Wie Daimler die Corona-Krise bewältigte
Ein Jahr Arbeit beim Stuttgarter Autobauer. Eine Chronik zu Pandemie und Corona-Krise (Teil 1)
Der deutschen Autoindustrie mangelt es nicht an öffentlicher Aufmerksamkeit. Die neuesten Elektro- und Hybridfahrzeuge werden auf ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Modellen von Tesla, Toyota und chinesischen Start-ups hin überprüft, die Fortschritte der nationalen Batterietechnologie werden ebenso aufwändig begleitet wie die Einweihung vollautomatisierter Fertigungsanlagen und der Stand der satelliten- und 5-G-gestützten Vernetzung des zahlungspflichtigen Gebrauchs der Ware Mobilität.
Die Frage, warum man sich dafür interessieren soll, ob und wie Konzerne deutscher Provenienz es schaffen, diese weltweite Schlüsselindustrie auch in Zukunft so zu dominieren wie gewohnt, wird – wenn sie überhaupt aufkommt – wie folgt beantwortet: Daran hänge "unser Wohlstand", durch nichts anschaulicher versinnbildlicht als durch die vielen hunderttausend Arbeitsplätze bei VW, BMW, Daimler und den großen Zulieferern.
In bemerkenswertem Kontrast dazu steht das Interesse daran, wie es an diesen Premium-Arbeitsplätzen zugeht. Eine kurze Chronik rund um den Konzern mit dem Stern auf der Haube.
Februar '20: Entlassungen zur Rettung gefährdeter Gewinne
Bilanzpressekonferenz, der Jahresgewinn ist 2019 um zwei Drittel eingebrochen. Der erst kurzzeitig amtierende oberste Chef erklärt seinen Shareholdern:
Das reicht nicht, das ist auch nicht etwas, was ich akzeptiere in der Zukunft.
Und er erklärt, wie er für Abhilfe sorgen wird:
"Ich bin Realist: Die nächsten drei Jahre werden ein Sack voll Arbeit", drückt es Källenius an einer Stelle aus. Viel Arbeit sei noch an den Kostenstrukturen zu tun. Im Personalbereich will Daimler ab 2022 jährlich 1,4 Milliarden Euro sparen. Aber Källenius drückt sich dabei um eine klare Antwort, ob nun 10 000 oder, wie jüngst in Medien spekuliert, sogar 15 000 Stellen abgebaut werden sollen. "Den Personalabbau machen wir nicht mit dem Rasenmäher, sondern intelligent."
manager magazin, 11.2.20
Klare Arbeitsteilung: Wenn es nicht so läuft wie beansprucht, hat der CEO alle Hände voll damit zu tun, seine Belegschaft dafür haftbar zu machen, dass die Gewinne wieder stimmen. Das ist den Experten vom Magazin für Manager so selbstverständlich, dass sie sich ohne eindeutige Zahlen nicht zufriedengeben.
Der Chef antwortet mit einer Klarstellung, die ihnen trotzdem sicherlich gefällt, nämlich mit der Widerlegung des gerade in Gewerkschaftskreisen beliebten Gerüchts, Massenentlassungen wären eine Folge mangelnden betriebswirtschaftlichen Einfallsreichtums. Er hat keine "plakative Zahl" zu bieten, sondern gleich eine "Vielzahl" von Maßnahmen zur Bekämpfung der Kosten, die der Lebensunterhalt der Belegschaft verursacht. Und darauf kommt es schließlich an.
März ’20: Arbeit passgenau ab- und anschalten
Corona-Pandemie, Notstand. Mitte März reagiert Daimler mit einer zweiwöchigen Blockpause an allen Standorten und findet mit dem Betriebsrat eine kostenneutrale Regelung für die ausfallende Arbeit:
Für die Zeit bis zum Ende der KW 13 müssen die Beschäftigten, sofern vorhanden, Resturlaub aus 2019, Gleitzeit bzw. kollektive/individuelle Freischicht verwenden. In der KW 14 werden die Tage mit Urlaub oder bereits genehmigten T-ZUG-Wandlungstagen belegt. [T-ZUG = "Tarifliches ZusatzGeld"] Um dies sicherzustellen, wird ermöglicht, den für die Osterferien geplanten Urlaub vorzuziehen.
Scheibenwischer Extra, März 2020
In der einen Woche benutzt der Konzern den zinslosen Vorschuss zur Verrechnung, den die Angestellten ihm in Gestalt von angehäuften Überstunden und nicht wahrgenommenen Urlaubsansprüchen gegeben haben. In der anderen Woche verfügt Daimler vorgezogene Osterferien; die finanzieren die Beschäftigten entweder aus ihrem Urlaubskonto oder indem sie die Option ziehen, das in der letzten Tarifrunde vereinbarte tarifliche Zusatzgeld – ganz gemäß dem damaligen Motto "Arbeitszeiten, die zum Leben passen" – in freie Tage umzuwandeln.
Zur selben Zeit kümmert sich die IG Metall turnusgemäß erneut darum, was die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie vom Ableisten der verlangten Dienste haben. 2020, im Zeichen der "Transformation" der Branche, hat sie mit einem "Moratorium für einen fairen Wandel" dokumentiert, dass "Arbeitsplatzsicherheit" sich nicht mit Lohnforderungen der Arbeitnehmerseite verträgt. Als dann auch noch "Corona" die Bilanzen verhagelt, übernimmt die Gewerkschaft "Verantwortung in schwieriger Zeit", um mit dem Tarifpartner "gemeinsam die Krise zu meistern" (Zitzelsberger).
Die "solidarische Lösung", die den "Beschäftigten Sicherheit" (Hofmann) verschafft, besteht darin, den Betrieben die Sicherheit zu verschaffen, weiter mit den gewohnten Tarifen zu kalkulieren, den Beschäftigten also die Gewissheit von realen Lohnverlusten. In einem historisch einmaligen Schritt bricht die Gewerkschaft die Tarifrunde ab und vertagt sie um ein Jahr.
Und weil zu dem Zeitpunkt auch schon sicher ist, dass die Unternehmen sich über das Einsparen von Lohnzahlungen weitere Sicherheit verschaffen werden, kümmert sich die IG Metall außerdem um die "Angst vor massiven Einkommensverlusten durch Kurzarbeit", indem sie erreicht, dass die Arbeitgeber diese von ihnen verfügten Einkommensverluste etwas abfedern.
So kommt es auch bei Daimler. Angesichts des akut einbrechenden Autoabsatzes kann der Konzern viel weniger mit der Arbeit seiner knapp 300.000 Angestellten anfangen. Gleichzeitig besteht er auf ihrer jederzeitigen Verfügbarkeit für das flexible Wieder-Hochfahren der Produktion, sagt deswegen bis Ende Juli in wechselndem Umfang und in allen Varianten großen Teilen der Belegschaft Kurzarbeit an.
Der Konzern trennt so mithilfe dieses gesetzlichen Instruments sein fortbestehendes Kommando über die Arbeit von den üblicherweise dafür nötigen Kosten. Für die Arbeitnehmer bedeutet der gesunkene Arbeitsbedarf des Unternehmens, dass sie ihr Auskommen mit einem geschrumpften Einkommen zu finanzieren haben. Als vermögenswirksamer Eingriff in den Arbeitsvertrag unterliegt das natürlich der Zustimmungspflicht des Betriebsrats, aber die ist – Stichwort Entlassungen verhindern – bloße Formsache.
Alle Hände voll hat die Vertretung der Mitarbeiter dann damit zu tun, denen zu erklären, worauf sie sich mit der angesagten Kurzarbeit im Einzelnen einzustellen haben – vom Entgelt, das mittels Online-Rechner und aufwändiger Arbeitszeiterfassung erst einmal ermittelt sein will, über den Krankheitsfall und die Altersvorsorge bis hin zum Urlaubsanspruch.
April ’20: "Arbeitszeiten, die zum Leben passen", zum Zweiten
Die schlechte Nachricht von Kurzarbeit und Verdienstausfall hat auch ihr Gutes:
Durch das Herunterfahren des Betriebs und die anschließende Kurzarbeit konnten in den letzten Wochen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen entlastet werden, die zu Hause ihre Kinder betreuen müssen.
Scheibenwischer Extra, April 2020
Und noch eine gute Nachricht vom Betriebsrat: Er kümmert sich im Anschluss um das Problem, "dass Kitas noch über einen längeren Zeitraum geschlossen bleiben und Schulklassen den Unterricht nur schrittweise wieder aufnehmen werden" (ebd.). Es trifft sich nämlich, dass es für die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie bereits ein Pflaster gibt:
Wir haben uns deshalb für eine Erweiterung der T-ZUG-Regelung eingesetzt, um Beschäftigten mit Kindern mehr Flexibilität zu bieten.
Scheibenwischer Extra, April 2020
Und tatsächlich geht für Eltern von Kindern unter zwölf Jahren – kurzfristig, unbürokratisch, "auch für TEILZEITBESCHÄFTIGTE" – einiges, sofern - "selbstverständlich weiterhin in Abstimmung mit eurer Führungskraft" – der Betrieb gerade nicht so viel Arbeit abrufen will.
Wenn die freien Tage nicht schon zur Abdeckung der Blockpause draufgegangen sind, ist die "Arbeitszeitsouveränität", die die Umwandlungsoption des "T-ZUG" den Beschäftigten verschafft, jetzt zur souveränen Bewältigung der Drangsale gut, die "Corona" aufruft, weil das Familienleben sowieso schon immer zentimetergenau in den Arbeitstag eingepasst ist.
Loswerden, ohne zu entlassen – von der Hoheit über den Arbeitsvertrag
Parallel verläuft der Personalabbau zunächst wie versprochen geräuschloser als ein "Rasenmäher". Die Nicht-Besetzung der dank "Fluktuation" frei werdenden Stellen regt höchstens einmal einzelne Arbeitnehmervertreter unter dem Gesichtspunkt der "schleichenden" Verdichtung der Arbeit für den Rest der Mannschaft auf. Leiharbeiter und Ferienhilfskräfte sind als fester Bestandteil der benutzten Mannschaft nicht fest angestellt, werden also auch nicht wirklich entlassen, wenn sie nicht weiter in Dienst genommen werden.
Und die Entlassungen, die dann doch die engere Betriebsfamilie treffen, geschehen "auf freiwilliger Basis", zeugen insofern von der sozialen Verantwortung des Sozialpartners. Als aber im April ein von der oberen Unternehmensetage festgelegter "Leitfaden zum Stellenabbau" ungewollt öffentlich wird, gerät diese ansonsten unauffällige Abteilung Personalpolitik kurzzeitig in die Schlagzeilen. Ungeachtet der namensgebenden Funktion der "Ausscheidungsgespräche" wird die akribisch geplante Ausübung von "Druck" auf die Auszustellenden als Mini-Skandal aufbereitet:
Die Atmosphäre soll ruhig und sachlich bleiben, länger als 15 bis 30 Minuten soll das Gespräch möglichst nicht dauern... Ganz oben auf der Liste steht dabei, die Notwendigkeit des Stellenabbaus zu thematisieren. "Die Situation ist im gesamten Unternehmen sehr kritisch", ist einer der Leitsätze. Die Corona-Krise treffe Daimler in einer Phase, "in der wir ohnehin vor wirtschaftlichen Herausforderungen stehen", schreibt etwa CEO Ola Källenius im Grußwort für die Vorbereitungsseminare.
Damit soll auch verhindert werden, dass sich Aussortierte auf andere Stellen im Unternehmen bewerben ... "Bevor über die Trennung entschieden wurde, haben wir Möglichkeiten, Sie weiter zu beschäftigen, überprüft. Leider ist die Situation im gesamten Unternehmen derzeit sehr kritisch." Wichtig sei, so heißt es im Leitfaden, dass die Manager auf Smalltalk verzichten und die schlechte Nachricht in den ersten drei Sätzen aussprechen und dabei klare Worte wählen wie "beenden" oder "trennen"...
Sagt der Mitarbeiter im Trennungsgespräch, dass seine Existenz bedroht ist, soll die Führungskraft antworten: "Deshalb möchten wir Sie mit der Abfindungszahlung für eine Übergangszeit absichern und Sie in der Suche nach einer neuen Aufgabe unterstützen." Der Leitfaden rät den Führungskräften auch, eine "individuelle" wohlüberlegte Begründung parat zu haben; das sei "ein Schlüsselfaktor für den Gesprächserfolg". Mögliche Begründungen könnten sein, dass die Kompetenzen des Mitarbeiters "nicht den Anforderungen der Zukunft" entsprechen. Auch "Low Performance" sei als Argument erlaubt, aber "nur wenn dokumentiert"!
Theoretisch kann sich ein Mitarbeiter auch weigern, eine Trennung zu unterzeichnen. Für diesen Fall hat der Leitfaden versteckte Drohungen vorbereitet. Es könne sich "dann alles für dich ändern. Dann musst du in Zukunft sehen, wie du mit dieser Unsicherheit im beruflichen Umfeld umgehen kannst." Konkrete Beispiele für diese Veränderungen gibt es nicht. In früheren Entlassungswellen wurden bockige Mitarbeiter oft in Einzelbüros gesetzt und bekamen keine Aufgaben mehr. Viele mussten sich ihr Recht auf Arbeit vor Gericht erstreiten.
finanzen100.de, 30.4.20
Auch ohne solche Leaks ist jedem irgendwie klar, wie es kommt, dass sich selbst noch das Herausschmeißen von Leuten als einvernehmlicher Vertrag regeln lässt: Wo schon Gerüchte über eine kritische Situation des Unternehmens für den besorgten kurzen Schluss auf die eigene Lage hinreichen, ist mit der offiziellen Verkündung von "wirtschaftlichen Herausforderungen" Sicherheit gestiftet, auf wessen Kosten die bewältigt werden.
Und schon die Einladung zum "Ausscheidungsgespräch" lässt beim Eingeladenen keinen Zweifel über seine ganz persönliche Zukunft aufkommen. Überhaupt kein Wunder also, dass die werten Mitarbeiter für kunstvoll aufbereitete Abfindungsangebote zugänglich sind:
Ältere Mitarbeiter, die ein Angebot zur Frühpensionierung oder Altersteilzeit annehmen, bekommen 25 000 Euro extra. Jüngere werden belohnt, je schneller sie unterschreiben.
finanzen100.de, 30.4.20
Auch dass das Unternehmen im Ablehnungsfall seine Hoheit über die Arbeitsbedingungen in strafender Absicht wahrnehmen kann, dürfte nicht unbekannt sein. Aber die herrschende Sittlichkeit in der deutschen Arbeitswelt diktiert eben, dass ein Mafia-Ton sich nicht gehört; der Schein eines respektvollen Diskurses auf Augenhöhe ist gefordert, wenn Angebote gemacht werden, die nicht ausgeschlagen werden können.
Juli ’20: Maßloses Leiden an der Sozialpartnerschaft …
Corona schafft für alle Betriebe im Südwesten Probleme eigener Art. Nicht so sehr das Home-Office an sich - ob die feststehenden Aufgaben zu Hause oder im Büro erledigt werden, spielt in erfreulich vielen Fällen keine Rolle; und die geforderte Arbeit mit den sonstigen häuslichen Notwendigkeiten in Einklang zu bringen ist Sache der Mitarbeiter.
Auch nicht so sehr in der Produktion, in der physische Anwesenheit unabdingbar ist – wenn die Arbeitsabläufe hygienebedingt entzerrt werden müssen, wird das feststehende Arbeitsvolumen eben breiter auf die 24 Stunden des Tages verteilt. Ein Problem wird das alles, wenn dadurch gesetzliche Schutzregeln ihre Schutzfunktion zu entfalten oder auch nur zusätzliche Kosten zu verursachen drohen. Abhilfe schafft im Juli ein maßgeschneidertes "Corona-Tarifpaket":
Um den Betrieben, die unverschuldet in diese Corona-Krise geraten sind, Hilfestellungen zu geben, haben Südwestmetall und die IG Metall Baden-Württemberg jüngst ein Tarifpaket geschnürt... Im Kern wurde beschlossen, dass die Betriebsparteien in Absprache mit den Tarifvertragsparteien die Auszahlung des Urlaubsgelds um bis zu zwei Monate auf Ende August verschieben konnten, um finanziell klammen Unternehmen aus der Liquiditätslücke zu helfen... Zweitens kann für Arbeitnehmer, die wegen prekärer Schul- und Kitabetreuung ihrer Kinder im Home-Office arbeiten und ihre Arbeitszeit unterteilen müssen, die nächtliche Mindestruhephase auf neun Stunden verkürzt werden. Bislang schreibt das Arbeitszeitgesetz mindestens elf Stunden vor...
Drittens können die Betriebsparteien die Spät- oder Nachtarbeitszuschläge begrenzen, wenn sich wegen der Pandemie und zum Schutz der Mitarbeiter die Arbeitsorganisation ändert. Das gilt speziell dann, wenn eine Schicht entzerrt wird und damit zum Teil in ein zuschlagspflichtiges Zeitfenster gerät. Das gesamte Tarifpaket tritt rückwirkend zum 1. Juni in Kraft und ist bis Ende 2020 befristet.
Stuttgarter Zeitung, 11.7.20
Das Urlaubsgeld der Beschäftigten als Liquiditätshilfe für notleidende Unternehmen ist zwar eine wegweisende Idee, für die Arbeitgeber aber viel zu wenig:
Unterm Strich zeigen sich die Arbeitgeber ungehalten über die geringe Bereitschaft der IG Metall, mehr für die unter der Corona-Krise leidenden Unternehmen zu tun... Nicht durchgesetzt hätten die Arbeitgeber insbesondere ihre Forderung nach einer automatischen Differenzierung, wonach einem Betrieb, der sich wegen Corona in wirtschaftlichen Nöten und in Kurzarbeit befindet, Erleichterungen zustehen.
Stuttgarter Zeitung, 11.7.20
Und das ist nicht bloß misslich, sondern ein Symptom für einen Missstand grundsätzlicher Art:
"Wir haben das nicht erreicht, weil die Arbeitgeber wie so oft keine Druckmittel als Flächentarifvertragspartner in der Hand haben", betont Dick. Die IG Metall habe erneut nach dem Motto agiert: Einschnitte für die Beschäftigten dürfe es allenfalls auf einzelbetrieblicher Ebene und gegen Beschäftigungssicherung geben - aber nicht auf der Ebene des Flächentarifvertrags. Dahinter steckt, dass viele Unternehmen mühsame Verhandlungen mit dem Betriebsrat scheuen... "Wenn wir feststellen: Wir können nur in Zeiten, in denen es aufwärtsgeht, halbwegs gut miteinander verhandeln, aber wenn es ernst wird, nicht mehr - dann wäre dies keine solide Basis."
Der IG Metall müsse klar sein: "Wenn sie es jetzt nicht zulässt, dass in Betrieben Personalabbau und Einschnitte für die verbleibenden Beschäftigten gleichzeitig vereinbart werden, riskiert sie ganz bewusst, dass noch mehr Stellen verloren gehen". Die Gewerkschaft führe die Sozialpartnerschaft "auf einen Grat, der bald so schmal ist, dass uns der Absturz droht".
Stuttgarter Zeitung, 11.7.20
Ein starkes Stück, diesmal ganz ohne argumentativen Leitfaden. Erst werden die Gewerkschaften als Erfüllungsgehilfen der einseitigen Diktate des Unternehmens in die Pflicht genommen. Wo die Gewerkschaft der Aufforderung zur Unterwerfung nicht hundertprozentig nachkommt, beklagt Gesamtmetall die Ohnmacht der Konzerne, in der ihnen nur noch die Macht über die Arbeitsplätze bleibt.
Die subtile Erinnerung daran, dass Deutschlands Edelunternehmen auch ganz anders könnten, macht jedenfalls deutlich, wem der Absturz droht, wenn "uns" der Absturz droht. Da schlägt der Verbandschef eine Rückbesinnung auf die Vernunft vor, also die Einsicht, dass der Doppelpack aus Personalabbau und Verbilligung der Arbeit letztlich für die Arbeiter da ist.
Teil 2 erscheint am Samstag: Wie die „mühsamen Verhandlungen“ mit dem Betriebsrat bei Daimler laufen
Peter Decker ist Redakteur der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt, in dessen aktueller Ausgabe dieser Artikel ebenfalls erschienen ist. Weitere Themen unter https://de.gegenstandpunkt.com