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Wenn supermassive Schwarze Löcher an ihre Grenzen kommen

Diese künstlerische Darstellung zeigt die Umgebung eines supermassereichen Schwarzen Lochs, wie es typischerweise im Zentrum vieler Galaxien gefunden wird. Bild: ESO/L. Calçada

Britischer Astronom extrapoliert, dass Schwarze Löcher in der Regel maximal 50 Milliarden Sonnenmassen schwer sein können

Schwarze Löcher bevölkern das All in verschiedenen Größenklassen. Vorzugsweise nisten sich die größten unter ihnen in Galaxienzentren ein. So vereint das Schwarze Loch im Herzen unserer Milchstraße rund vier Millionen Sonnenmassen in sich. Und es wächst. Zwar langsam, dafür aber unaufhörlich. Aber ab welcher Masse beenden supermassive Schwarzen Löcher ihren Wachstum? Gibt es in puncto Masse eine messbare Obergrenze? Ein britischer Wissenschaftler ist sich nunmehr sicher, eine solche gefunden zu haben.

Im All geht es bisweilen rau zu. Hier herrschen harte Sitten und regieren strenge Gesetze, die auch vor den am weitverbreitetsten kosmischen Materieansammlungen nicht haltmachen: Jeder Stern, ob groß oder klein, unterliegt einem Codex, der keine Gnade kennt. Er ist ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Aktive Akkretionsscheibe

Hat ein Stern seinen Energievorrat aufgebraucht, ist sein Exitus nur noch eine Frage der Zeit - und seiner Masse. So bläht sich unsere massearme Sonne in ferner Zukunft etwa zu einem Roten Riesen auf, um sich dann in einen Weißen Zwerg zu verwandeln, in dem sich alle Atome dicht an dicht drängen. Sterne mit mindestens vier Sonnenmassen enden in einem kompakten Neutronenstern [1], der im Radius nur wenige Kilometer misst.

Kollabiert ein Stern ab der 20-fachen Masse der Sonne, durchbricht er sogar das Stadium eines Neutronensterns. Angetrieben von seiner gigantischen Masse und Schwerkraft verliert sich der Stern in einem Schwarzen Loch.

Alles, was ihm zu nahe kommt, spiralt Bahn für Bahn auf einer sich extrem aufheizenden rotierenden Scheibe. Schwarze Löcher werden von solchen Akkretionsscheiben ringartig umgeben. Alles, ob Gas, Staub, Materie oder auch die Partikel des Lichts, driftet von dieser Scheibe sukzessive in das Innere des Zentrums des Schwarzen Loches, um am Ende auf Nimmerwiedersehen in seinem Schlund zu verschwinden.

SMBH in galaktischen Zentren

Während der Akkretion heizt sich die rotierende Scheibe auf unvorstellbar hohe Temperaturen auf und strahlt extrem stark im sichtbaren Licht und auf (fast) allen anderen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums, insbesondere im Röntgenbereich. Im Zuge dieses Prozesses drückt die starke Strahlung der hinabstürzenden Materie gegen die nachfolgende Materie und bremst diese aus. Die Folge: Das Schwarze Loch erhält weniger Energie und wird in seinem Wachstum ebenfalls gebremst.

Bild: NASA

Schwarze Löcher sind im Universum zwar nicht so weit verbreitet wie Sterne, treten aber auf verschiedene Art und Weise in Erscheinung: mal als stellare Objekte, die bis zu zehnmal so schwer sind wie unsere Sonne oder als Vertreter der Mittelklasse mit bis zu 100.000 Sonnenmassen. Und nicht zuletzt als supermassereiche Exemplare mit einer Million bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen, als so genannte supermassive bzw. supermassereiche Schwarze Löcher (SMBH).

Die bisherigen Beobachtungen sprechen dafür, dass Letztere sich in nahezu allen Zentren von normalen Galaxien eingenistet haben. Wie diese sich jedoch in kosmisch-grauer Vorzeit gebildet haben, ist eine der großen offenen Fragen in der Astrophysik. Zumal deren Entstehung eng verknüpft ist mit der Galaxienbildung in kosmischer Frühzeit.

Größter und massereichster SMBH

Seit einigen Jahren rätseln Astronomen aber auch darüber, wie es diese kompakten Gebilde geschafft haben, binnen kurzer Zeit derart extrem groß und massereich zu werden. Nicht zuletzt stand bis vor kurzem noch die Frage unbeantwortet im Raum, wo der genaue obere Grenzwert überhaupt liegt. Wie massereich und groß kann ein Schwarzes Loch werden, bevor es seine eigene Akkretionsscheibe absorbiert?

Bei dem bis auf den heutigen Tag bekanntesten massereichsten supermassiven Schwarzen Loch S5 0014 + 813 [2] handelt es sich um einen so genannten Blazar, einem sehr kompakten und massereichen Quasar, dessen Jet auf die Erde gerichtet ist. Er weist sage und schreibe knapp 40 Milliarden Sonnenmassen auf. Allein der Ereignishorizont [3] von S5 0014 + 813 ist im Durchmesser 47-mal so groß wie die Distanz unserer Sonne zum Zwergplaneten Pluto.

ESO/M. Kornmesser

Ein Quasar (quasistellare Radioquelle) ist eine sehr energiereiche und hell leuchtende kleine Region im Zentrum einer aktiven Galaxie, dessen geballte Leuchtkraft auf die Aktivität eines supermassereichen Schwarzen Loches zurückzuführen ist. Derlei Energiemonster überstrahlen nicht nur ihre Wirtsgalaxie im optischen Licht, sondern emittieren im gesamten elektromagnetischen Spektrum, vom Radiowellen- bis hin zum Gammawellenbereich so hell wie Tausende riesige Galaxien zusammen.

Bislang konnten Astronomen eine halbe Million Quasare katalogisieren, die meisten davon im Verlaufe der umfassenden, immer noch laufenden Beobachtungskampagne "Sloan Digital Sky Survey" (SDSS [4]). Unter ihnen sind 40 Quasare verzeichnet, die weiter als 12,7 Milliarden Lichtjahre entfernt sind, wozu auch der in einer Distanz von 12,8 Milliarden Lichtjahre gelegene schwarze Riese S5 0014 + 813 zählt.

Ein Stern verspeisendes Schwarzes Loch in der Fantasie eines Künstlers. Bild: NASA/CXC/M.Weiss

50 Milliarden Sonnenmassen als magische Grenze

S5 0014 + 813 ist nach Ansicht von Andrew King [5] vom Department of Physics and Astronomy der University of Leicester zwar das Schwergewicht par excellence, aber im All könnten seiner Theorie zufolge noch weitaus größere Schwerkraftfallen herumspuken.

In seinem Paper "How Big Can a Black Hole Grow?", das in der Februar-Ausgabe 2016 des Fachjournals "Monthly Notices Letters of the Royal Astronomical Society" veröffentlicht wird [6] (Pre-Print-Link siehe unten), richtet der britische Astronom seinen Fokus auf die größten bekannten Vertreter von supermassiven Schwarzen Löchern, die in den Zentren ihrer jeweiligen Galaxien hausen. Für sein mathematisches Modell griff King jedoch nicht schwerpunktmäßig auf bereits bestehende Observationsergebnisse oder andere Daten zurück, wie dies andere Online-Medien [7] berichten. "Das Ergebnis war vielmehr das Produkt eines Zufalls. Es beruht auf einer rein mathematischen Herleitung und weniger auf Observationsdaten oder Computersimulationen", erklärt Andrew King.

Immerhin berücksichtigte King für seine Studie die Rotationsraten supermassiver Schwarzer Löcher und die Masse der sie umgebenden Gase - und kam dabei zu einem eindeutigen Ergebnis: Seinen Berechnungen zufolge kann ein SMBH nämlich noch massereicher werden als S5 0014 + 813, aber nur bis zu einem ganz bestimmten Grenzwert.

Erreicht ein SMBH die Masse von 50 Milliarden Sonnen, wird seine Gravitation so groß, dass es seinen eigenen Futterlieferanten vernichtet. In diesem Fall verspeist es seine strahlend helle Akkretionsscheibe, auf der sich bekanntlich zuerst Gas, Staub, Materie oder auch die Partikel des Lichts konzentrieren, bevor alles in das Innere des Schwarzen Loches gesogen wird. Bei diesem Vorgang kollabiert aber nicht das Schwarze Loch selbst, sondern nur die ihm umgebende Akkretionsscheibe. Sie verliert zuerst an Energie, fällt in sich zusammen und endet im Schwarzen Loch.

Zum Gravitationslinseneffekt: Bewegt sich ein Stern, der sich in der Sichtlinie der Erde und einem weit entfernten Hintergrundstern befindet, an diesem vorbei, wird das Licht des Hintergrundsterns in charakteristischer Weise durch den Gravitationslinseneffekt verstärkt. Dieser Effekt kommt nicht nur bei Sternen, sondern auch bei Galaxien, Galaxien-Clustern und eben auch SMBH zum Tragen. Bild: Horst Frank. Lizenz: CC-BY-SA-3.0 [8]

Inaktivität und zwei Sonderfälle

Da die Futterquelle wegfällt, verharrt das Schwarze Loch zwangsläufig in Inaktivität. Ohne die energiespendende Gasscheibe verhungert die Schwerkraftfalle. "Die meisten dieser Objekte machen danach nichts mehr. Sie sind dann nur noch mithilfe des Gravitationslinseneffekts aufzuspüren", so King gegenüber Telepolis.

Sagittarius A* - das Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxis zählt zu den supermassiven Schwarzen Löchern, ist aber gegen die milliardenschweren größeren Exemplare ein Leichtgewicht. Bild: NASA/UMass/D.Wang et al., IR: NASA/STScI

Allerdings kann ein SMBH auch ohne Akkretionsscheibe unter bestimmten Umständen seine Masse vergrößern. So könnte ein SMHB mit mehr als 50 Milliarden Sonnenmassen an Größe und Masse zulegen, wenn dieses etwa einen kompletten Stern vernascht. Hierzu Andrew King:

Würde zum Beispiel ein supermassives Schwarzes Loch mit einem anderen verschmelzen, entstünde ein noch größeres Schwarzes Loch. Aber bei dieser Fusionierung würde jedoch kein Licht emittiert. Und das neuentstandene größere Schwarze Loch hätte ebenfalls keine Gasscheibe um sich, die Strahlung abgibt.

Hypothetisch gesehen könnte aus solch einem Crash ein neues Schwarzes Loch erwachsen, das bis zu 270 Milliarden Sonnenmassen schwer wäre, verdeutlicht King.

Theoretisch könnten miteinander verschmelzende Schwarze Löcher weiterwachsen und einen solchen Wert erreichen. Eines von beiden müsste jedoch mindestens 135 Sonnenmassen haben. So etwas aber dürfte im Universum extrem selten geschehen.

Paper [9]: How Big Can a Black Hole Grow?

Supermassive Black Hole YouTube-Video [10] (45,45 min.)


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3377433

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.einstein-online.info/einsteiger/loecher/pulsare
[2] http://arxiv.org/abs/0906.0575
[3] http://www.wissenschaft-online.de/astrowissen/lexdt_e05.html
[4] http://www.sdss.org/
[5] http://www2.le.ac.uk/departments/physics/people/andrewking
[6] http://mnrasl.oxfordjournals.org/
[7] http://www.spektrum.de/news/wie-gross-koennen-schwarze-loecher-werden/1390519
[8] http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
[9] http://arxiv.org/abs/1511.08502
[10] https://www.youtube.com/watch?v=E_asvX1DjQY