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Wie aus der Friedensbewegung die "fünfte Kolonne Putins" wurde

Protest gegen den Nato-Doppelbeschluss, 1981, Bonn. Bild: Rob Bogaerts / Anefo

Von "Ohne-mich", über 'Petting statt Pershing' und den Montagsmahnwachen bis hin zum Ukraine-Krieg: Ein Blick auf die Wandlungen des Aktivismus gegen Militär und Krieg (Teil 1)

Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck nennt anlässlich der Ostermärsche 2022 den Pazifismus einen "fernen Traum", Zuschauen sei angesichts des Krieges Russlands die "größere Schuld" im Vergleich zum dringend notwendigen Waffenliefern an die Ukraine.

FDP-Politiker Graf Lambsdorff warf gleich der ganzen Friedensbewegung und den Ostermarschierern vor, als "fünfte Kolonne" Wladimir Putins zu fungieren – und fand so aggressiven Anschluss an die alten Diskursstrategien des Antikommunismus aus Kalte-Kriegs-Zeiten.

Bundespräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte die Positionierung der Friedensbewegten "zynisch", die Haltung sei getragen von einer Ignoranz gegenüber den Menschen in der Ukraine.

Damit haben sich drei prominente Politiker der aktuell regierenden Ampelkoalition klar gegen die Friedensbewegung ausgesprochen. Traditioneller Antikommunismus bei den Liberalen kommt zur Geltung und die Atlantiker innerhalb der SPD haben Oberwasser. Dabei wird vor allem deutlich, wie weit sich die aktuelle Politikergeneration der Grünen von den Anfängen der eigenen Partei entfernt haben.

Weltweite Demonstrationen gegen den russischen Einmarsch in die Ukraine (0 Bilder) [1]

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Diese entstand schließlich nicht nur aus maoistischen und spontaneistischen Überresten der 1970er-Jahre, sondern nahm mehrheitlich die Protestdynamik aus Friedens- und Umweltbewegung, sowie des Feminismus in sich auf. Während Gender- und Klimathemen noch als schwacher Abklatsch in der Partei zu verorten sind, ist die Friedensfrage vollständig marginalisiert und zu einer Bereitschaft, Krieg zu führen, verkehrt worden.

Allerdings ist auch die Szene des friedensbewegten Aktivismus gespalten: Ein Aufruf der Berliner Friedenskoordination zu den Ostermärschen und Friedenskundgebungen provozierte syrische und ukrainische Aktivistinnen und Aktivisten, einen "alternativen Ostermarsch" mit der eindeutigen Ausrichtung: "Stoppt russische Kriege – für Freiheit und Gerechtigkeit" zu initiieren.

Irritierend an dem Aufruf ist die Gegenüberstellung von "Demokratien" und "Autokratien", wobei apodiktisch behauptet wird, die "Kriegsgefahr geht von Autokraten aus". Im Angesicht der internationalen Politik ist dies nicht richtig, viele Autokratien haben die letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte keine Kriege geführt. Dagegen führten die USA als Demokratie seit 1945 fast ununterbrochen Kriege.

Und wie immer man zu den Kriegseintritten der USA in den Ersten und Zweiten Weltkrieg stehen mag: Hier wurde eben das Mutterland der westlichen Demokratie aktiv. Die Aktivistinnen und Aktivisten des alternativen Ostermarschs wollten sicherlich betonen, dass viele Friedensbewegte des linken Lagers, aber auch der durchschnittliche Bundesbürger die Kriege Russlands in Tschetschenien, Georgien, Syrien und nun aktuell in der Ukraine nicht angemessen einschätzen.

Darin ist ihnen recht zu geben, den aggressiven Kurs Russlands in seiner Außenpolitik wollen tatsächlich viele traditionell russlandfreundliche Friedensaktivist:innen nicht wahrnehmen. Die verschärfte Rhetorik der syrisch-ukrainischen AktivistInnen, die sich um die Kampagne "Adopt a Revolution" gruppieren, und in der Forderung nach konsequenten Sanktionen münden, legen sich wiederum nicht Rechenschaft darüber ab, ob dies überhaupt effektiv ist, denn einige Experten sagen, dass Putin genug Öl, Waffen und Soldaten hat, um den Krieg in der Ukraine lange zu führen.

Die Umsetzung der Forderung, überhaupt keinen Handel mit Russland mehr zu betreiben, würden wahrscheinlich in erster Linie zur Verarmung der russischen Bevölkerung führen. Auch Teile der europäischen und deutschen Bevölkerung wären davon betroffen, für die ein "Frieren für den Frieden" (so der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck), eine wenig erfreuliche Aussicht ist.

Das Embargo gegen den Irak, das sich an den Golfkrieg 1991 anschloss, hat gezeigt, dass durch Sanktionen Hunderttausende sterben können und die herrschende Elite immer Wege findet, sich versorgen zu lassen. Embargopolitik zeitigt auch international Folgen: Allein die Erhöhung der Nahrungsmittelpreise wird die Bevölkerung im Globalen Süden treffen, die von billigen Importen abhängig ist.

Es gibt also gute Gründe, warum die offizielle Friedensbewegung keine Forderungen nach einer verschärften Embargopolitik erhebt. Allerdings hat die zu Ostermarschen aufrufende Friedensbewegung ein Problem: So wichtig es ist, dass aktuell in der Öffentlichkeit eine Stimme zu vernehmen ist, die den Krieg generell ächtet und auf zivile Konfliktlösung drängt, so wenig erscheint dies der Dynamik des Krieges selbst und der verlautbarten Aggression von russischer Seite angemessen zu sein.

Selbst libertäre Graswurzelaktivisten einer bedingungslosen Gewaltfreiheit müssen konstatieren, dass die gewaltfreien Proteste zivilen Ungehorsams in der Ukraine ohne die Formen des bewaffneten Abwehrkampfs recht wirkungslos wären.

Einige Akteure der Friedensbewegung wollen sich nicht nur auf eine gesinnungsethische Position des reinen Pazifismus zurückziehen, sie machen eine Position stark, die der Genese des Konflikts nachgeht.

Dabei betonen sie den macht- und geostrategischen Rahmen des zum Krieg gesteigerten Konflikts um die Ukraine. Sie skizzieren ein großes Bild der aktuellen Weltordnung im Sinne eines politischen Realismus fernab von unmittelbarem praktischem Humanismus.

Sie kritisieren die Nato-Osterweiterung, die entgegen den mündlichen Zusagen der Umbruchszeit 1990 erfolgte. Sie verweisen zuweilen auf den seit 2014 gegebenen Konflikt rund um die ostukrainischen Gebiete, einem lokalen Krieg, den weder die russische noch die ukrainische Seite – und auch nicht der Westen – Einhalt gebieten wollte und konnte. Sie machen ein raumpolitisches Sicherheitsbedürfnis Russlands geltend und erscheint so tatsächlich als eine Kraft, die dem Angriffskrieg Russlands, der am 24. Februar erfolgte und sich täglich zuspitzt und barbarisiert, "verstehend" und damit scheinbar legitimatorisch begegnen würde.

Wenn Friedensbewegte auf die reaktionär-antirussischen Kräfte des Maidan und auf die seit 2015 erfolgte Aufrüstung der Ukraine unter anderem durch die USA verweisen, auf die gemeinsamen Militärmanöver unmittelbar vor Russlands Haustür und generell eine Strategie der USA vermuten, Russland zu umkreisen, Europa stärker an sich zu binden und von Russland fernzuhalten, erscheint dies nicht nur politischen Gegnern der Friedensbewegung angesichts der aktuellen Kriegsgeschehnisse und der Bilder, die aus den Kriegsgebieten zu uns dringen, als ein verquerer Antiamerikanismus.

Denn diese Hinweise liegen quer zur aktuellen bundesrepublikanischen Informationspolitik und der medialen Berichterstattung, in der RT DE zensiert und aus dem Rezeptionsraum ausgeschlossen bleiben muss. Auch für das eigene Milieu sind die geostrategischen Fakten und Argumente der linken Nato-GegnerInnen schwer verdaulich, weil sie sich von einem unmittelbaren Moralismus lösen, den die Friedensbewegung immer begleitete.

Im Folgenden möchte ich ein paar Schlaglichter werfen auf die Geschichte der hiesigen Friedensbewegung und ihr Verhältnis zu den USA als Hegemonialmacht nach 1945. Dabei soll herausgearbeitet werden, in welcher Art Friedensbewegungen auf die großen politischen Umbrüche historisch wie aktuell reagierten.

Friedensvolksfront: Gegen Wiederbewaffnung und kalte Krieger

Das Verhältnis der Friedensbewegung zur US-Hegemonie muss in einem größeren historischen Bogen dargestellt werden. Im Zweiten Weltkrieg lösten die Vereinigten Staaten England als Hegemonialmacht ab. Eine scheinbar moralische Überlegenheit beflügelte diesen Ablösungsprozess: Schließlich hatten die USA nicht nur aufgrund des entscheidenden Kriegseintritts gegen den Nationalsozialismus eine weltweite Reputation erfahren, sondern auch aufgrund des New Deal, des rudimentär und schließlich durch Aufrüstung und Krieg durchgesetzten Sozialstaates.

Gleichzeitig vertraten die USA bezüglich der drei Kontinente eine Politik des selektiven Antikolonialismus, die hauptsächlich gegen die alte Kolonialmacht England gerichtet war. Nach dem Scheitern der US-amerikanischen Linkskeynesianer auf der Konferenz von Bretton Woods waren die Schienen für Dollar-Hegemonie und neuer auf die USA ausgerichteter Abhängigkeit der westlichen Hemisphäre gelegt.

Gleichzeitig wurde in dem rasch sich anbahnenden Kalten Krieg Westeuropa mit Hilfe des European Recovery Program, bekannt unter dem Namen Marshall-Plan, enger an die Vereinigten Staaten gebunden.

Der damalige stellvertretende Leiter des Außenministeriums, Dean Acheson, hatte auf die zu antizipierende Gefahr des "Überproduktionsproblems" nach Ende des Krieges hingewiesen und rief zur Suche nach neuen Märkten auf. Auch in Westdeutschland wurde ein solcher gefunden: Adenauer sorgte mit antikommunistischer und antipreußischer Haltung für die Westbindung der Bundesrepublik und die 1949 gegründete BRD erlebte ein beispielloses "Wirtschaftswunder", das aus dem Lohnverzicht der Aufbaujahre, der US-Hilfe und den demokratisch transformierten "Modernisierungsleistungen" des NS-Faschismus resultierte.

In dieser Zeit legte die US-Administration unter Präsident Truman das Fundament für eine neuartige Form des Rüstung-Keynesianismus, der sowohl für die Innen- als auch die Außenpolitik folgen haben sollte.

In einem wichtigen Strategiepapier des National Security Council, das als NSC-68-Papier bekannt werden sollte, wurde festgelegt, dass das Ziel der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik ein möglichst hoher Beschäftigungsgrad und der Aufbau eines Wohlfahrtsstaates sei. Die benötigten finanziellen Mittel seien diesem Ziel – ähnlich wie in Kriegszeiten – nachzuordnen.

Es wurde darin festgelegt, dass bis zu 20 Prozent des Bruttosozialprodukts für Rüstungsausgaben vorgesehen sein könnten. Antikommunismus, Rüstung-Keynesianismus und der Aufbau Westdeutschlands als Absatzmarkt und Bollwerk gegen den Kommunismus gleichermaßen prägten diese Phase. Durch den Koreakrieg 1950 wurden die Befürworter einer Remilitarisierung Westdeutschlands in der öffentlichen Argumentation bestärkt.

Die gegen die Remilitarisierung gerichtete "Ohne mich"-Bewegung in der BRD, in der Kommunisten eine herausragende Rolle spielten, setzte antimilitaristische und neutralistische Argumente dagegen.

Der alte sozialistische Antimilitarismus – von Rosa Luxemburg über Franz Pfemfert bis zu Ernst Friedrich – war offensichtlich mit dem Terror und der Ideologie der Nazis verschwunden und fand keine Wiederbelebung. Auch in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR war linkssozialistischer Antimilitarismus Hindernis und wurde repressiv verfolgt.

Die westdeutsche "Ohne-mich"-Bewegung propagierte mit nationalistischen Parolen eine Wiedervereinigung Deutschlands, die sie durch die Westbindung und die Wiederaufrüstung gefährdet sah. Ihr Hauptanliegen war es, eine Wiederbewaffnung Deutschlands wenige Jahre nach der Niederlage des deutschen Griffs zur Weltmacht, abzuwenden.

In der Blockkonfrontation kamen diese Kräfte in der BRD in Verruf, als "fünfte Kolonne der Sowjetunion" zu fungieren. Tatsächlich begab sich die Bewegung in eine Frontstellung zur Adenauerregierung und zu den, West-Deutschland wieder aufrüstenden, USA.

Sie konnte sich auf eine weitverbreitete "Ohne-mich"-Stimmung in der Bevölkerung stützen und setzte auf den grassierenden Nationalismus und Patriotismus, um gegen die "Westbindung" zu mobilisieren.

Die Stalin-Note zur Wiedervereinigung und Neutralität Deutschlands von 1952 kann auch als Kommunikationsversuch mit den nationalistischen Teilen der BRD-Gesellschaft – über das Milieu der ohnehin sympathisierenden Kommunisten hinaus – verstanden werden.

Dabei wurde der Spagat unternommen, sowohl auf die Nazikontinuitäten der BRD zu verweisen und herauszustellen, dass etliche belastete Nazi-Schwerverbrecher gern gesehene antikommunistische Kombattanten im Kalten-Krieg des Westens wurden, also auch nationale Wiedervereinigungs- und Neutralitätswünsche der Deutschen zu bedienen.

Eine Renaissance antimilitaristischer Positionen nach den Erfahrungen des Krieges, aber auch Einsprengsel verletzter nationalistischer Gefühle der "Besiegten" und traditioneller Antiamerikanismus bildete die eigentümliche Melange, die die Bewegung gegen die Remilitarisierung in Westdeutschland auszeichnete. sechs Millionen Bundesbürger beteiligten sich an der Volksabstimmung gegen die Wiederbewaffnung 1951, hauptsächlich Arbeiter und kleine Angestellte.

Sie bildeten angeleitet durch Großorganisationen eine breite Friedensvolksfront, die die Eigentums- und soziale Frage zuweilen ausklammerte, um über ein sozialistisches Milieu hinaus wirksam sein zu können. Gleichzeitig waren die Friedensaktivisten auch an Streiks und sozialen Protesten beteiligt. SPD und Gewerkschaften konnten in den späten 1950er-Jahren die "Kampf dem Atomtod"-Bewegung unter ihre Kontrolle bringen und die Kommunisten marginalisieren.

Obwohl die KPD die Volksfrontlogik vehement vertrat, also stets auf breite Bündnisse setzte und von einem klaren antikapitalistischen Programm verzichtete, wurde sie 1956 verboten. 1960 wurde die wohl auch DDR gesponserte Deutsche Friedensunion (DFU) gegründet als Volksfrontbündnis von Kommunisten und Sozialisten, linken Christen, verschiedenen pazifistischen Organisationen und einigen bürgerlich-konservativen Einzelpersonen.

Der aus der SPD ausgeschlossene Gewerkschaftler und Linkssozialist Viktor Agartz trat bald wieder aus der Union aus, weil sie eine sozialistische Programmatik vermissen ließ.

Nicht nur die bundesrepublikanische, die gesamte internationale Friedensbewegung scheiterte in ihrem Kampf gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Mehrheitlich setzte sich in der westdeutschen Bevölkerung eine pro-westliche Haltung durch, die sich in Konsumismus und Antikommunismus ausdrückte.

Die Verlockungen der Ware waren den Verheißungen einer entmilitarisierten Nation überlegen – der Marshall-Plan trug Früchte. Den USA gelang es, die kapitalistischen Industrieländer in einer Interessengemeinschaft zusammenzuschmieden. In diesem gut zwei Jahrzehnte währenden Zustand erfolgte sowohl in den USA als auch in Deutschland ein wirtschaftlicher Aufstieg, der einen entsprechenden sozialen Frieden im Inneren garantierte.

Eine Kommunikation mit der Opposition in den USA war in der westdeutschen "Ohne-mich-Bewegung" nicht angestrebt, sie konnte auch nicht recht gelingen. Denn auf der anderen Seite des Atlantiks herrschte Kommunistenhatz und -paranoia, und der Artikulation pazifistischer Anliegen wurde kaum Spielraum gewährt.

Zwar gab es Widerstand gegen die Wehrdienstpflichterfassung ("Draft Registration"), gegen die Atomwaffentests und die das zivile Leben stark tangierenden Zivilschutzpläne, aber diese formierten sich nicht zu einer breiteren Protestbewegung.

Antiimperialismus und Revolte gegen die alte Welt

Erst mit dem Vietnamkrieg wurde dieser soziale Friede der rüstungskeynesianischen Nachkriegsphase aufgekündigt. Zum ersten Mal entstand eine globale Protest- und Revoltbewegung, die sich nicht nur als Anti-Kriegsbewegung oder gar Friedensbewegung verstand. Im Vietnamkrieg verspielten die USA ihren aus dem Zweiten Weltkrieg resultierenden Bonus, als Befreier auftreten zu können.

Dass im Namen der "Demokratie" doppelt so viel Tonnage über dem kleinen und armen Land Vietnam abgeladen wurde, wie auf alle Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg zusammen, nährte die weltweite Revolte, die die Systemfrage stellte.

Die Protestbewegung gegen den Krieg in Vietnam hatte in den USA 1969/70 ihren Höhepunkt und ließ die seit 1960 immer größer werdende "Ostermarschbewegung", die sie als lammfromm erachtete, rechts liegen. In Zeiten westdeutscher Vollbeschäftigung und angesichts der Ahnung der meisten Bundesbürger, dies "Amerika" zu verdanken, hielten sich die Proteste auf eine kritische bis radikale Minderheit beschränkt.

Die Wachstumsgemeinschaft der "Pax Americana" sorgte in den 1960er- und 1970er-Jahren noch dafür, dass die westdeutschen Proteste gegen den Vietnamkrieg in Zeiten der Vollbeschäftigung marginal blieben, das Bild der Rosinenbomber schickenden und Marshallpläne garantierenden Wohlfahrtsspenderin USA, das bei normalen, affirmativen Bundesbürgern vorherrschend war, überstrahlte selbst einen bürgerlichen, konservativen bis faschistisch geprägten Antiamerikanismus.

Dagegen artikulierte die radikale kleine Minderheit der 68er einen dezidierten linksradikalen Antiimperialismus, der sich für die anderen, subversiven USA interessierte, die subversiven Praktiken der US-Bewegung aufnahm (sit-ins, go-ins) und ihren Schwerpunkt auf die Kritik der Bündnispolitik der Bundesregierung mit den in Vietnam intervenierenden USA verlegte, wie auch die Springer-Kampane zeigte.

Besonderes Gewicht hatten die Unterstützungsaktionen zur Desertation von US-GIs. Die wachsende Anzahl von Deserteuren und Aussteigern offenbarte die schwindende Kraft des Patriotismus. Sowohl in den USA wie in Europa wurde die bisherige keynesianisch-fordistische Produktions- und Lebensweise, die in Hinblick auf den Globalen Süden eine imperialistische Seite erkennen ließ, in Frage gestellt.

Der Feminismus zeigte, dass sich Frauen nicht mehr länger in der Küche einsperren lassen wollten. Schwarze rebellierten gegen eine rassistisch hierarchisierte Gesellschaft und viele Jungarbeiter nahmen die Vollbeschäftigung als eine das Leben vergewaltigende "Fabrikgesellschaft" wahr.

Diese Haltung war nicht bloß in den USA oder in Westeuropa vorherrschend, sondern umfasste eine globale Bewegung, die sämtliche Länder und Staatenblöcke von unten unter Druck setzte.

Für die USA hatte der Vietnamkrieg allerdings die weitreichendsten Folgen. In dieser Zeit vollzog sich nämlich der Niedergang der USA als Hegemonialmacht. Das Haushaltsdefizit der USA wurde aufgrund des sich hinziehenden Vietnamkriegs immer größer und gleichzeitig begannen immer mehr Länder ihre Dollars zum in Bretton Woods festgelegten Kurs gegen Gold aus dem US-amerikanischen Staatsschatz einzutauschen.

1971 hob Präsident Nixon so auch den Goldstandard des US-Dollars auf und beendete damit das System von Bretton Woods, aber auch die bisherige Pax Americana. Die USA hatten schlagartig an ökonomischer Macht gegenüber Westeuropa und Japan eingebüßt.

Um dem gegenzusteuern erfolgte unter Präsident James Carter ab 1977 ein Rückgriff auf keynesianische Ankurbelung der Wirtschaft durch staatliche Investition. Eine Hochzinspolitik sollte wieder ausländisches Kapital in die USA locken und war von einem Militärkeynesianismus begleitet, der unter der Reagan-Regierung weiter ausgebaut wurde.

Der von dort ausgehende Neoliberalismus war eine aggressive Strategie, bisherige, die Verwertung hemmende Arrangements mit den arbeitenden Klassen zu überwinden und den Staat kapitalfreundlich umzubauen.

Friedensbewegung als nationale "Erweckungsbewegung"?

Die Friedensbewegung als Ein-Punkt-Bewegung tauchte nach einer Zeit der Entspannung im sogenannten zweiten Kalten Krieg wieder auf. Sie entstand verzögert, nachdem bereits ab 1977 die DKP und andere linke Organisationen jedes Jahr immerhin Zehntausende nach Bonn mobilisierten – als Reaktion auf den Nato-Nachrüstungsbeschluss von 1979.

Im Herbst 1981 kamen 300.000 Friedensdemonstranten nach Bonn. Im Juni 1982 500.000 und im Herbst 83 dann jeweils dreimal 300.000 nach Bonn, Hamburg und Stuttgart. Breite und professionelle Netzwerke sorgten für einen langanhaltende Bewegungszyklus.

Im Gegensatz zu der kurzen Revolte von 1968 war ihr keine Rebellion gegen eine ganze Welt mit ihren Verkehrsformen eingeschrieben, sondern die Friedensbewegung transportiere immer auch Realismus, Konformismus und intellektuell-akademisches Gegenexpertentum mit Regierungsambitionen.

Die soziale Basis dieser Bewegung unterschied sich fundamental von der alten Bewegung der "Ohne-michs". Anfang der 1980er-Jahre setzte sich die Friedensbewegung aus der neuen Mittelschicht zusammen.

Diese war ein Kind der Sozialdemokratie, der es nach 1969 in der sozialliberalen Koalition gelungen war, einen hegemonialen Block zu formieren, in dem der "Bildungs- und Reformmittelstand" eine wichtige Stütze war. Genau von diesen ursprünglich sozialliberalen Klienten wurden dann Bedürfnisse artikuliert, die in der Partei der Grünen ihren Ausdruck fanden: Ökologie, Frieden, alternativer Konsum.

Die Friedensbewegung blendete nicht nur Klassenfragen aus, wesentliche Teile von ihr zelebrierte darüber hinaus ein Gemeinschaftsgefühl in der Selbststilisierung als Opfer eines zukünftigen Atomschlages.

Damit brachten sie allerdings auch praktisch ein Gefühl auf die Straße, das in der kritischen zeitgenössischen Philosophie beispielsweise von Günther Anders artikuliert wurde. Sie bestand in der Lehre, dass im Atomzeitalter Bombe und Nihilismus eins sind. Ein prinzipieller sozialistischer oder klassenkämpferischer Antimilitarismus, wie er in Deutschland bei expressionistischen KünstlerInnen und allerhand SozialistInnen während der Weimarer Republik vorherrschte, wurde nur in Rändern der Bewegung wiederbelebt.

Allerdings erschien dieser Antimilitarismus aus der Zeit leidenschaftlicher und nationalistisch mobilisierter Massenheere und als sozialistische Strategie, die Arbeiter auf ihre Klasse und nicht auf die Nation zu verpflichten, unter dem Schatten der Nuklearbombe als anachronistisch; tatsächlich wäre ein Krieg zwischen den USA und der UdSSR nicht in erster Linie zu einem Klassen-, sondern zu einem Menschheitsproblem geworden.

Die Militanz der autonomen Jugend- und Hausbesetzerbewegung nach 80/81, die ihren Weg zu den Orten der Friedensbewegung suchen wollte, wurde mehrheitlich von den älteren bürgerlichen "Friedensfreunden" verdammt. Dennoch war die 1980er-Jahre-Friedensbewegung dominiert von linken Vorstellungen und Gedanken, selbst späthippieske Agitationsformen wie "Petting statt Pershing" verweisen auf den kulturrevolutionären Nach-68er-Spirit.

Mit "Schwerter zu Pflugscharen" übernahmen die kirchlichen Teile der westdeutschen Friedensbewegung eine christlich unterlegte Parole aus den staatsunabhängigen Abrüstungsinitiativen in der DDR. Für diese Haltung der westdeutschen Friedensbewegung steht wohl niemand so paradigmatisch wie die Friedensaktivistin und Grünen-Mitbegründerin Petra Kelly.

Einige Friedensbewegte wollte die Rolle Deutschlands als neben Großbritannien tragender Pfeiler in der Nato nicht erkennen, vielmehr wurde zuweilen ein Bild gezeichnet, wonach Deutschland Geisel der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges und gefährdetes Schlachtfeld der Ost-West-Konfrontation sei.

In manchen Diskussionen um das angestrebte und erhoffte Ende der Jalta-Ordnung entpuppten sich Teile der Friedensbewegung als nationalistische Bewegung des Mittelstandes, die auf eine neue Stellung Deutschlands auf Weltebene – auch als Handelsmacht und mittlere Großmacht in Konkurrenz zu den USA – setzte.

Ein generalisierender Antiamerikanismus, der dort jegliche Klassenauseinandersetzungen und emanzipatorischen Potenziale bestritt, prägte einige Friedensbewegungsdiskussionen. Tatsächlich herrschte auch eine Akzeptanz gegenüber Nationalpazifisten wie Alfred Mechtersheimer vor, der mit der Friedensfrage gleich die "deutsche Frage" verbanden.

Ob die Polemik von einzelnen Kritikern wie dem Kolumnisten Wolfgang Pohrt, bei der Friedensbewegung handele es sich um eine "deutsch-nationale Erweckungsbewegung", auf die ganze Bewegung zutrifft, sei dahingestellt, es gab immer viele AktivistInnen der Friedensbewegung, die sich antifaschistisch positionierten, die alten Nazis der Bundesrepublik attackierten und weit entfernt waren von allen "deutsch-nationalen" Gelüsten.

Pohrts Polemik gegen die angeblich deutschtümelnden Pazifisten kam auf jeden Fall bei den atlantizistischen Antikommunisten recht gut an, die den "Antiamerikanismus"-Vorwurf ins Arsenal ihrer antilinken Agitation aufnahmen.

Im Vergleich zu der 1968er-Bewegung mag die 1980er-Jahre-Friedensbewegung national fixierter gewesen sein, auch wenn aus dem Umfeld von Parteikommunisten der DKP, SEW oder dem Kommunistischen Bund auf das "andere Amerika" verwiesen wurde, sowie auf den neoliberalen Umbau des Welfare-Staates in den Vereinigten Staaten, der in einem neoliberalen Paket aus Abbau des Wohlfahrtsstaates und Ausweitung der Rüstung bestand.

Die starke sogenannte Freeze-Bewegung, die von einer ähnlichen sozialen Zusammensetzung geprägt war, wurde von einigen kritischen Geistern durchaus wahrgenommen und Kontakte gepflegt. Diese Friedensaktivisten in den USA mobilisierten gegen die noch unter Carter festgelegte allgemeine Meldepflicht für den Wehrdienst und fokussierte sich dann auf Reagans Politik, die die Ausdehnung des Verteidigungshaushaltes mit aggressiver antikommunistischer Rhetorik verband.

Die deutsche Friedensbewegung unterlag den Wechselfällen der Auf- und Abrüstung des Kalten Kriegs, mit dem Abrüstung beinhaltenden INF-Vertrag 1987 verloren Ostermärsche und Friedensdemonstrationen an Bedeutung.

Im Chaos der New World Order

Das von den USA unter Reagan ausgerufene "Totrüsten der Sowjetunion" kam schließlich in der Zeit von 1989 bis 1991 zum Erfolg. Im gesamten Ostblock rannten die Leute einer Gesellschaft davon, die vom übermächtigen militärisch-industriellen Komplex zum Stillstand verdammt wurde.

Übrig blieben nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die USA als alleinige Supermacht. Der einsame Riese war nach der relativen Stabilität der Kalten-Kriegs-Ära vor die Probleme einer zunehmend chaotischer werdenden Welt gestellt.

Mehr als ein Krieg um Öl war der Golfkrieg 1991 ein halbherziger Krieg für eine "New World Order", in dem sich die USA als dominierende Weltmacht behaupten wollten. Dieser zweite Golfkrieg (nach dem ersten zwischen dem Iran und dem Irak) sollte in einer Situation, in der die bisherige Jalta-Ordnung tatsächlich zur Makulatur geworden war, die künftigen Rollen zuweisen: Die UNO sollte den Krieg völkerrechtlich decken, das mit der Wiedervereinigung souverän gewordene Deutschland sich finanziell am Krieg beteiligen, aber nicht am Waffengang selbst, das sich gleichermaßen wirtschaftsliberal wie autoritär transformierende China und die ramponierte und innerlich zerbröselnde UdSSR sollten stillhalten.

In der sich rasch entwickelnden Friedensbewegung im mittlerweile wiedervereinigten Deutschland breiteten sich neben den alten linken internationalistischen und antiimperialistischen Positionen ("Kein Krieg für Öl!") wie schon in den frühen Achtzigern Apokalypse-Beschwörungen und Elemente eines Antiamerikanismus aus.

Die neue Souveränität Deutschlands blieb im Großen und Ganzen unthematisiert. Allerdings existierte damals eine handlungsfähige radikale Linke, die den Siegeszug des Kapitalismus angriff, die Annexion der DDR skandalisierte und den US-Golf-Krieg scharf ablehnte. So formulierte diese 91er-Friedensbewegung, dass es eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung jenseits eines globalen Kapitalismus westlicher Prägung geben müsse, darin war sie im Sinne Immanuel Wallersteins "antisystemisch".

Viele ProtagonistInnen der Anti-Golfkriegsproteste 1991 protestierten so auch im Geist eines linken Antikapitalismus und Antiimperialismus gegen den Weltwirtschaftsgipfel in München 1992, fühlte sich verbunden mit den staatenlosen Kurden und Palästinensern und den letzten Befreiungsbewegungen Lateinamerikas.

Als dann eine rot-grüne Bundesregierung das Ruder der Macht übernahm, war die Friedensbewegung außer Stande angemessen zu agieren als sich eine Beteiligung Deutschlands an einem Krieg gegen Serbien 1999 abzeichnete.

Von Beginn an waren zwar nach Umfragen 40 Prozent der Bevölkerung gegen eine deutsche Einmischung auf dem Balkan, aber der reale Verlauf des langanhaltenden Bürgerkrieges und die moralischen Kriegsbegründungen durch Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Außenminister Joschka Fischer rieben nicht nur das grüne Milieu, sondern auch das mit dieser Partei stets verbundene Friedensbewegungsmilieu auf.

Die rasche Remilitarisierung deutscher Außenpolitik brachte keine nennenswerte Friedensbewegung auf die Straße, nur einzelne Störaktionen von kritischen Geistern.

Der Nato-Luftkrieg hatte einen deutlich exemplarischen Charakter, der vom damaligen US-Präsidenten Clinton am 26. Februar in einer Rede in San Francisco deutlich gemacht wurde: "Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist, welche Konsequenzen für unsere Sicherheit entstehen, wenn wir Konflikte anschwellen und sich verbreiten lassen. Wir können nicht - und sollten in der Tat auch nicht - überall sei.

Aber wo unsere Werte und Interessen aufs Spiel gesetzt werden, und wo wir was daran was ändern können, müssen wir auch dazu bereit sein." Diese Clinton-Doktrin entstand auf dem Hintergrund der Definition eines Krisenbogens, der US-Interessen affizieren würde. Wurde Ende der 1970er der "arc of crisis" von Afghanistan über den Persischen Golf bis nach Ostafrika gezogen, wurde nun der Balkan als Teil des politischen "Erdbebengürtels" ausgemacht, der im Interesse des Weltfriedens und des Handels stabilisiert werden müsse.

Die Besetzung von ganzen Territorien war von amerikanischen außenpolitischen think tanks als stabilisierende Maßnahme ausdrücklich vorgesehen. Die Nato, ursprünglich als Verteidigungsbündnis verkauft, sollte anlässlich ihres 50-jährigen Bestehens zu einem regional einsetzbaren Weltpolizisten umgebaut werden.

Die Nato-Doktrin zur Zeit des Kosovokrieges wollte gegen Fluchtbewegungen und transformationsfeindliche Länder, die sich also einem Einschwenken auf eine "marktwirtschaftliche" Ordnung nicht so recht fügen mögen, militärisch vorgehen können.

Des Weiteren setzt der US-geführte Nato-Krieg gegen Jugoslawien auch geopolitisch ein deutliches Zeichen. Während des Kalten Krieges war geostrategisches Gebot, jede Ausdehnung der sowjetischen Einflusszone zu verhindern - dies war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion obsolet. Der im Kalten Krieg gefestigte Atlantizismus mit den USA als unangefochtener Führungsmacht bröckelt und Konkurrenzverhältnisse zwischen den Staatenblöcken nahmen zu.

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks erfolgte Deutschlands ökonomisches und politisches Wiedererstarken zu einer Großmacht. Die USA wollten sich nun im Kosovo-Krieg auch im europäischen Hinterhof als Weltpolizist behaupten und damit erreichen, dass die Westeuropäer sich nicht zu weit von den USA entfernen. Tatsächlich wollte die Clinton-Regierung durch den Krieg gegen Rest-Jugoslawien sämtliche westeuropäischen Staaten zur Akzeptanz der Führungsrolle der USA in der Nato zwingen.

Dem ging voraus, dass der forcierten Anerkennungspolitik Deutschlands gegenüber Slowenien und Kroatien von den USA mit einer ambivalenten Politik begegnet wurde, die über das Festhalten am Gesamtstaat Jugoslawien über die Stärkung der bosnischen und kosovarischen Unabhängigkeitsbestrebungen bis zur Forcierung der auf Krieg zielenden Verhandlungen von Rambouillet reichten.

Die neuamtierende rot-grüne Regierung zeigte sich schließlich bündnistreu und westgebunden und legitimierte ihre Kriegsbeteiligung mit einer Mischung aus menschenrechtlichen Argumenten, geschichtspolitischen "Lehren aus der Vergangenheit" und der Verhinderung einer größeren Migrationswelle.

Propagandistisch kam hier den liberalen und ehemals linken Intellektuellen wieder eine wichtige Rolle zu, weil sie den Bellizismus wortreich und scheinbar kritisch vorantrieben. Noch während des Golfkriegs 1991 waren sie mit ihren polemischen Anklagen der Friedensbewegung und der Verteidigung eines imperialistischen Krieges in einer scheinbaren Oppositionshaltung (was bis in die linke Hamburger Monatszeitschrift konkret reichte).

1999 stellte ein Teil des Ex-68er-Milieus schließlich die Regierung. Diese Regierung führte den ersten deutschen Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zwar gegen ein Land, das bereits während des Faschismus besetzt und ausgebeutet wurde, doch sie tat es nicht in schlichter Wiederaufnahme deutsch-nationaler oder völkischer Motive und Interessen.

Die Grünen nahen Intellektuellen um den neuen Außenminister Joschka Fischer wie Dan Diner oder Andrei S. Markovits sorgen mit ihren Bekenntnissen zu den atlantischen Freunden für eine zweite ideologische Westbindung.

Mit "Nie wieder Krieg, aber auch nie wieder Auschwitz, deshalb: besser Kriege führen, um Auschwitz zu verhindern" wurde von Fischer bis Daniel Goldhagen dieser Krieg verkauft und Friedensbewegte wie bereits 1991 mit "Antiamerikanismus"-Anklagen überzogen. In den "Antiamerikanismus"-Attacken bestand dann auch große diskursive Einigkeit mit der aus der radikalen Linken hervorgegangene antideutschen Linken von Herman L. Gremliza über Jürgen Elsässer bis Matthias Küntzel.

Während die einen den Nato-Krieg befürworteten, lehnten die anderen ihn nur deswegen ab, weil sie den rot-grünen Kosovokrieg als "deutschen Krieg" fehlrezipierten. Bei den "antideutschen" Kriegsgegnern von 1999, die noch als Antifaschisten wahrgenommen wurden, grassierte eine Akzeptanz oder mindestens ein Kleinzeichnen des serbischen Nationalismus und der aus ihm resultierenden barbarischen Kriegsdynamik.

Der proserbische und schon damals antimuslimische Autor Jürgen Elsässer wurde damals noch als Linker wahrgenommen und schrieb in linken Blättern, wo er spitzfindig belegen wollte, dass es kein serbisches Massaker in Sebrenica gegeben habe und die westliche Presse lediglich Kriegslügen produziere.

Mittlerweile ist er ein veritabler Rechtsradikaler mit nationalistisch-slawophilem Einschlag, seit 1999 kann er sich als oppositionell gegenüber "dem grünen Establishment" fühlen.

Tatsächlich fanden sich nicht nur in den großen Leitmedien der Berliner Republik wie der FAZ antiserbische Zuspitzungen, auch etliche dem Maoismus entstammende Realo-Grüne frönten einem antislawischen Ressentiment.

Generell überforderte die Vielschichtigkeit der jugoslawischen Zerfallskriege die hiesige Linke ebenso wie die Mehrheit der Bundesbürger. Letztere rezipierten in ihrer breiten Masse diesen Krieg als menschenrechtlich motiviert wie nationalen Interessen folgend, und so blieben die deutschen Straßen in Hinsicht auf eine breite Protestbewegung weitgehend leer.

Sie füllten sich auch nicht wirklich, als längst von den USA ausgehend sich eine neue kapitalismuskritische Bewegung formte, die von den Medien "Antiglobalisierungsbewegung" genannt wurde und deren organisatorisch wichtigste Struktur die Initiativen der Peoples Global Action und die Weltsozialforen ab Januar 2001 darstellten.

Sie nahmen die Impulse des zapatistischen Aufstandes von Januar 1994 verspätet auf und artikulierten ihre Ablehnung von "Kapitalismus, Imperialismus und Feudalismus", sowie aller Handelsabkommen, Institutionen und Regierungen, die zerstörerische Globalisierung vorantreiben. In Deutschland bildete sich von Frankreich ausgehend Attac als NGO, die im klassisch sozialdemokratischen Rahmen eine Umverteilung von oben nach unten und ein etatistisches Zurückstutzen der Finanzmärkte anpeilte.

Attac war dennoch in Deutschland ein wichtiger, wenn auch stets reformistischer Versuch, den Einspruch gegen das Bestehende zu artikulieren – auch gegen die Kriegspolitik der herrschenden Mächte, die mit dem War on terror nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eine neue Dynamik erfuhr.

Teil 2: Wie aus der Friedensbewegung die "fünfte Kolonne Putins" wurde [3]


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