Werbung: Wie Medien den Klimawandel befeuern
Studie: Ein Drittel der TV-Werbung bewirbt klimaschädliche Produkte. Medienstaatsvertrag wird ignoriert. Autoren fordern konsequentes Eingreifen der Medienpolitik.
Eine aktuelle Studie der Universität Leipzig unter der Leitung von Kommunikationswissenschaftler Dr. Uwe Krüger hat das Spektrum der Medien im Umgang mit dem großen Thema unserer Zeit, dem menschengemachten Klimawandel, genauer unter die Lupe genommen.
Dabei sind die Studienautoren auf einen handfesten Kratzer im Lack der guten Absichten gestoßen. Zwar mögen die Vorwürfe an Medien, wonach sie allmählich zu "Erziehungsanstalten" mutieren, besonders laut sein, jedoch zeigt sich bei genauerem Hinschauen, dass Medien in Sachen Klimawandel ambivalent agieren.
Die Wissenschaftler untersuchten Werbeclips des Ersten, des ZDF, von RTL, Sat.1 und ProSieben – mithin fünf der sechs Sender mit den größten Marktanteilen im Jahr 2022 – sowie Spots auf YouTube.
Werbung hat eigene Zielrichtungen
Rund ein Drittel der TV-Werbespots und jeder siebte YouTube-Spot bewerben klimaschädliche Produkte und Dienstleistungen. In Zeiten des wachsenden Bewusstseins für den Klimawandel und der Notwendigkeit, unser Verhalten zu ändern, ist dies ein Befund, der bekannte Widersprüche zwischen der Ambition zu einer besseren Klimapolitik und dem Wirtschaftssystem in der gegenwärtigen Form aufdeckt.
Die Studie analysierte insgesamt 9.779 Werbespots aus den Jahren 2022 und 2023. Während 69,7 Prozent der beworbenen Produkte als nicht klimaschädlich eingestuft wurden, machten rund 30,3 Prozent, also etwa 3.000 Spots, Werbung für klimaschädliche Waren und Dienstleistungen.
Dabei war der Anteil klimaschädlicher Produkte in der Fernsehwerbung höher als auf YouTube.
Hauptklimasünder: Schokolade, Autos und Beauty-Produkte
Die Studie identifizierte insbesondere einige Produktgruppen als besonders klimarelevant. Bei 86 Prozent der Spots aus der Kategorie "Schokolade, Eis & Gummibären" wurde eine hohe Klimaschädlichkeit festgestellt, hauptsächlich aufgrund des hohen CO2-Fußabdrucks von Schokolade.
Ähnlich hohe Anteile klimaschädlicher Produkte wurden in den Gruppen "Autos & Autodienstleister" (78 Prozent) und "Körperpflege, Hygiene & Beauty" (72 Prozent) gefunden.
Weiterhin waren auch "Gutscheine und Geschenke" (62 Prozent) sowie "Reise & Tourismus" (60 Prozent) signifikant klimaschädlich.
Die Klimaschädlichkeit einiger der beworbenen Produkte ist so erheblich, dass der Kauf eines einzigen der beworbenen Autos, Flüge oder Urlaubsziele oder auch einer einzigen Kreuzfahrt das faire Pro-Kopf-CO2-Budget eines Menschen für ein ganzes Jahr und alle Lebensbereiche, das bei 1,5 Tonnen liegt, größtenteils aufbrauchen oder sogar weit überschreiten würde.
Verschleierungstaktiken in der Werbung
Die Studie weist zudem darauf hin, dass Werbestrategien oft darauf abzielen, die Klimaschädlichkeit des Produkts zu verschleiern oder sogar ins Gegenteil zu verkehren.
So werden beispielsweise Fernreisen mit Naturschutz in Verbindung gebracht, verbrauchsintensive Hybrid-SUVs werden mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben und der Konsum von Kaffeekapseln wird als Ersatz für gescheiterte Klimapolitik präsentiert.
Verletzung des Medienstaatsvertrags: Aufruf zur konsequenten Medienpolitik
Angesichts dieser Befunde fordern die Autoren der Studie ein konsequentes Eingreifen der Medienpolitik. Sie schlagen unter anderem verpflichtende Warnhinweise bei Spots für klimaschädliche Güter, Werbeverbote für bestimmte Produktgruppen oder die Entwicklung eines dynamischen Preis- bzw. Umlagesystems vor. Dabei würde Werbung für klimaschädliche Güter teurer werden, während Werbung für klimafreundliche Produkte begünstigt würde.
In einem Arbeitspapier, das die Studie ergänzt, wird festgestellt, dass der Medienstaatsvertrag verletzt
Dort heißt es in § 8 Absatz 4, dass Werbung keine Verhaltensweisen fördern dürfe, "die die Gesundheit oder Sicherheit sowie in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden".
Daher bestehe dringender Handlungsbedarf, um diese Verletzung zu korrigieren und eine konsequente Medienpolitik zu verfolgen, die den Klimawandel berücksichtigt und fördert.
Die Autoren des Arbeitspapiers schlagen eine Reihe von Maßnahmen vor, darunter jährliche Werbeberichte, verpflichtende Warnhinweise, Werbeverbote für bestimmte Produktgruppen, die Vorgabe eines Gesamtbudgets für CO2-Äquivalente und die Entwicklung eines dynamischen Preis- bzw. Umlagesystems.
Die Autoren appellieren daher an die Medienpolitik, dass sie Maßnahmen ergreift, um die Werbung für klimaschädliche Produkte einzudämmen. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels und der verpflichtenden Klimaziele von Paris seo dies eine entscheidende Aufgabe.