Wie Ungeimpfte in eine Parallelgesellschaft gelockt und getrieben werden

Wer ungeimpft ist und deshalb gesellschaftliche Ablehnung erfährt, wird zurzeit mächtig von aktiven Impfgegnern umworben. Symbolbild: Dirk Wouters auf Pixabay (Public Domain)

Ein Portal fungiert als Jobbörse für Ungeimpfte. Die Betreiber könnten damit Unternehmen und Beschäftigten rechtliche Probleme einhandeln, wollen aber selbst anonym bleiben

Nach zwei Jahren Pandemie geht ein Riss durch die Gesellschaft. Der staatliche und auch der gesellschaftliche Druck auf Impfskeptiker und Zögerer bewirkt bei vielen nicht das, was die Bundesregierung damit beabsichtigt hatte: nämlich, sie zur Impfung bewegen. Einiges deutet eher darauf hin, dass sich viele vom Rest der Gesellschaft abzukapseln versuchen.

Ein Indiz dafür ist, dass in den letzten Monaten Internetseiten an den Start gingen, deren Dienstleistungen sich nur an Ungeimpfte wenden. Ob Partnervermittlung, Reisebüro oder eine Übersicht mit Geschäften, in denen man scheinbar weder 2G noch 3G einzuhalten braucht – für fast alle Lebensbereiche ist etwas dabei.

Eine dieser Seiten ist die Jobbörse "impffrei.work". Entstanden ist sie nach Angaben der Macher, einmal um "der Ausgrenzung und Diffamierung von Arbeitnehmern entgegenzuwirken", heißt es dort. Darüber hinaus strebe man danach "Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer vor dem wirtschaftlichen Totalschaden zu bewahren", die durch die "sogenannte Pandemie" drohen. Die Auswahl an Angeboten ist noch überschaubar.

Ernst gemeinte Angebote halten sich in Grenzen

Für Berlin und Umland zeigt die Suche aktuell nur 32 Angebote an, darunter von Steuerbüros, Rechtsanwälten, Händlern, aber auch von Zahnärzten und Physiotherapeuten. Nicht immer wird bei den Angeboten der Eindruck vermittelt, dass es auch ernst gemeint ist. So heißt es bei dem Angebot eines Steuerbüros aus Königs-Wusterhausen lapidar: "Wir suchen ständig Steuerfachangestellte, Lohnbuchhalter und Bilanzbuchhalter".

Auch bei einem Angebot einer Zahnarztpraxis klingt es eher wie eine Interessenbekundung. Man lege Wert auf eine "menschlich wertvolle Patienten-Arzt-Beziehung", heißt es dort schlicht. Aber für die Praxis könnte sich das Inserat noch zu einem Problem entwickeln, denn ab Mitte März gilt auch hier die einrichtungsbezogene Impfpflicht.

Wer ab dann Jobs an Ungeimpfte vermittelt, handelt gesetzeswidrig, genauso wie die Ungeimpften selbst. Und es könnte teuer werden, denn Unternehmen und Beschäftigten drohen bei Zuwiderhandlung Geldbußen von bis zu 25.000 Euro.

Dass sich Inserenten bei dieser Plattform auf dünnem Eis bewegen, dürfte den Betreibern des Portals klar sein; denn sie ziehen die Anonymität vor. Wer für die Seite verantwortlich ist, bleibt auch nach einem Blick in das Domain-Register unklar. Ein Impressum fehlt auch. Hier beruft man sich darauf, dass es sich um "keine gewerbliche, professionelle Tätigkeit oder gewerbliche Dienstleistung" handle. Doch diese Interpretation könnte falsch sein; jedenfalls empfehlen Anwälte wegen der unklaren Vorschriften für Blogbetreiber, dass alle Seiten ein Impressum haben sollten, mit Ausnahme derer, die rein private oder familiäre Inhalte haben.

Gegenüber dem rbb erklärte der Netzexperte Tim Hoesmann, die Internetseite sei gezielt darauf ausgelegt, dass man nicht wisse, wer dahintersteht. Und das deshalb, weil "diese ganze Corona-Leugner-Szene sehr kontrovers ist, zum Teil auch den Staat einfach ablehnt, sich deshalb aus staatlichen Situationen ganz bewusst raushält", so Hoesmann.

Das ganze Repertoire an Impfmythen und -lügen

Insgesamt macht das "Jobportal" den Eindruck, als handle es sich bei ihm nur um eine weitere Propaganda-Plattform von Impfgegnern. Darauf lassen nicht nur die Blogbeiträge schließen, die das ganze Repertoire an Impfmythen und -lügen bedienen. Erst Anfang Januar wurde dort behauptet, Forscher könnten keinen Nachweis eines krankmachenden Virus erbringen.

Klickt man dann auf den Link zu einer "Partnerseite", landet man bei einem obskuren Verein aus Berlin mit dem Namen "Mutmacher e.V.". Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, potenzielle Whistleblower dazu zu ermutigen, "relevantes Insiderwissen" beziehungsweise "die Wahrheit" über die Pandemie zu veröffentlichen, denn: "die sogenannte Corona-Krise macht überdeutlich, dass die Wahrheitsfindung offensichtlich nicht die höchste Priorität genießt".

Gemeint ist damit, dass in der öffentlichen Darstellung nur Meinungen des "Mainstreams" Platz finden und andere Autoren mit extremer Vehemenz diffamiert würden. Der Verein ist kein Unbekannter. Gegründet wurde er im Jahr 2020 und dessen Vorstand trat unter anderem bei der Veranstaltung "Nicht ohne uns" vor dem Reichstag auf. Ein Teil der politischen Laufbahn der beiden Vereinsvorstände ist auf dem Blog "Rechte Medien Info" dokumentiert.

Schaut man nach, wen der Verein als seine Partner benennt, dann findet man das Who-is-who der "Anti-Corona-Szene". Damit ist allerdings nicht gesagt, dass der Verein "Mutmacher" auch verantwortlich ist für das Angebot der "Jobbörse". Dass die "Mutmacher" im Jobportal aber explizit als Partnerseite gelistet werden, deutet dagegen schon auf eine relative Nähe beider Seiten hin.

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