Wenn die Gesellschaften schrumpfen und MĂ€dchen oder Jungen fehlen
Die Annahme, dass die Bevölkerung in Fernost unkontrolliert wachse, ist ein Trugbild. In manchen LÀndern schrumpft sie sogar deutlich. Das GeschlechterverhÀltnis der jungen Generation ist dadurch verzerrt
Die in Teilen Ostasiens und SĂŒdostasiens rĂŒcklĂ€ufige demografische Entwicklung fĂŒhrt zu unterschiedlichen Reaktionen der Politik. Im Inselstaat Japan versucht man, die fehlenden ArbeitskrĂ€fte durch Automatisierung zu ersetzen oder verlagert die Fertigung nach Vietnam, auf die Philippinen oder nach Thailand - und von dort weiter nach Laos.
So hat inzwischen praktisch die gesamte Fotobranche das Land verlassen. Die Ăberlegungen, zur Pflege der alternden Gesellschaft Immigranten anzuwerben, ist schnell wieder verworfen worden und man beschĂ€ftigt in diesem Bereich jetzt verstĂ€rkt androide Roboter.
WĂ€hrend in Deutschland und auch in anderen europĂ€ischen Staaten verstĂ€rkt Anreize gesetzt wurden, um das Geburtenniveau anzuheben, bemĂŒhte sich die Volksrepublik China mit der im Jahre 1979 eingefĂŒhrten "Ein-Kind-Politik" darum, das Bevölkerungswachstum einzudĂ€mmen -- aus westlicher Sicht [1] ein massiver Eingriff in die PrivatsphĂ€re und das Selbstbestimmungsrecht der Menschen.
Die Ein-Kind-Politik galt im Ăbrigen nicht fĂŒr die im Lande lebenden Minderheiten. So zeigt die unruhige Provinz Xinjiang mit ihrer uigurischen Bevölkerung ein deutlich stĂ€rkeres Wachstum als die Provinzen, in welchen die Han-Chinesen die Mehrheit der Bevölkerung bilden. Im Oktober 2015 hat China seine Ein-Kind-Politik beendet [2]. Seitdem dĂŒrfen Paare zwei Kinder bekommen.
Die jahrelange BeschrĂ€nkung auf ein Kind und die Bedeutung der mĂ€nnlichen Nachkommen hat im Zusammenhang mit der prĂ€natalen Diagnostik dazu gefĂŒhrt, dass in China heute eine abnehmende Zahl junger Frauen einer immer gröĂeren Anzahl von jungen MĂ€nnern gegenĂŒber steht. Die Konzentration auf ein Kind pro Familie hat in der Konsequenz auch dazu gefĂŒhrt, dass sich ĂŒblicherweise vier GroĂeltern um einen Enkel kĂŒmmern, was dem Gewicht und somit der Gesundheit der Enkel nicht gerade zutrĂ€glich ist.
Auf dem Land wird die Entwicklung zum MĂ€nnerĂŒberschuss noch dadurch verschĂ€rft, dass junge Frauen, wie auch im deutschen Osten, mobiler sind und in Regionen mit stĂ€rkerer wirtschaftlicher Entwicklung abwandern. Mit der Wanderung der jungen Frauen weg vom familiĂ€ren Umfeld nimmt auch der gesellschaftliche Druck zu heiraten ab.
Die Financial Times [3] meldete Ende April 2021, dass der jĂŒngste Zensus ergeben habe, dass die Bevölkerungszahl in China zurĂŒckgegangen sei. Da die zahlenmĂ€Ăige Darstellung der Bevölkerung immer auch etwas ĂŒber die Bedeutung der jeweiligen Stadt aussagt, ist ein Schrumpfen immer auch mit Image-Problemen verbunden. Die einen sehen in erster Linie eine drohende Vergreisung der Gesellschaft, andere eher den sinkenden Druck, neue ArbeitsplĂ€tze zu entwickeln, was aufgrund der zunehmenden Automatisierung auch immer schwieriger wird.
Staatliche Hilfen zur Geburtenkontrolle in Thailand
Das sĂŒdostasiatische Königreich hat schon vor Jahrzehnten ein Gesundheitssystem mit ĂrztehĂ€usern auch in den lĂ€ndlichen Regionen eingefĂŒhrt. Heute verfĂŒgt es ĂŒber ein vergleichsweise vorbildliches Gesundheitssystem mit einem hohen Standard. Schon in den 1970er-Jahren hatte das Land damit begonnen, Frauen bei der VerhĂŒtung zu unterstĂŒtzen.
Da die thailĂ€ndische Gesellschaft eine traditionell matriarchalische Struktur besitzt, das Erbe zumindest auf dem Land meist der mĂŒtterlichen Linie folgt und der BrĂ€utigam fĂŒr die Braut einen Brautpreis an die Eltern der Braut abgeben muss, stehen weibliche Nachkommen deutlich höher im Kurs als mĂ€nnliche. So mancher Junge hat seine Existenz der Tatsache zu verdanken, dass man seine mĂ€nnlichen Attribute aufgrund seiner Position im Mutterleib per Ultraschall nicht gesehen hat.
In Thailand ist die Bevölkerung in den vergangenen Jahren in der Folge der Reduzierung der Zahl der Kinder pro Familie so sehr geschrumpft, dass die Nachfrage nach ArbeitskrĂ€ften das lokale Potenzial weit ĂŒberstieg und Wanderarbeiter aus Myanmar und Kambodscha verstĂ€rkt auch illegal ins Land strömten und vielfach zu deutlich schlechteren Konditionen als ihre einheimischen Kollegen beschĂ€ftigt wurden.
Berichtet wurde sogar von FĂ€llen, in denen Wanderarbeiter an ihren ArbeitsplĂ€tzen angekettet wurden. Mit dem Global compact for migration [4] wuchs nicht nur bei lokalen NGOs, sondern auch bei staatlichen Stellen die Hoffnung, dass die Arbeitsmigration kĂŒnftig legal und geordnet ablaufen könne. Im Zusammenhang mit einem aus Myanmar nach Thailand eingeschleppten Covid-19-Cluster wurde kĂŒrzlich beispielsweise erwogen, die illegal Eingewanderten zu legalisieren.
Eine Folge der komplementÀren Entwicklung in China und Thailand
Der durch die Ein-Kind-Politik in China ausgelöste Ăberschuss junger MĂ€nner im heiratsfĂ€higen Alter passen nur auf den ersten Blick zur komplementĂ€ren Entwicklung in Thailand, wo die Zahl der jungen Frauen traditionell die Zahl der MĂ€nner ĂŒbersteigt, weil Familien vielfach befĂŒrchten, dass sie das geforderte Brautgeld nicht aufbringen können, ohne sich bis ĂŒber beide Ohren zu verschulden oder Land zu verkaufen und somit ihre wirtschaftliche Basis zu schmĂ€lern.
Vor diesem Hintergrund blĂŒht der Frauenhandel [5], dessen Profiteure die vielfach prekĂ€re Lage von Familien mit Töchtern ausnutzen. Im zwischen China und Thailand gelegenen Laos hat sich der Frauenhandel zwischen den beiden Nachbarstaaten besonders professionalisiert. Obwohl die VolljĂ€hrigkeit in Thailand erst mit 21 Jahren erreicht ist, werden MĂ€dchen teilweise schon mit 15 nach China verkauft, wie das Onlinemagazin sĂŒdostasien berichtet. Sie stehen dort vor dem Dilemma, keine chinesischen Ausweispapiere zu erhalten und mĂŒssen die Familie verlassen, sobald das erste Kind geboren ist, das dann beim Vater bleibt. Werden die Frauen jedoch nicht schwanger, droht ihnen die Gefahr, weiter verkauft zu werden.
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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.igfm.de/china-ein-kind-politik/
[2] https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/317830/ein-kind-politik
[3] https://www.ft.com/content/008ea78a-8bc1-4954-b283-700608d3dc6c
[4] https://refugeesmigrants.un.org/migration-compact
[5] https://suedostasien.net/suedostasien-frauenhandel-erzwungene-ehefrauen-fuer-chinesische-maenner/
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