Wenn Klimakampf und Klassenkampf zusammenfinden

Gemeinsame Kundgebung von ver.di und Fridays for Future in München. Foto: ver.di Bezirk München & Region / Quelle: Twitter

Der Klima- und ÖPNV-Streik vom Freitag kann Pilotfunktion haben. Das zeigen auch die Drohungen der Kapitalseite und mancher Medien. Die Kooperation von Gewerkschaften und Aktivisten beunruhigt sie.

Es gab in den letzten Monaten viele Aktionen unter dem Titel "Klimastreik". Doch der Klimastreik vom 3. März hatte eine besondere Bedeutung und wurde der Bezeichnung auch besonders gerecht. Denn am Freitag gingen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die sich im Tarifkampf befinden und schon mehrere Warnstreiks veranstaltet haben, mit der Klimabewegung zusammen auf die Straße. Es ist nicht die erste gemeinsame Aktion.

Schon 2020 unterstützten Klimaaktivisten den Tarifkampf der Beschäftigten im Öffentlichen Nahverkehr, der allerdings pandemiebedingt weniger Auswirkungen hatte. Auch der Tarifkampf der Berliner Krankenhausbewegung wurde von den Klima-Aktivsten unterstützt.

Nun war das Bündnis gemeinsam auf der Straße. Positiv äußerte sich die bekannte Bürgerrechtlerin Carola Rackete zu der Kooperation, die sich für Geflüchtete und auch für die Klimabewegung einsetzt. Sie sieht hier eine Verbreiterung hin zu einem viel zitierten sozial-ökologischen Reformbündnis:

In Wolfsburg ist zum Beispiel eine Kooperation zwischen Klimagruppen und der Belegschaft von VW geplant, wo es um die Transformation der Automobilindustrie geht. Oder wenn sich Gruppen wie Fridays for Future mit Beschäftigten des ÖPNV zusammen organisieren und streiken. Das passiert ja gerade. Oder in Regionen, wo man sagt: Hier werden Hunderte von Menschen arbeitslos – was kann da hergestellt werden, was wir für eine sozialökologische Transformation brauchen?


Carola Rackete im Gespräch mit der taz

Tatsächlich ist es beachtlich, dass Klimaaktivisten gemeinsam mit Teilen der VW-Belegschaft ein neues VW-Werk verhinderten. Selbst in diesem Prototyp der deutschen Autostadt ist Widerstand gegen den Ewigkeitsanspruch des Geschäftsmodells Pkw möglich. Es wird nicht so schnell gehen, wie es Johanna Schellhagen in ihren Film "Der laute Frühling in einer animierten Szene darstellt, in der Klimaaktivisten gemeinsam mit Beschäftigten das VW-Werk in Wolfsburg besetzen und dort die Grundlage für eine Produktion ohne Autos beginnen.

Für eine Politisierung der Klimabewegung

Trotzdem ist die Kooperation in der VW-Stadt beachtlich. Sie zeigt eben auch, dass der gemeinsame Streiktag am 3. März weder eine Kopfgeburt von Funktionären ist, noch eine Eintagsfliege bleiben muss. Denn tatsächlich muss sich ein solches Bündnis zwischen Klima- und Gewerkschaftsaktivisten im Alltag bewähren. Schon 2021 haben Klimaaktivisten in München gemeinsam mit Bosch-Beschäftigten für eine umweltfreundliche Produktion gekämpft, als das Werk geschlossen werden sollte. Mit solchen Aktionen kommt der Klassenkampf in die Klimabewegung, was dort auch nicht bei allen, auf Zustimmung stößt.

Ein bekannter Klimaaktivist stellte mal die Frage, er wisse nicht, warum die Gewerkschaften oder die Arbeiterbewegung mehr zur Lösung der Klimakrise beitragen könnten, als Beispiel Beatles-Fans. Ein funktionierendes Bündnis zwischen diesen beiden Bewegungen könnten die Frage beantworten. Vehement gegen ein solches Bündnis sind auch Verzichtsapologeten wie der Volkswirt und Wachstumskritiker Nico Paech, dem ein Bündnis mit einem bestimmten Flügel der Unternehmer näher liegt als die Unterstützung von Tarifkämpfen.

"Aktion Dichtmachen" als Vorbild

Natürlich darf das Verhältnis zwischen Klima- und Gewerkschaftsbewegung nicht der Logik der Gewerkschaftsbürokratie untergeordnet werden. Ihr ist klar, dass ein Tarifkampf in Zeiten hoher Inflation besonders schwierig ist. Um Reallohnverluste zu verhindern, muss es eine Lohnerhöhung von mehr als zwölf Prozent geben.

Dabei braucht es gesellschaftliche Unterstützung und daher ist die Kooperation mit der Klimabewegung auch bei ver.di ein Teil dieses Konzepts. Schon während des Einzelhandelsstreiks 2008 zeigte sich, wie eine Kooperation zwischen Tarifkämpfen und zivilgesellschaftlichen Gruppen aussehen kann. Die als kritische Kunden auftretenden Unterstützer sorgten bei der "Aktion Dichtmachen" mit Blockaden von bestreikten Reichelt-Filialen dafür, dass dort keine Streikbrecher den Arbeitskampf ins Leere laufen lassen konnten. Die streikenden Kolleginnen und Kollegen standen lächelnd daneben.

Sie können nicht dafür juristisch belangt werden, wenn Kunden ihre Solidarität zeigen. Eine solche Arbeitsteilung könnte sich im jüngsten Tarifkampf wiederholen. Zudem war es für sie auch ein Akt der Selbstermächtigung, auch gegen die Gewerkschaftsbürokratie, wie der Film "Ende der Vertretung" zeigt.

Warnung vor ver.di und "Klimaklebern"

Deshalb laufen auch schon die Kapitalvertreter Sturm gegen dieses Bündnis. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Arbeitgeberverbandes, Steffen Kampeter spricht von einer "gefährlichen Grenzverletzung" und stellte schon die Rechtmäßigkeit dieser Kooperation infrage: "Streiks sind zulässig, um Tarifverträge zu erreichen, die Arbeitsbedingungen regeln", erklärte er. Demonstrationen könnten auf ganz unterschiedliche Ziele gerichtet sein. "Wer aber Arbeitskämpfe und allgemeinpolitische Ziele miteinander vermischt, gerät schnell auf ein Spielfeld jenseits unserer Tarifautonomie."

Politische oder auch nur quasi politische Streiks seien in Deutschland schlicht rechtswidrig, so Kampeter. Hier wird schon mal mit dem repressiven Staatsapparat gedroht. Der Deutschlandfunk sekundierte und warnte vor einem Bündnis von ver.di mit "Klimaklebern" – Schon dieser Begriff ist natürlich ideologisch, schließlich beteiligt sich nur ein Teil der Klimabewegung an den Klebeaktionen, die seit Monaten besonders im Visier von Autofans aller Parteien stehen.

Der wirtschaftsnahe Jurist Stefan Greiner erklärte denn auch, die jüngste Kooperation zwischen ver.di und der Klimabewegung sei gerade noch zu vertreten. Doch er warnte davor, dass Klimaaktivisten durch Blockaden auch in die Arbeitskämpfe eingreifen könnten. Damit werde die Waffengleichheit verletzt, so Greiner – und das könnte rechtswidrig sein.

Streikbruch und Aussperrung sind für Greiner natürlich keine Verletzung dieser angeblichen Waffengleichheit, die Ideologie ist. Hier werden von der Kapitalseite schon mal die Instrumente gezeigt, weil man eben fürchtet, dass es wie 2008 zu einer Kooperation zwischen Streikenden und der Zivilgesellschaft kommt. Das zeigt allerdings auch, dass eine solche Kooperation der Kapitalseite tatsächlich wehtun würde. Die Drohung ist auch klar eine Warnung an die Gewerkschaften, bloß nicht von ihrer Standortlogik abzuweichen.

Dabei gäbe es hierzulande ausreichend Gründe, wieder mehr Klassenkampf zu wagen. Wenn von der Kapitalseite schon gefordert wird, einen Feiertag zur Finanzierung der Bundeswehr abzuschaffen und dann von einem Bundeswehrvertreter natürlich nicht der deutsche Nationalfeiertag, der 3. Oktober, sondern der Internationale Kampftag der Arbeiterbewegung, der 1. Mai, für entbehrlich erklärt wird, dann zeigt dies, dass der Klassenkampf real von oben geführt wird.

Sie reden auch deshalb so offen, weil sie der Meinung sind, nur sie führten noch diesen Klassenkampf. Der eher lauwarme "heiße Herbst" in Zeiten der Hyperinflation könnte sie in dieser Meinung bestärkt haben. Wenn sie sich da mal nicht getäuscht haben? In Halle diskutiert das Bündnis "Genug ist genug" auf einer Konferenz darüber, wie die aktuellen Tarifkämpfe zur Fortsetzung der Krisenproteste gemacht werden können. Der Klimastreik am 3. März hat da schon mal gezeigt, wie es praktisch gehen kann.