Wettlauf um die Mondzeit: Wer stellt die Uhren auf dem Erdtrabant?

Computerillustration einer künftigen Mondbasis

Computergeneriertes Symbolbild: Möglicherweise gelten auf Mondbasen künftig unterschiedliche Uhrzeiten

(Bild: Dabarti CGI/Shutterstock.com)

USA und China arbeiten an Zeitzonen für den Mond. Zwei Systeme sind geplant. Gewinnt China die lunare Zeithoheit?

Der Mond bekommt eine eigene Zeitzone. Wie die South China Morning Post berichtet, arbeiten die USA und China derzeit an der Einführung einer jeweils eigenen Zeitzone für den Erdtrabant. Der Vorstoß könnte die Geschichte der Raumfahrt prägen und zukünftige Mondmissionen maßgeblich beeinflussen.

Warum der Mond eine eigene Zeit braucht

Bisher gibt es kein einheitliches Zeitsystem für den Mond. Während des Kalten Krieges haben sämtliche Mondmissionen die Zeit ihres jeweiligen Heimatlandes verwendet, was aufgrund der relativen Einfachheit und Singularität der Missionen kein Problem war. Auch heute noch kommt bei jeder Mission verwendet eine eigene Zeitskala zum Einsatz, die an die koordinierte Weltzeit (UTC) gebunden ist.

Diese Methode hat für die bisherigen Missionen funktioniert, könnte aber zu einem Problem werden, wenn mehrere Raumfahrzeuge zusammenarbeiten müssen.

Denn die Uhren auf der Erde und auf dem Mond gehen aufgrund der unterschiedlichen Gravitationsfelder unterschiedlich schnell. Nach Angaben der NASA ticken Atomuhren auf der Mondoberfläche 56 Mikrosekunden pro Tag schneller als auf der Erde. Das klingt zunächst nach wenig, könnte aber zu Problemen bei zeitkritischen Manövern führen. Und auch die Einführung eines lunaren Satellitennavigationssystems ist ohne lokale Zeitmessung wenig aussichtsreich.

Wettlauf zwischen USA und China

Die Idee zur Einführung einer Mondzeit existiert bereits seit Längerem. 2022 hat die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) den Vorschlag erneut vorangetrieben. Die von US-Seite vorgeschlagene "koordinierte Mondzeit" (LTC) soll von den Unterzeichnern der von den USA geleiteten Artemis-Abkommen übernommen und als "internationaler Standard" dienen, so ein Memorandum des White House Office of Science and Technology Policy vom April.

Die Zahl der Unterzeichner des Artemis-Abkommens ist auf 43 gestiegen, aber zwei der größten Weltraummächte – China und Russland – sind nicht dabei.

Beijing verfolgt gemeinsam mit Moskau und 11 weiteren Ländern mit der Internationalen Mondforschungsstation (ILRS) ein eigenes Projekt. Bis 2035 will China die ILRS als permanente Basis am Südpol des Mondes errichten.

China hat in diesem Rahmen eigene Pläne angekündigt, bis 2028 eine Zeitzone auf dem Mond einzurichten. Auch Kommunikations- und Internetkapazitäten sollen bis dahin auf dem Mond zu Verfügung stehen.

Forscher haben verschiedene Roadmaps für die Entwicklung einer Satellitenkonstellation für den Mond vorgeschlagen, die eine entscheidende Rolle bei der Positionierung, Navigation und Zeitmessung im Raum zwischen der Erde und der Mondumlaufbahn spielen würde. Diese würde sich am chinesischen Navigationssystem Beidou orientieren.

Im Juni schlug ein Team des Beijing Institute of Spacecraft System Engineering vor, ein Netzwerk von 21 Satelliten in eine Umlaufbahn um den Mond zu bringen, um künftige Missionen mit hochpräziser Echtzeit-Navigation zu unterstützen.

Die Satelliten sollen langlebig und kostengünstig sein und in drei Phasen auf vier verschiedenen Umlaufbahnen eingesetzt werden, heißt es in einem Artikel der Zeitschrift Chinese Space Science and Technology.

Wessen System setzt sich durch?

Dass es zunächst mindestens zwei unterschiedliche Zeitsysteme auf dem Mond geben wird, scheint derzeit sicher. Stand heute ist jedoch bisher nicht bekannt, inwiefern sich die Zeitstandards für Artemis und die Partnerländer der ILRS unterscheiden werden.

Es könnte also sein, dass die Uhren auf dem Mond trotz unterschiedlicher Standards jeweils die selbe Zeit anzeigen. Genauso ist jedoch denkbar, dass Chinas Taikonauten und US-Astronauten künftig in verschiedenen Zeitzonen leben werden.

Die Festlegung von Zeitstandards war in der Geschichte immer auch ein Symbol von politischer Macht und Einfluss, wie das Beispiel der Greenwich Mean Time als globaler Standard verdeutlicht.

Die Entscheidung von 1884, den Nullmeridian durch das Gelände des Royal Observatory im britischen Greenwich verlaufen zu lassen, war nicht nur eine Frage der Bequemlichkeit, sondern spiegelte auch die damalige Dominanz Großbritanniens in Navigation, Handel und Wissenschaft wider.

Das Rennen um den künftigen lunaren Zeitstandard ist also eröffnet. Welches System sich durchsetzen wird – oder ob es zu einer langfristigen Koexistenz beider Standards kommt – kann tatsächlich nur die Zeit selbst zeigen.