Wie Russland durch LNG-Sanktionen navigiert
Russland umschifft westliche LNG-Sanktionen über Dubais Freihandelszone. Novatek will trotz Rückschlägen noch 2023 aus Arctic LNG 2 liefern. Ob das gelingt?
Um den verzögerten ersten Transport vom zweiten großen LNG-Projekt Arctic LNG 2 doch noch in diesem Jahr durchzuführen, hat Novatek offenbar Abhilfe in Dubai gefunden. Zugleich ist eine chinesische Firma wegen strategischer Unwägbarkeiten von Bord gegangen.
Anzeichen für Schattenflotte weisen nach Dubai
Drei fertige LNG-Tanker des Typs Arc7 hängen wegen Sanktionen in Südkorea fest. Auch die heimische Swesda-Werft sollte längst solche Tanker ausliefern. Wie Bloomberg jetzt berichtete, baut Russland wie seinerzeit bei Öltankern offenbar eine Schattenflotte von Schiffen auf, die russisches Flüssiggas (LNG) transportieren sollen.
Aus Daten der Schifffahrtsdatenbank Equasis gehe hervor, dass wenig bekannte Reedereien, die von Dubais Freihandelszone aus operieren, in den vergangenen drei Monaten mindestens acht Schiffe übernommen hätten. Vier von ihnen hätten von russischen Behörden bereits die Genehmigung erhalten, diesen Sommer die arktische Route durch Russland zu befahren.
Moskau habe für die arktische Nordmeerroute, offenbar eine Rekordzahl an Genehmigungen erteilt. Für einige der Tanker mit neuem Eigentümer gibt es laut Bloomberg keine börsennotierten Versicherer. Dies sei ein weiteres Indiz dafür, dass ein Schiff nun Teil einer Schattenflotte sei.
"Es gibt mehrere Anzeichen dafür, dass Russland versucht, eine Schattenflotte für LNG aufzubauen", bestätigte dazu Malte Humpert, Gründer der Washingtoner Denkfabrik Arctic Institute.
Novatek sucht Lösung
Am 21. Juni legte der Arc7-Eistanker Eduard Toll von Sabetta Richtung Osten ab. Er ist Teil der Transportflotte, die Novatek zum LNG-Abtransport von seinem Werk Yamal LNG auf der nordsibirischen Halbinsel Yamal einsetzt. Damit lotet Novatek die Sommerschifffahrt entlang der Nord-Ost-Passage aus und will damit den Weg ebnen, um endlich mit Lieferungen aus seinem zweiten Großprojekt Arctic LNG-2-Projekt auf gegenüberliegenden Halbinsel Gydan loszulegen.
Eine erste Lieferung von Arctic LNG 2 war bereits für das erste Quartal 2024 vorgesehen. Da US-Sanktionen dies verhinderten, sprach Vizepremier Alexander Nowak Ende März davon, dass sich Novatek nach Alternativen umschaue.
Wir haben unsere Schiffbauindustrie, wir haben befreundete Länder, und wir werden diese Pläne und Ziele umsetzen, um Wachstum sicherzustellen.
Alexander Nowak
Der Frachtumschlag über die Nordmeerroute soll in diesem Jahr etwa 40 Millionen Tonnen betragen, worin Transporte vom Arctic LNG-2-Projekt berücksichtigt seien.
Europa zieht Sanktionsschlinge fester an
Die Bedeutung der Nord-Ost-Passage nimmt nach den jüngsten Sanktionen der EU weiter zu. Am 24. Juni verabschiedete der Europäische Rat das nunmehr 14. Sanktionspaket. Dieses beinhaltet ein Reexportverbot von russischem LNG über europäische Häfen in Drittländer, das die Europäische Kommission überwachen und bei Bedarf mildernde Maßnahmen vorschlagen soll.
Alexandra Prokopenko, Beraterin bei der russischen Zentralbank bis April 2022, brachte im Interview mit n-tv am 24. Juni auf den Punkt.
Das 14. Sanktionspaket ist für sich genommen keine Wunderwaffe. Aber es zieht die Schlinge zweifellos enger, vor allem im Hinblick auf das Gasunternehmen Novatek, den einzigen Lieferanten von russischem Flüssiggas. Das Unternehmen muss jetzt über neue Transportrouten für sein LNG nachdenken und das gesamte Geschäftsmodell überdenken.
Wie Russland die Schlinge abstreifen will
Die europäischen Regierungschefs haben Sanktionen verhängt, die Russland das Ausloten von Alternativen schwer machen und Novatek zugleich an seinen Absatzmarkt Europa binden sollen. Um aus dieser Zwangslage herauszukommen, kommen die Eistanker aus Dubai wie gerufen. Novatek bleibt damit am Ball, um den Weg nach Osten schiffbar zu machen. Zu viel steht auf dem Spiel.
Die zweite Produktionslinie für Arctic LNG 2 soll Medien zufolge Ende Juli aus dem Trockendock von Belokamenka bei Murmansk kommen und die Reise nach Gydan antreten.
Aus der Reihe scherte jetzt das chinesische Unternehmen Wison New Energies, das Module für die Verflüssigungsline von Arctic LNG 2 baute und auslieferte. "Der Vorstand von Wison New Energies hat beschlossen, alle laufenden Projekte in der Russischen Föderation zu beenden und die Beteiligung an neuen Projekten sofort und auf unbestimmte Zeit einzustellen", zitierten russische Medien aus einer Mitteilung des Unternehmens.
So ist weiter offen, ob es Novatek ganz im Sinn von Präsident Wladimir Putin gelingt, Russland durch die Sanktionen zu navigieren.