Wer hat, dem wird gegeben
Seite 2: Politik von Reichen für Reiche
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In den USA sind über die Hälfte der US-Abgeordneten Millionäre. Die Wirtschaft unterwandert die Politik, um sich ihre eigenen Gesetze zu schneidern. Eine großangelegte Studie hat gezeigt: In den USA üben die oberen 10 Prozent der Einkommenspyramide 15-mal so viel Einfluss auf das politische Geschehen aus wie die restlichen 90 Prozent. Sprich, die Politik der USA ist eine Politik von reichen Menschen für reiche Menschen. Fast alles geschieht im Interesse der Vermögenden.
De facto haben die 400 reichsten US-Amerikaner unter Bill Clintons Präsidentschaft (1993-2001) rund 27 Prozent Steuern auf ihr Einkommen gezahlt. Bis zum Jahr 2012, für das die aktuellsten Zahlen vorliegen, ist der Prozentsatz auf 17 Prozent gefallen, wie die "Internal Revenue Service", die Bundessteuerbehörde der USA, ermittelt hat.
Und das sind die Steuersätze unter US-Präsidenten der Demokraten. Unter den Republikanern dürfte sich die Lage noch weiter verschärfen. Am extremsten ist gegenwärtig der Vorschlag des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ted Cruz, der eine tax flat von 10 Prozent fordert. Egal, ob reich oder arm - alle sollen nach der Vorstellung Ted Cruz’ lediglich 10 Prozent Steuern auf ihr Einkommen zahlen. Damit würde die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinanderklaffen.
In Deutschland sieht die Sache kaum besser aus: Unter Helmut Kohl lag der Spitzensteuersatz noch bei 56 Prozent, im Zuge der "Agenda 2010" und im Lauf der Jahre purzelte der Spitzensatz auf die heutigen 42 Prozent (ab einem Einkommen von 250.000 Euro jährlich zahlt man derzeit 45 Prozent).
Natürlich wissen die Reichen auch hierzulande, wie sie ihr Geld vor dem Fiskus schützen können. Und auch die Schere ist in Deutschland vergleichbar ungerecht gespreizt wie in den USA. Hierzulande horten die reichsten 0,1 Prozent (also weniger als 70.000 Bundesbürger) knapp ein Viertel des Gesamtvermögens. Die oberen 0,5 Prozent (also um die 350.000 Bundesbürger) besitzen gemeinsam so viel Vermögen wie die unteren 90 Prozent (also um die 63.000.000 Bundesbürger).
Die Eliten und deren Lobbyverbände verpacken diese Ungleichheit häufig mit Euphemismen. Als die neoliberale Regierung unter Rot-Grün 2003 ihre "Agenda 2010" propagierte, hörte man kaum ein Wort häufiger als "Eigenverantwortung", dicht gefolgt von "Freiheit" und "Leistungsgerechtigkeit". Daniel Dettling, einer der einflussreichsten Lobbyisten Deutschlands, schrieb 2003:
Die Mehrheit der Bürger hat in Deutschland ein Wohlstandsniveau erreicht, das es rechtfertigt, ihnen mehr Eigenvorsorge und die Übernahme von Risiken zuzumuten. Die meisten Bürger sind imstande, ohne umfassenden Schutz unter Wettbewerbsbedingungen zu leben. Ein höheres Maß an Ungleichheit ist somit nicht nur vertretbar, sondern auch notwendig, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu steigern.
Daniel Dettling
Konkret heißt das: Steuern für Reiche werden gesenkt und Sozialleistungen gekürzt. Wer da auf der Strecke bleibt und verhungert, ist einfach selbst schuld - Hauptsache, die Profite der Eliten wachsen.
Too small to survive
Die Banken konnten während der Krise 2008 nicht unter den besagten "Wettbewerbsbedingungen" leben, sie waren angeblich "too big to fail" und benötigten den "Schutz" des Staats (also das Geld der Steuerzahler). Die Menschen wiederum sind "too small to survive", sollen aber kritiklos ein "höheres Maß an Ungleichheit" hinnehmen. So kommt es, dass die griechischen Großbanken zwar "gerettet" wurden, dass aber über ein Drittel der griechischen Bevölkerung keine Krankenversicherung mehr hat.
"Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen." Eine mehr als deutliche Ansage, die Warren E. Buffett, 2015 der drittreichste Mensch der Welt, gegenüber der New York Times machte. Zusammen mit gleichgesinnten Milliarden forderte derselbe Warren E. Buffett im Jahr 2011 eine Reichensteuer.
Oh, ein Akt der Barmherzigkeit? Mitnichten. Denn selbst die Reichen haben - wenn sie eins und eins zusammenzählen können - erkannt, dass solche Abgaben notwendig sind, wenn das System nicht kollabieren soll. Sie wissen, dass der heutige Kapitalismus zwangsläufig die Finanzsysteme und damit auch ihre eigenen Vermögen und Firmen ins Straucheln bringt. Wenn "die da unten" nichts in der Tasche haben, können sie auch nicht das konsumieren, was "die da oben" verkaufen wollen. Die westlichen Regierungen haben dieses Angebot durch die Bank weg freundlich-liberal ausgeschlagen - und jammern uns allabendlich in den Nachrichten vor, dass kein Geld zur Verfügung stehe.
Das Kapital verhält sich "wie die sprichwörtliche Katze im Zeichentrickfilm, die über einen Abgrund hinaus weiter durch die Luft schnellt und erst abstürzt, als sie nach unten blickt und bemerkt, dass sie keinen Boden mehr unter den Füßen hat", schreibt Slavoj Žižek1 Wann wird die Katze nach unten blicken?
Patrick Spät lebt als freier Journalist und Buchautor in Berlin. Zuletzt erschien von ihm: Und, was machst du so?, Zürich: Rotpunktverlag, 2014.