Wie China Russland beim Gas auf Abstand hält

Chinesischer LNG-Tank auf Windrose

China diversifiziert seine Gasimporte. Russland soll wichtiger Lieferant werden, aber nicht dominieren. Doch was ist Beijings eigentliche Strategie?

Am Beispiel Gas zeigt sich, dass China seine Importe vom nördlichen Nachbarn und Rohstoffreservoir austariert, um einen Schiffbruch wie Europa mit russischen Pipeline-Lieferungen zu vermeiden.

Im Jahr 2027 werde die Route Fernost, die 10 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr von Gasquellen vor der Küste der Pazifikinsel Sachalin transportieren soll, in Betrieb gehen. "Wenn Kraft Sibiriens und die Route Fernost ihre volle Kapazität erreichen, wird Russland zum größten Gaslieferanten für China", sagte der Vorstandsvorsitzende von Gazprom Alexei Miller am 28. Juni auf Telegram.

Turkmenistan ist aktuell an Land die Nummer 1

2023 exportierte Gazprom seinen Worten zufolge 22,7 Milliarden Kubikmeter Gas nach China. Die volle Kapazität von 38 Milliarden Kubikmeter ist für das nächste Jahr vorgesehen.

Im vergangenen Jahr lieferten im Vergleich dazu nach Zahlen im Statistical World Energy Review des Energy Institute Turkmenistan, Kasachstan und Usbekistan über drei Abschnitte der Pipeline China Zentralasien an die chinesische Westgrenze insgesamt 36,3 Milliarden Kubikmeter Gas, wovon 30,5 Milliarden auf Turkmenistan entfielen.

Seit Inbetriebnahme dieser Neuen Seidenstraße für Energie im Dezember 2009 entwickelte sich China zum größten Gaskunden von Turkmenistan und löste Russland ab.

Für die Diversifizierung der Gasbezüge Chinas spielt das zentralasiatische Land eine zentrale Rolle. Ein vierter Leitungsabschnitt befindet sich im Bau. Damit soll sich die Transportkapazität von 55 auf 85 Milliarden Kubikmeter Gas erhöhen.

Gazprom will Nord-Süd-Korridor ausbauen

Zugleich möchte Russland seine traditionellen Lieferbeziehungen im zentralasiatischen Raum in umgekehrter Richtung von Nord nach Süd ausbauen.

Eines der wichtigen Ereignisse des Jahres 2023 war der Lieferstart über das Gaspipelinesystem Zentralasien – Zentrum in umgekehrter Richtung. Über diese neue Route haben wir erstmals begonnen, russisches Gas nach Usbekistan zu liefern.

Alexei Miller

Den Anschluss Chinas an nord- und westsibirische Gasquellen über die Gasleitung Kraft Sibiriens 2 und Mongolei erwähnte Miller in seinem jüngsten Statement indes nicht.

Auch Präsident Wladimir Putin war in der Pressekonferenz zu seinem Besuch bei Xi Jinping in China in seiner Antwort zum Stand von Kraft Sibiriens 2 wage geblieben und sprach davon, dass es mehrere Routen gebe und alle bereit seien. Explizit nannte er die Nordmeerroute und erklärte: "Experten müssen entscheiden, wie am besten vorzugehen ist."

China zieht Schiffstransporte vor

Genau das dürfte dem chinesischen Kalkül entgegenkommen. LNG-Tanker, die auf der weltumspannenden Seidenstraße unterwegs sind und bedarfsgerecht liefern können, ist in Chinas Gasimporten schon heute eine tragende Säule.

Das meiste LNG bezog China 2023 von Australien. Das liegt gewissermaßen vor der Haustür. Mit 33 Milliarden Kubikmeter im vergangenen Jahr umfassten die LNG-Importe aus Australien ein Drittel der gesamten LNG-Importe des Landes. Diese betrugen 98 Milliarden Kubikmeter. Die Importe per Pipeline umfassten im Vergleich dazu 61 Milliarden Kubikmeter Gas.

Zweitgrößter LNG-Lieferant war Katar 2023 mit einem Lieferumfang von 23 Milliarden Kubikmeter Gas. Auf dem dritten Platz folgte Russland mit einem Drittel der australischen Liefermenge. "Wieso in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah liegt", scheint ein Maßstab zu sein.

Wenn die Preise stimmen, sind weitere Transportwege dennoch akzeptabel. Das mag für russisches LNG aus dem Eismeer zutreffen. Flexibler Schiffstransport und lukrative Preise sind für China Anstoß genug, sich der Seidenstraße im Eismeer anzunehmen.

Im Rahmen von Präsident Putins Reise in China schlossen Rosatom und das chinesische Verkehrsministerium im Mai ein Abkommen, um die Nordmeerroute für den Schiffsverkehr zu entwickeln.

Für den größten LNG-Produzenten Novatek ist das nach den jüngsten Sanktionen der EU, europäische Häfen für den Umschlag von russischem LNG nach Fernost zu schließen, ein Muss. Für China sind Schiffstransporte offenbar lukrativer und risikoärmer als der Transport an Land über Pipelines.