"Weltweites Propagandanetzwerk von der CIA aufgebaut"
Die Anschläge vom 11. September 2001 und ihre Aufklärung. Eine Spurensuche in Zusammenarbeit mit Ansgar Schneider
Am 11. September 2001 fanden etwa 3.000 Menschen bei Terroranschlägen im Osten der USA den Tod, was den immerwährenden Krieg gegen den Terror begründete. Eine sachgerechte und rechtsstaatliche Untersuchung der Anschläge wird von den amerikanischen Behörden jedoch seit 20 Jahren verweigert und von den Leitmedien nicht eingefordert. Eine Spurensuche, wie es dazu kommen konnte.
Dies ist ein Auszug aus dem Buch "Generation 9/11 - Die verhinderte Aufklärung des 11. Septembers im Zeitalter der Desinformation" von Ansgar Schneider und Klaus-Dieter Kolenda mit freundlicher Genehmigung des Fifty-Fifty-Verlages, Frankfurt/Main.
Klaus-Dieter Kolenda: Wenn ich meine aktive Erinnerung an die letzten sieben Jahrzehnte Revue passieren lasse, dann sehe ich, dass sich auch nach dem Ende des zweiten Weltkrieges die ununterbrochene Reihe von Kriegen und Gewalttaten früherer Zeiten weltweit fortgesetzt hat, obwohl 1945 die UNO als Weltfriedensorganisation gegründet und die Charta der Vereinigten Nationen mit einem zwischenstaatlichen Gewaltverbot verabschiedet worden ist. Rainer Mausfeld spricht allein von 20 bis 30 Millionen Todesopfern durch die US-amerikanischen Kriege nach 1945.1
Dass die Mehrzahl unserer Mitbürger davon unbeeindruckt bleibt, erklärt Mausfeld damit, dass wir einer umfassenden, wirksamen Manipulation durch unsere Medien ausgesetzt sind. Dabei werden die Fakten über diese Verbrechen und Gewalttaten in den Leitmedien durch Fragmentierungen und De- und Rekontextualisierungen aus ihrem Zusammenhang gerissen beziehungsweise in einen neuen Zusammenhang gestellt, so dass sie für die meisten Medien-Konsumenten nicht erkennbar und damit quasi "unsichtbar" sind.2
Die Frage, die sich mir stellt, ist, inwieweit man dieser beispiellosen medialen Verzerrung und Einseitigkeit auf den Grund gehen kann. Gibt es Anhaltspunkte, die anzeigen, wie staatliche Versuche, sich aktiv in den politischen Diskurs einzumischen, eine messbare Auswirkung entfalten konnten? […]
Ansgar Schneider: Seit Mitte der siebziger Jahre ist bekannt, dass die CIA seit den fünfziger und sechziger Jahren mit exorbitanten finanziellen Mitteln verdeckte Operationen durchgeführt oder unterstützt und Propaganda in der ganzen Welt finanziert oder selbst initiiert hat. Vereinzelt drangen solche Sachen an die Öffentlichkeit und der politische Druck wurde so groß, dass der US-Senat eine Untersuchungskommission - geleitet durch den US-Senator Frank Church - einsetzte, die dann 1976 ihren Abschlussbericht dazu vorlegte.
Die Intensität des politischen Drucks kann man an der Selbsteinschätzung des ehemaligen amerikanischen Verteidigungsministers Clark Clifford zur allgemeinen Wahrnehmung der verdeckten Operationen der CIA erkennen. Er wurde von der Kommission angehört und äußerte sich mit den Worten:
"Das Wissen bezüglich solcher Operationen wurde derart verbreitet, dass unser Land in praktisch jedem anderen Land der Welt für jede interne Schwierigkeit beschuldigt wird."3
Der Church-Bericht brachte dann etwas Licht in diese dunkle Ecke der amerikanischen Geschichte. Es ist ein Schulbuch für illegale Geheimdienstaktivitäten, das zeigt, dass das Bild, das Clifford gezeichnet hat, in vielen Fällen wohlbegründet ist: Ermordungen, Staatsstreiche, Kauf von Wahlen, Wirtschaftskriege, Menschenversuche - alles, was sich der Geheimdienstler so ausdenken mag. […]
Der Bericht zeichnet die historischen Anfänge der CIA und deren verdeckte Operationen nach. Diese waren in den fünfziger Jahren so geläufig geworden, dass sie eines juristischen Rahmens bedurften. Im September 1954 erhielt Präsident Eisenhower einen als streng geheim eingestuften CIA-Bericht, der die weitere Notwendigkeit verdeckter Operationen anmahnt:
"[E]in weiteres wichtiges Erfordernis ist eine aggressive verdeckte psychologische, politische und paramilitärische Organisation, die effektiver und einzigartiger [sic] und, falls nötig, rücksichtsloser als die des Feindes ist. […] Es ist jetzt klar, daß wir einem erbarmungslosen Feind gegenüberstehen, dessen erklärtes Ziel die Weltherrschaft ist. Es gibt keine Regeln in diesem Spiel."4
Die Sprache dieses Dokumentes offenbart den fanatischen Blickwinkel des Kalten Krieges und der McCarthy-Ära, in der der Kommunismus - das ist der Feind, vom dem hier die Rede ist - als das Böse schlechthin dämonisiert wurde. Ein Feindbild wird beschworen, das es zu bekämpfen gilt, und zwar mit allen Mitteln.
Ob die Verfasser dieses Dokumentes das selbst geglaubt haben […] oder nur aus machtpolitischen Gründen diese Weltsicht propagiert haben, kann ich nicht beurteilen. Gewiss ist nur, dass dieses Dokument Anstoß für eine Reihe von Direktiven gab, die vom Nationalen Sicherheitsrat verabschiedet wurden und die vorsahen, die bestehenden offen ausgetragenen politischen Aktivitäten der US-Regierung durch verdeckte Operationen zu ergänzen.
Die CIA wurde sodann autorisiert, "Probleme für den internationalen Kommunismus zu erzeugen und auszunutzen", ihn "schlecht zu machen", "die Stärke seiner Parteien und Organisationen zu schwächen" und "kommunistische Kontrolle in der Welt einzudämmen".5
Wichtig zu benennen sind nun die Methoden, die zur Erreichung dieses Vorhabens vorgesehen waren. Im Besonderen sollten verdeckte Operationen jegliche Aktivitäten wie
"Propaganda, politische Aktionen, Wirtschaftskrieg, […], Sabotage, […], Zerstörung, […], Unterwanderung feindlicher Staaten inklusive Unterstützung von Widerstandsbewegungen im Untergrund […], Täuschungsmanöver"6
in Betracht ziehen. Propaganda, hier an erster Stelle genannt, war also von Anfang an wesentlicher Teil der verdeckten Operationen der Dienste. Für zentral halte ich dabei die Einbindung von Akademikern in die öffentliche Debatte, die sich an das Bildungsbürgertum und die intellektuellen Eliten richtet. Das funktioniert so, dass Journalisten ein Thema mit einer propagandistischen Stoßrichtung vorgeben …
Klaus-Dieter Kolenda: … zum Beispiel "Verschwörungstheorien" …
Ansgar Schneider: … und dann tritt ein Gelehrter auf, der diese propagandistische Debatte mit akademischem Dünkel absegnet. So wird der Eindruck erzeugt, daß es sich um ein relevantes Thema handele, das auf höchstem intellektuellem Niveau diskutiert werde, schließlich weiß der Herr Professor ja so kluge Dinge dazu zu sagen.
Tatsächlich stellt die Church-Kommission fest, dass die langjährigen heimlichen Aktivitäten der CIA im akademischen Umfeld ausgesprochen vielfältige Ausprägungen bekommen haben:
"Die CIA unterhält seit langem heimliche Beziehungen mit der amerikanischen akademischen Gemeinschaft. Diese reichen […] bis hin zu akademischer Forschung und Publikationen, bei denen die Finanzierung durch die CIA verdeckt ist."7
"Universitätsbeamte und Professoren geben Hinweise und Denkanstöße und stellen Kontakte für geheimdienstliche Zwecke her; Geisteswissenschaftler und Journalisten sammeln geheimdienstliche Informationen; Journalisten entwerfen und platzieren Propaganda; US-amerikanische Veröffentlichungen geben Tarnung für CIA-Agenten in Übersee."8
Der Bericht stellt sodann fest, dass zu der Zeit an über 100 Universitäten und Bildungseinrichtungen "einige hundert amerikanischer Akademiker" für die CIA tätig waren, die unter anderem "Bücher schr[ie]ben und andere Materialien für Propagandazwecke im Ausland bereitstellen." Darüber hinaus gab es zahlreiche für die CIA tätige Akademiker im Ausland und einige Dutzende von Akademikern, die unwissentlich von der CIA für Propagandazwecke benutzt wurden.9
Klaus-Dieter Kolenda: "Einige hundert Akademiker"! Das ist ein ganzes Bataillon von propagandistischen Fußsoldaten. Bei dieser Zahl muss man sich fragen, wer von den Akademikern, die sich zu politisch relevanten Themen äußerten, eigentlich nicht für die CIA tätig war!? Wenn wir einige hundert Akademiker identifizieren sollen, die mit ihren Schriften aktiv Propaganda für die CIA verbreiten, auf wen soll man da kommen, wenn nicht auf solche Charaktere […], die sich mit massiv manipulativen Beiträgen exponieren?
Ansgar Schneider: Der Church-Bericht nennt leider keine Namen, aber naheliegender Weise gibt es einen Personenkreis, von dem man annehmen kann, dass deren geistige Ergüsse ein CIA-Produkt sind oder deren Verbreitung von der CIA unterstützt wurde, möglicherweise auch bei Unwissenheit der Person.
Das Verbreiten von propagandistischen Büchern hat dabei einen besonderen Stellenwert. Der Chef der verdeckten Operationen bei der CIA bezeichnete Bücher in diesem Zusammenhang als "wichtigste Waffe strategischer (langfristiger) Propaganda".10
Deswegen produzierte und finanzierte die CIA allein bis 1967 über eintausend Bücher, etwa ein Viertel davon in englischer Sprache, von denen einige durch direkten Austausch zwischen dem Autor und der CIA entstanden.11 Es ging dabei darum, propagandistisch verwertbare Bücher zu veröffentlichen, ohne dass der Einfluss der US-amerikanischen Regierung sichtbar wurde. Durch verdeckte Subventionierung wurden (auch ausländische) Autoren oder Verlagshäuser gefördert, mit denen das propagandistische Wechselspiel von Akademikern und Journalisten besonders gut inszenierbar ist.
Die New York Times nannte dann im Jahr 1977 das Kind beim Namen und titelte "Weltweites Propagandanetzwerk von der CIA aufgebaut". Der Artikel gibt die Aussage eines CIA-Beamten über die Einbindung von Journalisten wieder:
"'Wir' 'hatten' zu jeder Zeit mindestens eine Zeitung in jeder ausländischen Hauptstadt', sagte ein CIA-Mann, und diejenigen, die der CIA nicht sowieso gehörten oder finanziell massiv unterstützt wurden, wurden von bezahlten Agenten oder Stabsoffizieren infiltriert, die Geschichten gedruckt bekamen, die nützlich für die CIA waren, und solche, die aus Sicht der CIA nachteilig waren, vom Druck zurückhalten konnten."12
Aufgabe solcher CIA-Journalisten war, nachrichtendienstlich interessante Informationen auf einem diplomatischen Empfang, dem Bundespresseball oder einer Sicherheitskonferenz zur Bewertung der politischen Situation zu sammeln, und dann "subtil zusammengebraute Stücke von Falschinformationen" und "'schwarze' Propaganda" - das ist Falschinformation, die den Anschein hat, authentische Information aus feindlichen Quellen zu sein - ganz beiläufig bei einem Abendessen an führende ausländische Journalisten zu vermitteln, wie der Pulitzerpreisträger Carl Bernstein in seinem diesbezüglichen Artikel "The CIA and the Media" malerisch bemerkte.13
Klaus-Dieter Kolenda: Wenn man zur Kenntnis nimmt, dass diese Sachverhalte schon vor vierzig Jahren in der Presse behandelt wurden und sich als Kontrast dazu die gegenwärtige neu entbrannte Debatte über "Fake News" vor Augen führt, dann kann man letztere selbst als ein Stück Propaganda vermuten, das von der Existenz einer jahrzehntelangen Propagandaschwemme ablenkt. […]
Ansgar Schneider: […] Die Methode der Wahl, die dazu notwendigen Geldflüsse zu verdecken, war, diese über philanthropische Organisationen - der Church-Bericht nennt insbesondere die zu der Zeit drei größten Stiftungen Ford, Rockefeller und Carnegie - abzuwickeln. Das hatte einen Grund: Eine CIA-interne Studie kam zu dem Schluss, dass solche Wohltätigkeitsstiftungen die beste Methode sind, um Zahlungsströme zu vertuschen und um das Gewissen der unwissenden Empfänger zu beruhigen, wenn diese einen Wert darauf legten, demokratisch, transparent und von ehrenhaften Personen finanziert zu erscheinen. Feindselig gesinnten Kritikern sollte so der Wind aus den Segeln genommen werden.14
Von der Einmischung der CIA in das Stiftungswesen sagt die Church-Kommission, dass man sie einzig und allein als "massiv" bezeichnen könne. Um diese Einschätzung zu begründen, ein Beispiel: Mitte der sechziger Jahre war etwa die Hälfte aller Stipendien, die von philanthropischen Stiftungen - hier sogar ohne die großen drei - im Bereich "internationale Aktivitäten" vergeben wurden, durch die CIA kofinanziert.15
Klaus-Dieter Kolenda: Der Church-Bericht beleuchtet ja nur die fünfziger, sechziger und frühen siebziger Jahre. Die offensichtliche Frage, die sich auftut, ist: Was hat sich seitdem verändert? In welche Richtung hat es sich verändert? Sind die verdeckten Operationen und die Propagandaaktivitäten mehr oder weniger geworden?
Ansgar Schneider: (schmunzelt) Die Antwort auf diese Frage ist streng geheim, deswegen darf ich sie leider nicht beantworten.
Klaus-Dieter Kolenda: Naja, das war eine rhetorische Frage. Man verkauft die Dinge heute vielleicht etwas professioneller, mit besserer Propaganda, oder die Bevölkerung resigniert und scheint sich gar nicht weiter daran zu stören, so wie wir das zurzeit mit der geheimdienstlichen Massenüberwachung der Telekommunikation beobachten.
Jedenfalls ist kaum plausibel anzunehmen, dass verdeckte Geheimdienstaktivitäten eingestellt werden, nur weil sie einmal öffentlich diskutiert wurden.
Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., war nach dem Studium der Medizin und einer internistischen Weiterbildung bis 2006 als Chefarzt einer Rehabilitationsklinik tätig. In vielen wissenschaftlichen Fachartikeln und Büchern hat er sich seit Mitte der 1980er-Jahre mit der Prävention chronischer Krankheiten befasst. In den letzten Jahren hat er Artikel über medizinische, sozialmedizinische und friedenspolitische Themen in Fachzeitschriften und alternativen Medien veröffentlicht. Er ist Mitglied der IPPNW.
Ansgar Schneider, Dr. rer. nat., studierte Physik und schloss sein Studium mit einer Diplomarbeit über Quantenfeldtheorie ab. Anschließend promovierte er in Mathematik über C*-dynamische Systeme. Es folgten Beschäftigungen und Forschungsaufenthalte an verschieden Universitäten und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland.
Anmerkung zu den Fußnoten: Die mit den eckigen Klammern bezeichneten Quellenverweise sind im Quellenverzeichnis des Buches aufgeführt.