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Wer wird Vizepräsidentschaftskandidat?

Sarah Palin. Foto: T toes aus Decatur, USA. Lizenz: CC BY 2.0

Donald Trump verspottet Elizabeth Warren als "Pocahontas"

Welche Kompetenzen ein Vizepräsident in den USA hat, hängt zu einem großen Teil von dessen Persönlichkeit ab: Während Dick Cheney, der Vizepräsident von George Bush Junior, mit gewisser Wahrscheinlichkeit der eigentliche Urheber des Irakkrieges und anderer umstrittener Entscheidungen des Präsidenten war, galt Dan Quayle, der Vizepräsident von George Bush senior, vielen Medien vor allem als eine Art Versicherung des damaligen Amtsinhabers, nicht erschossen zu werden, weil er kaum jemanden als Nachfolger geeignet schien.

Es geht deshalb nicht notwendigerweise nur um schmückendes Beiwerk, wenn US-Medien darüber diskutieren, wen sich die wahrscheinlichen republikanischen und demokratischen Präsidentschaftskandidaten als Vizepräsidentschaftskandidaten aussuchen.

Donald Trump hat dafür angeblich schon eine Liste zusammenstellen lassen, auf der sich neben den Namen der ausgeschiedenen Mitbewerber Ted Cruz, John Kasich, Marco Rubio und Chris Christie auch der von John McCains Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin finden soll, obwohl diese den Medien Anfang Mai sagte, sie wolle, dass Trump Präsident wird und werde dafür eigene Interessen zurückstecken. Das will die Washington Post [1] vom ausgeschiedenen Bewerber Ben Carson erfahren haben, der inzwischen Trump unterstützt. Trump hatte letzten Herbst versprochen, er werde in seinem Team eine "Position" für Palin finden, ohne den Posten näher zu konkretisieren. Palin meinte damals, sie wäre gerne Bundesenergieministerin und würde dieses Amt dann abschaffen.

Ambitionierter Vizepräsident könnte heimlich auf den Sturz des Präsidenten hinarbeiten

Für einen Präsidentschaftsmitbewerber aus dem Establishment als Vizepräsidenten würde sprechen, dass so eine Person Teile der republikanischen Parteielite beruhigen würde. Sie könnte aber auch Wähler abschrecken, die einen Präsidenten wollen, der mit dem politischen Establishment bricht Setzt Trump einem Kandidaten wie Chris Christie mit auf sein Ticket, dann übernimmt er auch dessen schlechten Ruf, den sich der Gouverneur des Sopranos-Bundesstaates New Jersey unter anderem durch das Sperren einer Brücke aus politischen Gründen zuzog.

Chris Christie. Foto [2]: Luigi Novi. Lizenz: CC BY 3.0 [3]

Zudem vertraten die meisten Mitbewerber in den Vorwahldebatten in zentralen politischen Fragen ganz andere Ansichten als Trump: Christie gab dort beispielsweise an, in Syrien unbedingt eine Flugverbotszone einrichten zu wollen und dafür auch einen Krieg mit Russland in Kauf zu nehmen. Dass der exzentrisch frisierte Milliardär den stark übergewichtigen Gouverneur damit beauftragt hat, eine Administration zusammenzustellen, werten manche Beobachter deshalb als mögliches Trostpflaster dafür, dass Christie von Trump nicht als Vizepräsident nominiert wird.

Ted Cruz. Foto [4]: Gage Skidmore. Lizenz: CC BY-SA 3.0 [5]

Für Ted Cruz als Vizepräsidenten würde sprechen, dass der Tea-Party-Texaner religiöse Wählerschichten anspricht, die mit dem zwei Mal geschiedenen und oft zotigen Trump nur bedingt warm wurden. Seine außenpolitischen Vorstellungen würden besser zu denen von Trump passen als die anderer Mitbewerber. Gegen Cruz spricht jedoch, dass der erst 45-Jährige eigene politische Ambitionen hegt und dass ihm andere Republikaner vorwerfen, zu deren Durchsetzung auch mit unkonventionellen Mitteln zu arbeiten. Wird ein Präsident des Amtes enthoben, dann kommt es in den USA nicht zu Neuwahlen, sondern der Vizepräsidenten übernimmt. Cruz könnte deshalb - wie Frank Underwood in der Fernsehserie House of Cards heimlich auf einen Sturz Trumps hinarbeiten.

Quotendenken vergangener Jahrzehnte

Für John Kasich als Trumps Vizepräsidenten würde sprechen, dass der Gouverneur von Ohio den Republikanern in seiner Heimat einen wichtigen Swing State sichern könnte und dass er es in vergangenen Wahlen schaffte, auch traditionell demokratische Wähler von sich zu überzeugen. Dass Kasich Trump im Vorwahlkampf schärfer angriff als andere Mitbewerber, muss kein Ausschlussgrund sein. Schon im auf den Stand der Zeit gebrachten Sprichwort heißt es: Politik schlägt sich, Politik verträgt sich.

Will Trump mit seinem Vizepräsidentschaftskandidaten vor allem demokratischen Wähler anziehen, könnte er sich aber auch jemanden aussuchen, mit dem er in der Vergangenheit weniger über Kreuz lag. Dass er einen Politiker der Gegenpartei nominieren wird, schloss der Milliardär jedoch aus (obwohl sein Helfer Ben Carson meinte, wenn man ihm einen Demokraten zeige, der Trumps Ziele zureichend unterstütze, dann werde man auch diesen in Betracht ziehen).

Marco Rubio wird von manchen Medien als möglicher Vizepräsidentschaftskandidat gehandelt, weil sie glauben, dass er Trump Stimmen von Wählern lateinamerikanischer Herkunft sichern könnte. Ob der Milliardär den von ihm als "Little Marco" verspotteten Mitbewerber tatsächlich ernsthaft in Betracht zieht, ist jedoch insofern fraglich, als die Art und Weise, wie Trump seinen bisherigen Wahlkampf führte, darauf hindeutet, dass er sich nicht am Quotendenken vergangener Jahrzehnte orientiert und nicht in erster Linie daran interessiert ist, mit einem Latino oder einer Frau wie der ehemaligen Arizona-Gouverneurin Jan Brewer einen identitätspolitischen Gegenpol zu sich selbst zu setzen - was nicht ausschließt, dass ein "Running Mate", den er für geeignet hält, aus einer dieser Gruppen kommen kann.

Schert sich Trump nicht um Identitätspolitik, könnte er beispielsweise den ehemaligen republikanischen Repräsentantenhaussprecher Newt Gingrich nominieren: Der technologiebegeisterte 72-jährige, der Telepolis 1998 ein Exklusivinterview [6] gab, bekundete auf Fox News [7] bereits grundsätzliches Interesse.

Demokraten: Elizabeth Warren beschädigt

Hillary Clinton, die praktisch sichere Kandidatin der Demokraten, ist diesem identitätspolitischen Quotendenken viel stärker verhaftet als ihr republikanischer Konkurrent. Sie müsste dieser Ideologie nach als ältere weiße Frau einen jüngeren Mann aus einer ethnischen Minderheit als Vizepräsidentschaftskandidaten nominieren. In Frage dafür kämen beispielsweise Obamas 1974 geborener Wohnungsbau- und Stadtentwicklungsminister Julian Castro oder der 1961 geborene stellvertretende Justizminister Thomas Perez. Der von der New York Times [8] ins Spiel gebrachte 1958 geborene Tim Kaine wäre zwar nur hinsichtlich des Geschlechts ein Gegenpol, könnte Clinton aber als ehemaliger Gouverneur von Virginia helfen, in diesem bedeutenden Swing State zu siegen.

Julian Castro. Foto [9]: CC BY-SA 3.0 [10]

Will Clinton keinen identitätspolitischen, sondern einen inhaltlich-politischen Gegenpol setzen, müsste sie eigentlich ihren Mitbewerber Bernie Sanders nominieren. Das gilt jedoch alleine deshalb als wenig wahrscheinlich, weil der 74-jährige als unabhängig bekannte Senator die Position kaum als Austragsposten ausfüllen, sondern vermutlich versuchen würde, eigene politische Ziele durchzusetzen, die denen Clintons häufig entgegengesetzt sind.

Ähnliches gilt für die bekannte Senatorin Elizabeth Warren. Die 1948 geborene blonde, blauäugige und hellhäutige Juristin aus dem ehemaligen Indianerreservat Oklahoma gilt zudem als politisch beschädigt, weil sie ihre Behauptung, von Ureinwohnern abzustammen, offenbar nicht nachweisen kann. Seit Donald Trump sie "Pocahontas" nannte und twitterte: "Die alberne Elizabeth Warren, Hillary Clintons Hofschranze, hat ihre Karriere vollständig auf einer Lüge aufgebaut" verbreiteten sich unter dem Hashtag #elizabethwarrenindiannames [11] täglich neue Spottnamen für sie. Der Versuch, Trump deswegen als "rassistisch" anzugreifen, ging insofern nach hinten los, als sich dazu befragte [12] Berufsbeleidigte auch über die Wortwahl anderer Kandidaten erregten und beispielsweise einem Wahlkampfmanager von Bernie Sanders vorwarfen, dass er von einem "Powwow" sprach.

Elizabeth Warren. Foto [13]: Tim Pierce. Lizenz: CC BY-SA 3.0 [14]

Senator Sherrod Brown, der ebenfalls als Kritiker der von Clinton geförderten Freihandelsabkommen gilt, hat bereits angekündigt, er sei nicht bereit, Vizepräsidentschaftskandidat der ehemaligen Außenministerin zu werden. Nähme er den Posten an, hätten die Demokraten zudem das Problem, dass ihm im Senat ein Republikaner nachfolgen könnte.

Da sich bislang kein Kandidat als offensichtlich aufdrängt, wird Clinton wahrscheinlich warten, bis Trump seine Wahl getroffen hat. Legt er in den Umfragen weiter zu, könnte sie den Mutmaßungen des Fernsehsenders CBS [15] nach auf eine "riskantere Option" setzen.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.washingtonpost.com/lifestyle/style/is-ben-carson-the-worst-or-the-best-surrogate-of-all-time-yes/2016/05/13/0afc3c52-17ac-11e6-aa55-670cabef46e0_story.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:2.9.11ChrisChristieTownHallByLuigiNovi27.jpg
[3] https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de
[4] http://
[5] https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
[6] https://www.heise.de/tp/features/Newt-Gingrich-s-vision-3411537.html
[7] http://www.foxnews.com/on-air/fox-news-sunday-chris-wallace/
[8] http://www.nytimes.com/2016/04/24/us/politics/hillary-clinton-vice-president.html?_r=1
[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Julian_Castro_by_Gage_Skidmore.jpg
[10] https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
[11] https://twitter.com/hashtag/elizabethwarrenindiannames
[12] http://edition.cnn.com/2016/05/21/opinions/donald-trump-elizabeth-warren-native-american-moya-smith/
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Elizabeth_Warren_and_Tim_Murray_Nov_2012.jpg
[14] https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
[15] http://www.cbsnews.com/news/democratic-veepstakes-who-could-hillary-clinton-pick-as-her-running-mate/