Wie Reiche fünf Billionen US-Dollar hinterziehen können

Bild: Mackenzie Marco / Unsplash Licence

Alarmierende Studie des Tax Justice Network. Steuerbetrug von Wohlhabenden und Konzernen ungebremst. Dabei wäre es einfach, das zu ändern.

Weltweit könnten Staaten in den nächsten zehn Jahren fast fünf Billionen US-Dollar Steuereinnahmen verlieren, weil multinationale Unternehmen und wohlhabende Einzelpersonen Steueroasen nutzen, um Abgaben zu vermeiden. Zu diesem Ergebnis kommt die in London ansässige Organisation Tax Justice Network in einer neuen Studie.

Die künftigen Verluste an öffentlichen Geldern entsprechen den weltweiten Ausgaben für das Gesundheitswesen eines Jahres. Die Organisation fordert daher Regierungen weltweit auf, bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen in diesem Winter für die Aufnahme von Verhandlungen über eine UN-Steuerkonvention zu stimmen, um diese astronomischen Verluste abzuwenden.

Die Länder müssen Ende des Jahres bei der UN eine Entscheidung treffen. Entweder verspielen sie unsere Zukunft, indem sie so weitermachen wie bisher, oder sie demokratisieren die globalen Steuerregeln, damit wir die öffentlichen Gelder behalten können, die wir für die vor uns liegenden Herausforderungen brauchen,

… sagte Alex Cobham, Geschäftsführer des Tax Justice Network.

Der Bericht zeigt, dass den Ländern weltweit jedes Jahr 472 Milliarden US-Dollar durch globale Steuerhinterziehung verloren gehen. Von diesem jährlichen Verlust gingen 301 Milliarden US-Dollar auf das Konto multinationaler Unternehmen, die ihre Gewinne in Steueroasen verlagern, und 171 Milliarden US-Dollar auf das Konto wohlhabender Privatpersonen, die ihr Vermögen im Ausland verstecken.

Der Verlust in Höhe von insgesamt fünf Billionen US-Dollar in den nächsten zehn Jahren liegt deutlich über den Einbußen durch die globale Rezession im Zuge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2007 bis 2009. Damals schrumpfte die Weltwirtschaft um zwei Billionen US-Dollar.

Die Prognosen zu den steuerlichen Verlusten beziehen die Anstrengungen der OECD, also der Gruppe der reichen Industriestaaten, seit 2013 mit ein, die internationale Steuerarchitektur zu reformieren. Doch die Maßnahmen, so das Tax Justice Network, hätten bisher keinen Effekt auf die steuerlichen Einbußen der Länder gehabt. Zudem wird ein neuer OECD-Vorschlag von verschiedenen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) als wirkungslos eingeschätzt.

Laut dem Tax Justice Network ist das Scheitern des OECD-Prozesses zur Eindämmung des globalen Steuermissbrauchs zu einem großen Teil auf die Unfähigkeit des Gremiums zurückzuführen, lediglich Maßnahmen vorzuschlagen, die von den Mitgliedsländern, in denen die meisten multinationalen Unternehmen ihren Sitz haben, bis zur kompletten Wirkungslosigkeit verwässert werden können.

Regulierungen wie Informationsaustausch und steuerliche Vereinheitlichungen seien von den OECD-Mitgliedern, die gleichzeitig zu den größten Steueroasen der Welt gehören, zu Papiertigern verwandelt worden.

Wenn selbst Millionäre mehr Steuern verlangen

Um die astronomischen Steuerausfälle in den nächsten zehn Jahren zu verhindern und die dadurch erzielten Gelder nutzen zu können, um unter anderem die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, fordert das Tax Justice Network die Staaten auf, sich dafür einzusetzen, die Organisation der globalen Steuerpolitik von der OECD zu den Vereinten Nationen zu verlagern.

Dort ließe sich aufgrund der weltweiten Mitgliedschaft, der Unabhängigkeit und Expertise mehr erreichen, um wirksame Steuerpolitik umzusetzen, als beim Club der Industriestaaten. In Afrika, Lateinamerika und der Karibik wird dieser Schritt unterstützt. Auch vom Europaparlament wird ein Wechsel der globalen Steuerkompetenz zur UN begrüßt.

Zugleich intervenieren die OECD und der IWF immer wieder, um progressive Steuererhebungen in einzelnen Ländern wie Australien oder Sri Lanka zu verhindern. Die renommierten Ökonomen Joseph Stiglitz, Jayati Ghosh, Gabriel Zucman und andere Kommissionsmitglieder der "Independent Commission for the Reform of International Corporate Taxation" (Icrict) veröffentlichten einen offenen Brief, in dem sie das Vorgehen des IWF als "alarmierend" und "inakzeptabel" verurteilten.

Laut einer zu Beginn dieses Jahres veröffentlichten Studie von Oxfam International hat das obere eine Prozent der Weltbevölkerung 26 Billionen US-Dollar von den 42 Billionen an Vermögenswerten, die seit 2020 geschaffen wurden, für sich beansprucht – fast doppelt so viel wie der Anteil, den die restlichen 99 Prozent erhielten.

Eine andere Untersuchung ergab, dass der Reichtum der Milliardäre in den letzten zehn Jahren um 99,6 Prozent, rund 5,9 Billionen Dollar, gestiegen ist.

Die Autoren der Studie verweisen zugleich darauf, dass eine jährliche progressive Vermögenssteuer große Summen einbringen würde. Allein eine Steuer von zwei Prozent für diejenigen, die ein Nettovermögen von fünf Millionen US-Dollar oder mehr haben, drei Prozent für die, die mindestens 50 Millionen US-Dollar besitzen und fünf Prozent für die Gruppe der Milliardäre, würde 1,7 Billionen US-Dollar an Einnahmen generieren. Damit könnten globale Initiativen zur Armutsbekämpfung, zum Klimaschutz und zum Gesundheitswesen finanziert werden.

Zudem forderte eine Gruppe von über 200 Millionären aus 13 Ländern in einem Brief von den politischen Entscheidern, die sich im Januar dieses Jahres in Davos beim Weltwirtschaftsforum versammelten, die Reichen, zu denen die Unterzeichner:innen selbst zählen, endlich ernsthaft zu besteuern. So könne man die sprunghaft ansteigende Ungleichheit in den Griff bekommen. Die extreme Konzentration von Vermögen an der Spitze der Gesellschaft sei "untragbar".

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