Wie Russland die Weltwirtschaft zu ändern versucht

Seite 2: Isolation Russlands: "Unmöglich, in der modernen Welt völlig unrealistisch"

Während die reichen Länder erfolgreich viele Privilegien für ihre eigenen Industrien aushandelten, blieb einem Großteil des globalen Südens keine andere Wahl, als sich an die Regeln des Westens zu halten. Die Amerikaner sprachen von freiem Handel und offenen Märkten, behielten aber gleichzeitig eine protektionistische Agenda in Bezug auf die ihrer Meinung nach wichtigsten Industrien bei. Die Globalisierung wurde als Erfolgsgeschichte für Freiheit und Demokratie verkauft, obwohl es sich im Grunde um eine billige Kopie der französischen Wirtschaftsdoktrin des "Laissez-Faire" vom 18. Jahrhundert handelt.

Es ist leicht, die armen Länder dafür zu kritisieren, dass sie die Vorherrschaft der USA und des Westens nicht herausfordern. Tatsächlich haben sie es versucht, und das Ergebnis waren Wirtschaftssanktionen, Regimewechsel und Krieg. Der einzige Silberstreif am Horizont ist, dass diese räuberische Form des Kapitalismus kleine Länder im globalen Süden ermutigt hat, ihre eigenen Wirtschaftsblöcke zu stärken, damit sie mit größerem Einfluss verhandeln können. Doch selbst das reichte nicht aus, um das unfaire globale Spielfeld zu verändern, geschweige denn, eine neues zu entwickeln.

Große Volkswirtschaften wie China durften von der Globalisierung profitieren, solange ihr starkes Wachstum den Interessen der Weltwirtschaft, insbesondere des Westens, diente. Die Dinge begannen sich jedoch zu ändern, als Chinas politischer und geopolitischer Einfluss begann, seinem wirtschaftlichen zu entsprechen.

Der ehemalige republikanische US-Präsident Donald Trump widmete der sogenannten "chinesischen Bedrohung" in vielen seiner Reden große Aufmerksamkeit und erklärte China schließlich den Wirtschaftskrieg. Die derzeitige Regierung der Demokraten unter Joe Biden ist kaum anders. Obwohl sie damit beschäftigt ist, Russlands militärische Operationen in der Ukraine zu bekämpfen, hält Washington an seiner antichinesischen Rhetorik fest.

Das Marrakesch-Abkommen von 1994, auf dessen Grundlage die WTO gegründet wurde, wurde beschlossen, um das geopolitisch überholte Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) von 1948 zu ersetzen. Man beachte, dass jedes dieser globalen Wirtschaftsabkommen das Ergebnis der geopolitischen Ordnung ist, letzteres nach dem Zweiten Weltkrieg und ersteres nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers.

Obwohl sich Russland und seine Verbündeten jetzt vor allem darauf konzentrieren, eine Art Sieg in der Ukraine zu erringen, ist es ihr eigentliches Ziel, die Saat für ein anderes wirtschaftliches Gleichgewicht zu bereiten, in der Hoffnung, dass das letztlich eine Neuverhandlung der heutigen Globalisierung und damit der wirtschaftlichen Hegemonie des Westens erzwingen wird.

Russland investiert eindeutig in ein neues globales Wirtschaftssystem, ohne sich dabei jedoch isolieren zu wollen. Auf der anderen Seite ist der Westen hin- und hergerissen. Er möchte für Russland den Eisernen Vorhang aus der Vergangenheit erneut fallen lassen, ohne dabei jedoch seine eigene Wirtschaft zu schädigen. Diese Gleichung ist einfach unlösbar, zumindest für die nächsten Jahre.

In einer Rede auf dem Eurasischen Wirtschaftsforum sagte der russische Präsident Wladimir Putin, der Versuch, Russland zu isolieren, sei "unmöglich, in der modernen Welt völlig unrealistisch". Seine Worte unterstreichen, dass sich Russland der Ziele des Westens voll bewusst ist, und Lawrows rege Reisetätigkeit, insbesondere im globalen Süden, ist Moskaus Versuch, ein alternatives globales Wirtschaftssystem zum Leben zu erwecken, in dem Russland nicht isoliert ist. Das Ergebnis all dieser Bemühungen wird nicht nur die Welt aus geopolitischer Sicht neu definieren, sondern auch das Konzept der Globalisierung für die kommenden Generationen neu bestimmen.

Der Kommentar erschien zuerst auf der US-amerikanischen Plattform Znet. Übersetzung: David Goeßmann.

Dr. Ramzy Baroud ist Journalist und Herausgeber der Palästina-Chronik. Er ist der Autor von sechs Büchern. Sein neuestes Buch, das er gemeinsam mit Ilan Pappé herausgegeben hat, ist "Our Vision for Liberation: Engagierte palästinensische Führungspersönlichkeiten und Intellektuelle kommen zu Wort". Baroud ist ein Non-Resident Senior Research Fellow am Zentrum für Islam und Globale Angelegenheiten (CIGA). Seine Website ist: www.ramzybaroud.net.