Weltmacht gegen Klima: Wie die USA mit Energiesicherheit Geopolitik machen

Seite 3: Die Carter-Doktrin und Daudi-Arabien

Damit wurde Saudi-Arabien zu einer De-facto-Kolonie der USA, ohne eine Kolonie im klassischen Sinne zu sein. Im Gegenzug gaben die USA der saudischen Herrscherfamilie eine Schutzgarantie. Dazu diente auch die erwähnte Carter-Doktrin vom Januar 1980.

Aber gerade, weil die USA aus hegemonialpolitischen Erwägungen dafür sorgten, dass billiges Öl über ein halbes Jahrhundert zum Wachstumsmotor der westlichen Welt werden konnte, wurde das System der Ölüberproduktion und des Öldumpings zum bestimmenden Faktor der hoch energieintensiven und fossil basierten Industrialisierungsmodelle in allen kapitalistischen Staaten, einschließlich der USA selbst.

Dieses Modell hat zwar in den USA und den anderen westlichen kapitalistischen Staaten teilweise sogar zweistellige Wachstumsraten und einen unglaublich schnellen Wohlstand ermöglicht und damit auch die Entwicklung der Demokratie positiv beflügelt.

Der Grundstein für die Autoindustrie als Symbol dieses Wohlstandsmodells und des American Way of Life in den USA, in Europa und Japan wurde bekanntlich vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, also in der Ära des Öldumpings gelegt und damit ein Industrialisierungsmuster geschaffen, das dem Individualverkehrssystem, dem Autobahnbau und generell der energieintensiven Konsumindustrie, also einem Wohlstandsmodell auf fossiler Basis, den Weg geebnet hat.

Durch das unsägliche System der niedrigen Ölpreise haben die westlichen Industriestaaten sicherlich viele Milliarden US-Dollar gespart, die sie den Ölstaaten des Globalen Südens vorenthalten und damit ihr Wohlstandsmodell mitfinanziert haben. Der Schaden, der der gesamten Menschheit durch die Klimakrise entsteht, dürfte jedoch um ein Vielfaches höher liegen.

Es besteht also kein Zweifel: Die USA tragen die Hauptverantwortung für die seit fast einem Jahrhundert kumulierten Treibhausgase.

Die Vereinigten Staaten hatten und haben ein besonderes Interesse an der Aufrechterhaltung ihrer fossilen Hegemonie. So hat die neokonservative US-Regierung unter Bush versucht, die nachweislich klimaschädliche Kohleindustrie und die Fracking-Industrie durch Subventionen massiv auszubauen, während gleichzeitig der Ausbau regenerativer Energietechnologien gestoppt und damit eine längst überfällige Energiewende und klimafreundliche Strategie verhindert wurde.

Auch Joe Biden hält bis heute an dieser klimaschädlichen fossilen Strategie fest, indem er entgegen seinem Wahlversprechen das Ziel verfolgt, in der Arktis zu bohren und dort in den nächsten 30 Jahren 600 Millionen Barrel Öl aus dem Boden zu holen. Damit konnte und kann sichergestellt werden, dass das fossil orientierte Wirtschaftssystem und die darauf basierenden Hegemonialinteressen der USA unangetastet bleiben.

Denn in einem auf regenerativen Energien basierenden Energieversorgungssystem würden die USA alle fossilen Hebel aus der Hand geben, mit denen sie ihre Hegemonie gegenüber der Welt und vor allem gegenüber ihren eigenen westlichen Verbündeten durchsetzen können.

In einem auf regenerativen Energien basierenden Wirtschaftssystem wären alle Staaten energieautark, Energiesicherheit und die USA als deren vermeintliche Schutzmacht hätten keine Bedeutung mehr.

Zusammenfassend kann auf Basis der obigen Analyse festgestellt werden, dass ohne das System der Öldumpingpreise über einen langen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten die Industrialisierung im letzten Jahrhundert sicherlich einen anderen Verlauf genommen hätte: Statt des Individualverkehrs wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit weltweit der öffentliche Verkehr bevorzugt worden.

Generell wären auch energiesparende Technologien flächendeckend zum Einsatz gekommen, die eine sukzessive Anreicherung von Treibhausgasen und damit im Klartext die heutige Klimakrise verhindert hätten.

Das System der Öldumpingpreise war kein Naturgesetz, sondern Ergebnis der US-Hegemonie: Indem sich die USA als Schutzmacht der Energiesicherheit, d.h. Öl zu Dumpingpreisen und in beliebiger Menge, aufspielten, konnten sie ihre Hegemonie gegenüber den westlichen Verbündeten und Nutznießern des Öldumpingsystems durchsetzen und darüber hinaus die Entstehung des heutigen klimaschädlichen Wohlstandsmodells ermöglichen.

Allein durch Freihandel und Marktgesetze geregelte Energiepreise schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hätten mindestens ein halbes Jahrhundert früher zum massenhaften Einsatz regenerativer Energietechnologien geführt.