Wenn Giraffen zu Löwenfutter werden – Die harte Realität im Zoo
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Zoos stehen vor einem ethischen Dilemma: Überzählige Tiere müssen getötet werden. Die Verfütterung an Raubtiere ist gängige Praxis. Doch kann das einen Sturm der Entrüstung auslösen.
Immer wieder stehen Zoos vor der Herausforderung, dass der Platz für ihre Tiere knapp wird und auch kein anderer Zoo die überzähligen Jungtiere übernehmen will. Wenn man überfüllte Gehege und für die Zucht schädlichen Inzest vermeiden will, bleibt nur die Möglichkeit, die Giraffenbabys töten.
Das geschieht übrigens auch in der freien Natur. Dort steht der Waldschutz in unmittelbarer Konkurrenz zum Wildbestand. Rehe, Rot- und Damhirsche fressen gern Keimlinge, Knospen, Blätter und Triebe von jungen Bäumen, sodass diese oft klein bleiben oder schief wachsen.
So wurden in Deutschland innerhalb nur eines Jahres rund dreißig Prozent aller jungen Laubbäume frisch verbissen. Wer den Wald retten will, muss die überzähligen Tiere jagen.
Wie das Wild, das im Wald gejagt und dann von Wildliebhabern mit Freude verzehrt wird, werden auch die überzähligen Tiere im Zoo zur Fütterung von Raubtieren eingesetzt. Für den menschlichen Verzehr sind die klassischen Zootiere nicht zugelassen.
Zoodirektor mit Mord bedroht
Der Kopenhagener Zoodirektor bekam 2014 Morddrohungen, weil der Zoo ein 18 Monate altes Giraffe-Junge per Kopfschuss öffentlich hat töten und an Löwen verfüttern lassen.
Das Giraffen-Junge war vom Zoo als für die Zucht für untauglich befunden worden. Was in jedem Schlachthaus in Europa Tagesgeschäft bei der Fleischproduktion ist, stieß im Falle des getöteten Giraffenbullen auf exorbitanten Widerstand.
Und als dann der mit einem Bolzenschuss getötete Jungbulle Marius im Zoo öffentlich zerlegt und an Raubtiere verfüttert wurde, sorgte für allgemeines Entsetzen. Auf seiner Internetseite hatte der Zoo damals ausführlich dargelegt, dass es zu der Tötung keine Alternative gebe.
Der Tierpark in Kopenhagen gehört zur Europäischen Zoo- und Aquarienvereinigung (EAZA), für die ein strenges Zuchtprogramm für Giraffen gilt. So dürfen sich nur solche Giraffen paaren, die nicht miteinander verwandt sind. Damit soll die genetische Vielfalt der Population erhalten bleiben.
Marius hatte in keinem der etwa 300 EAZA-Zoos Aufnahme gefunden, weil die dortigen Giraffen ähnliches Genmaterial aufwiesen. Eine Kastration scheint bei Wildtieren auch keine adäquate Lösung zu sein. Eine Auswilderung in die Natur in Europa hielt man für zu riskant und Afrika sei die Auswilderung europäischer Zuchttiere unerwünscht.
"Hätten die Löwen die Giraffe nicht bekommen, wäre es ein Pferd gewesen, das wir vom Schlachthof erhalten hätten″, wurde der Kopenhagener Zoodirektor damals zitiert. Vorgeworfen wurde dem Zoo, der kurz darauf auch noch vier Löwen töten ließ, dass er mit dem Giraffenbullen ein Tier töten ließ, das einen Namen hatte.
Tötung von Zootieren ist bis heute noch oft ein Ärgernis
Das Töten von gesunden Nutztieren zur Fleischversorgung der Menschen zählt auch in der Industriegesellschaft zum täglichen Leben. Es gibt sogar Schlupflöcher, die es ermöglichen, Tiere nur deshalb zu töten, weil sie keinen wirtschaftlichen Wert haben.
So werden männliche Küken inzwischen außerhalb Deutschlands getötet. Damit entgeht das Töten männlicher Küken dem deutschen Verbot.
Im Falle von Zootieren gibt es jedoch bei der rechtlich zulässigen Schlachtung zum anschließenden Verzehr durch Raubtiere immer wieder Probleme mit Tierfreunden, die nicht verstehen wollen, dass gesunde Zootiere ebenso geschlachtet werden dürfen wie Nutztiere zur Produktion von Schnitzeln.
Nicht nur der Zoo von Kopenhagen erntete massiven Widerspruch, sondern auch der Leipziger Zoo sah sich 2023 massiver Kritik ausgesetzt, als ein geschlachteter Zebra-Hengst vor Publikum an Löwen verfüttert wurde.
Im Zoo in Karlsruhe wird Fleisch aus dem eigenen Bestand immer wieder an Raubtiere verfüttert. So hat man seinen Eisbären schon Wisentfleisch aus eigener Zucht verfüttert.
Auch dank tierärztlicher Betreuung haben viele Tiere im Vergleich zu wild lebenden Artgenossen heute eine deutlich höhere Lebenserwartung. Daher besteht inzwischen die Gefahr, dass die Bestände überaltern und genetisch verkümmern. Daher sehen sich die Zoos gezwungen, einzugreifen und Tiere aus einer Gruppe zu nehmen, auch indem sie einzelne töten.
Mit der Problematik des Eingriffs in die Zuchtpopulation befasst sich ein aktueller wissenschaftlicher Diskussionsbeitrag in der Fachzeitschrift ″Proceedings of the National Academy of Sciences″ (PNAS) mit dem Titel ″Zoos must embrace animal death for education and conservation″.
″Um ihren gesellschaftlichen Auftrag zum Erhalt von Reservepopulationen in menschlicher Obhut auch in Zukunft umsetzen zu können, müssen zoologische Einrichtungen auch immer wieder Tiere töten″, stellen die Autoren des am 30. Dezember 2024 erschienenen Beitrags fest.
Verfüttern von Zootieren ist nachhaltiger
Für das Verfüttern von Zootieren spricht auch, dass Zootiere bis zur Tötung ein gutes Leben hatten. Das kann beim Zukauf von Tierkörpern nicht immer garantiert werden. Daher gibt es in Zoos Programme wie ″Breed and Feed″, mit welchen bis zu 30 Prozent des zur Fütterung benötigten Fleisches aus dem eigenen Bestand bezieht.
Als das Thema der Verfütterung überzähliger Zootiere kürzlich in der Schweiz die Gemüter erhitzte, plädierten Forscher der Universität Zürich dafür, dass Zoos die Reproduktion ihrer Tiere nicht mehr mit Verhütungsmaßnahmen kontrollieren sollten, denn ohne Reproduktion würde den Tieren im Zoo einer ihrer wichtigsten evolutionären Antriebe genommen.
Stattdessen solle eine geplante und fachgerechte Tötung überzähliger Zootiere stattfinden.