Gestein. Die fehlenden Sedimentablagerungen deuten auf den Abtransport durch Meeresströmung. Erhöhte Temperaturen und Salzgehalte im Tiefenwasser vor der Bucht, sowie vulkanische Aktivitäten, könnten dazu beitragen, dass die Gletscher schneller abfließen und damit den Rückzug des westantarktischen Eisschildes beschleunigen.
Ein komplettes Abschmelzen des westantarktischen Eisschildes würde einen Anstieg des Meeresspiegels um fünf Meter zur Folge haben, mit verheerenden Auswirkungen auf unserer Erde. Um die Möglichkeit zu prüfen, ob vulkanische Aktivitäten die Temperatur unter dem Eisschild soweit erhöhen, das Gletscher schneller abfließen, wurden während der Expedition Vulkankegel auf dem westantarktischen Festland per Helikoptereinsatz erkundet. Die gesammelten Gesteinsproben werden nun in den Laboren analysiert. Sie sollen Antworten auf die Fragen liefern, bis wann diese Vulkane aktiv waren und ob sie zum Abschmelzen des Eises beitrugen.
Quellen
Studie "Measurements of Time-Variable Gravity Show Mass Loss in Antarctica" von Isabella Velicogna und John Wahr erschienen auf der Website des Fachjournals "Science"
ACIA (Arctic Climate Impact Assessment) Scientific Report
Stiftung Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)
The West Antarctic Ice Sheet Initiative (WAIS)