Wenn die Gletscher verschwinden
Der Aletschgletscher in der Schweiz ist der grösste Gletscher der Alpen. Seit 1850 hat die Eisdicke bis zu 100 Meter abgenommen. Bild: Ivan13dm / Shutterstock.com / Grafik:TP
Seit Jahren zeichnet sich ab, dass die Gletscher zurückgehen und wir damit die saisonalen Wasserspeicher verlieren. Welche Folgen hat das für die Gewässer und die Wasserversorgung?
Weltweit schmilzt das ewige Eis. Das wird nicht zuletzt dem Klimawandel zugeschrieben. Für Europa zeigt sich das besonders eindrücklich bei den Schweizer Alpen, wo nicht nur der Rhein seinen Ursprung hat.
Auf der Welt gibt es rund 275.000 Hochgebirgsgletscher, die zusammen mit den kontinentalen Eisschilden in Grönland und der Antarktis etwa 70 Prozent der weltweiten Süßwasserressourcen speichern.
Wenn die im Winter zugefrorenen Hochgebirgsgletscher im Frühjahr und Sommer zu schmelzen beginnen, versorgt ihr Schmelzwasser ländliche Gebiete, Dörfer und Städte für die Bewässerung in der Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung. Doch weil die natürlichen Wasserspeicher jetzt zusehend schrumpfen, geht eine lebenswichtige Süßwasserquelle für Millionen von Menschen verloren.
Der Rückgang der Gletscher mit ihrer Zwischenspeicherung des Niederschlags führt zudem dazu, dass Überschwemmungen immer extremer werden. Sich erwärmende Gletscherseen können leicht über die Ufer treten und zu katastrophalen Sturzfluten führen. Die Welt geht deshalb nicht unter, aber die Existenzen der betroffenen Anlieger oder sogar ihr Leben könnte vernichtet werden.
Panik wäre ein schlechter Ratgeber
Das vergangene Jahr war das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen, und der neueste Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) zeigt, dass die eindeutigen Anzeichen eines vom Menschen ausgelösten Klimawandels im Jahr 2024 einen neuen Höhepunkt erreicht haben. Damit ist jedoch noch kein Endpunkt der Entwicklung beschrieben, sondern nur ein Zwischenstand.
In den vergangenen 12 Monaten lag die globale Durchschnittstemperatur um 1,55 Grad Celsius über der Temperatur der Jahre 1850 bis 1900, bevor der Mensch begann, fossile Brennstoffe wie Kohle und Öl in industriellem Maßstab zu verbrennen. Und die neuesten Messungen zeigen, dass die Konzentration des Treibhausgases CO2 höher ist als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten zwei Millionen Jahren.
Dennoch wollen viele an ihrem gewohnten Verhalten festhalten und sich nicht mit den durch den Klimawandel verursachten Folgen beschäftigen. Die Hoffnung, dass die Politik dafür sorgen wird, dass ihr Lebenswandel auch künftig gesichert sein wird, dürfte jedoch ziemlich trügerisch sein, weil dort der Ernst der Lage offensichtlich verdrängt wird und jeder Einwohner dieses Landes die Folgen selbst tragen muss.
Die Hoffnungen, dass man zumindest die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels auf Versicherungen abwälzen kann, werden sich in Luft auflösen, wenn Klimarisiken nicht mehr versichert werden. Schon heute sind die Kosten der Rückversicherer so weit gestiegen, dass sie die Leistungsfähigkeit vieler Erstversicherer übersteigen, die daher das Versicherungsrisiko selbst tragen müssen.
Darauf, dass sich die Versicherungsrisiken in den vergangenen Jahren erhöht haben, weist auch die erweiterte Versicherungsaufsicht durch die von der Finanzwirtschaft finanzierte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hin. Somit dürfen die Versicherungsnehmer zumindest sicher fühlen, dass sie rechtzeitig darüber informiert werden, wenn ihr Versicherer die Segel streichen sollte.
Die direkten Folgen der Gletscherschmelze
Die Gletscherschmelzen bedrohen schon heute die Lebensmittel- und Trinkwasserzufuhr für zwei Milliarden Menschen. Phänomene wie die Gletscherschmelze scheinen für die meisten sehr weit entfernt. Viele denken, dass sich die meisten Gletscher am Nord- und Südpol befinden, in Island oder Grönland, also sehr weit entfernt, und selbst, wenn es um die Gletscher in den Alpen geht, fühlen sie sich von deren Schwindsucht nicht betroffen.
Als Hilferuf für den Zustand der Gletscher hat die UNO für den 21. März jetzt den ersten Welttag der Gletscher ausgerufen und zudem das ganze Jahr 2025 zum Internationalen Jahr der Erhaltung der Gletscher erklärt.
Da man in der Öffentlichkeit offensichtlich noch viel zu wenig Wissen über die Bedeutung der Kryosphäre zu haben scheint, hat man das Jahr 2025 zum Auftakt der UN-Aktionsdekade für Kryosphärenwissenschaften (2025–2034) erklärt. Diese Dekade soll die internationale Zusammenarbeit in der Forschung zur Bewältigung der Auswirkungen der Veränderungen in der Kryosphäre fördern.
Unter der Kryosphäre versteht man die Gesamtheit des Vorkommens von Wasser in festem Aggregatzustand, also Schnee, Hagel oder Eis, auf einem Himmelskörper. Sie spielt für das Klimasystem eine zentrale Rolle, da Schnee und Eis aufgrund ihres hohen Rückstrahlvermögens einen erheblichen Teil der Sonnenenergie zurückwerfen. Dieser Effekt funktioniert bei sauberem Neuschnee auf Gletschern und Eisschilden gut, deutlich schlechter aber bei verschmutzten Flächen.
Nach dem vom Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC 2019 veröffentlichten Sonderbericht über die Ozean- und Kryosphäre in einem sich ändernden Klima (SROCC) könnten bis zum Ende dieses Jahrhunderts bis zu einem Drittel der weltweiten Gletscher verschwinden.
Denn mit steigenden Temperaturen wird das Gleichgewicht zwischen Gletscherschmelze im Sommer und der Neubildung von Gletschereis im Winter gestört. Um nicht zu schrumpfen, darf ein Gletscher nur so viel schmelzen, wie durch Schneefall und den Druck auf darunter liegende Schichten sich an neuem Eis bildet.
Seit den 1990er Jahren geschieht das Abschmelzen der Gletscher jedoch in einem dramatischen Tempo, und seit 2010 hat sich der Verlust noch einmal deutlich beschleunigt. Nach dem Bericht "State of Global Water Resources 2023" verzeichnen einige Regionen sogar einen doppelt so hohen Rückgang wie vorhergesagt.