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Wie Russland auf Macrons Forderung nach westlichen Bodentruppen reagiert

Der Kreml in Moskau. Bild: Pavel Kazachkov / CC BY 2.0 Deed

Unvermeidbar sei dann ein Zusammenstoßen von Nato mit russischem Militär. Trotz Besorgnis gibt man sich in Moskau auch entspannt. Warum das so ist.

Es konnte erwartet werden, dass die Reaktionen aus der russischen Politik auf Macrons Vorstoß hart ausfallen würden. Kremlsprecher Peskow stellte fest, dass im Falle des Einsatzes westlicher Bodentruppen ein militärischer Zusammenstoß zwischen Russland und der Nato vorprogrammiert sei.

In diesem Fall sollten wir nicht über Wahrscheinlichkeiten, sondern eine Unvermeidbarkeit sprechen

Die Diskussion über eine solche Möglichkeit sei ein wichtiges neues Element, aber darüber herrsche ja in den westlichen Hauptstädten kein Konsens, sondern eher eine "breite Meinungsvielfalt".

Berichterstattung über Macron ist breit gefächert

Tatsächlich wurde in den russischen Medien umfangreich nicht nur über Macrons Vorstoß, sondern auch über die Ablehnung jedes westlichen Bodeneinsatzes durch Bundeskanzler Scholz oder auch den slowakischen Präsidenten Fico nach den Äußerungen des französischen Präsidenten berichtet. Mehrere andere Akteure des politischen Establishments in Moskau sekundierten Peskow mit emotionalen Statements.

Beliebt sind hierbei historische Rückgriffe, wie sie jetzt ja auch Putin selbst in Form entsprechender Referate auf Fragen zum aktuellen Kriegsgeschehen einflechtet. So in einem scharfen Kommentar [1] bei der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Dort wird an die Niederlage der Napoleonischen Truppen auf dem Weg nach Moskau und die französische Kapitulation vor Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg erinnert.

Experte: "Versuchsballon von Macron"

Wesentlich entspannter als Politiker und Journalisten wirken russische Fachleute für internationale Politik oder Militärstrategie, wenn sie zur Bedeutung von Macrons Aussage befragt werden. So glaubt der Waldajclub-Experte Alexej Tschichatschew von der Staatlichen Universität St. Petersburg im Onlinemagazin Lenta [2], dass der französische Präsident mit seiner Bemerkung vor allem auf Kritik an bisher eher geringen französischen Lieferungen von Militärmaterial an die Ukraine reagiert.

Während es sich hier um einen Versuchsballon handelt, den Macron startet, verwendet er auch sonst durchaus unterschiedliche Formulierungen, denen dann nichts weiter folgt.

Frankreich wolle mit Macrons Statement nur eine Führungsrolle für sich reklamieren und austesten, wie seine Idee bei anderen Staaten ankommt. Daraus folge mit einer weiteren Eskalation jedoch nichts Gutes.

Wenn wir konkret über Kampfeinheiten mit Europäern an der Front sprechen<, dann ist das natürlich bereits ein kritisches Szenario und für die Entwicklung der Ereignisse eine echte Eskalation.

Auch Tschichatschews Kollege Alexej Podberjoskin von der Russischen Akademie für Wissenschaften hält Macrons Vorstoß beim Medienportal Gazeta.ru [3] für "Propaganda", da Frankreich gar nicht über ein großes Reservoir an Bodentruppen verfüge. Er halte den Vorstoß Macrons für eine Folge der aktuell schlechten militärischen Lage der Ukraine an der Front.

Ständige Eskalationsgefahr oder Status quo

Für Sieg oder Niederlage im Krieg hält die russische Expertenwelt andere Faktoren für wichtiger als die Frage, ob Frankreich, das sich bisher bei Waffenlieferungen an Kiew vergleichsweise zurückgehalten hat, nun selbst zu Hilfe eilt.

Aufsehen erregt hat hierbei wegen ihrer Ehrlichkeit in Bezug auf bisherige strategische Fehler Moskaus die Analyse des Militärexperten Ruslan Puchow [4], Direktor des Zentrums für die Analyse von Strategien und Technologien in der Fachzeitschrift Russia in Foreign Affaires.

Er prognostiziert unabhängig von den aktuellen regionalen militärischen Erfolgen der Russen einen weiter langen und harten Kriegsverlauf, wenn Russland seine Anstrengungen um eine Modernisierung seiner Kriegführung und auch der Mobilisierung von Soldaten nicht verstärke. "Es ist unwahrscheinlich, dass Russland mit billigen und nur die Not lindernden Lösungen auskommen wird" schreibt er.

Der Westen wiederum habe laut Puchow die Wahl auf einen weiteren "Krieg gegen Putin" mit unklaren Aussichten und ständiger Eskalationsgefahr oder einem Waffenstillstand nach koreanischem Vorbild, mit dem der Status quo zementiert wird. Wie nicht nur Macrons Provokation zeigt, setzt man in Brüssel, Paris oder Berlin weiter auf die erste Variante.


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https://www.heise.de/-9641648

Links in diesem Artikel:
[1] https://ria.ru/20240227/makron-1929757064.html
[2] https://m.lenta.ru/news/2024/02/27/na-zapade-obsudili-vozmozhnost-otpravit-svoi-voyska-na-ukrainu/
[3] https://m.gazeta.ru/politics/news/2024/02/27/22429885.shtml
[4] https://globalaffairs.ru/articles/ot-speczialnoj-k-voennoj/