Wie das US-Militär die Welt zum Schlachtfeld erklärt

Jim Lobe

Soldaten der U.S. Army Africa trainieren Soldaten der Sierra Leone Armed Forces. Bild: U.S. Army Africa / CC BY 2.0

Die USA führen geheime Kriege in sehr vielen Ländern, zeigt ein neuer Bericht. Kongress und Öffentlichkeit sind meist unwissend über Militäroperationen. Es drohen sogar verdeckte Einsätze gegen Nuklearstaaten.

Die US-Streitkräfte sind in viel mehr Ländern an nicht autorisierten Feindseligkeiten beteiligt, als das Pentagon dem US-Kongress, geschweige denn der Öffentlichkeit, mitteilt. Das geht aus einem umfangreichen neuen Bericht hervor, der vor Kurzem vom Brennan Center for Justice der New York University School of Law veröffentlicht wurde.

In dem Bericht "Secret War: How the U.S. Uses Partnerships and Proxy Forces to Wage War Under the Radar" heißt es:

Afghanistan, Irak, vielleicht Libyen. Wenn Sie den Durchschnittsamerikaner fragen würden, wo die Vereinigten Staaten in den letzten zwei Jahrzehnten Krieg geführt haben, würden Sie wahrscheinlich diese kurze Liste erhalten. Aber diese Liste ist falsch – sie liegt um mindestens 17 Länder daneben, in denen die Vereinigten Staaten einen bewaffneten Konflikt durch Bodentruppen, Stellvertreter oder Luftangriffe ausgetragen haben.

"Die Ausweitung geheim geführter Kriege ist ein relativ neues Phänomen, und das ist undemokratisch und gefährlich", schreibt die Autorin des Berichts Katherine Yon Ebright in der Einleitung.

Militärischen Operationen in Ländern durchzuführen, über die nicht informiert wird, verstößt gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung. Sie lädt zu einer militärischen Eskalation ein, die für die Öffentlichkeit, den Kongress und sogar für die Diplomaten, die mit der Verwaltung der US-Außenbeziehungen betraut sind, nicht mehr abschätzbar ist.

Der 39-seitige Bericht konzentriert sich auf sogenannte Programme über "Sicherheitskooperationen", die vom Kongress gemäß der 2001 erteilten Ermächtigung zum Einsatz militärischer Gewalt (Authorization for Use of Military Force – AUMF) gegen bestimmte terroristische Gruppen genehmigt wurden.

Jim Lobe ist Senior Advisor und Redakteur bei Responsible Statecraft.

Eines dieser Programme unter Paragraf 127e ermächtigt das Verteidigungsministerium, "ausländische Streitkräfte, irreguläre Kräfte, Gruppen oder Einzelpersonen zu unterstützen, die laufende Militäroperationen von US-Spezialkräften zur Bekämpfung des Terrorismus unterstützen oder erleichtern".

Dem Bericht zufolge wurde diese "Unterstützung" vom Pentagon weit – oder besser gesagt, zu weit – ausgelegt. In der Praxis hat die Auslegung es dem US-Militär ermöglicht, "Partner-Streitkräfte aufzubauen und zu kontrollieren, die im Namen der US-Streitkräfte und manchmal auch an ihrer Seite kämpfen", und ihre lokalen Partner mit Waffengewalt gegen Feinde zu verteidigen (was das Pentagon als "kollektive Selbstverteidigung" bezeichnet).

Die Unterstützung findet statt, unabhängig davon, ob die gegnerischen Kräfte eine Bedrohung für das US-Territorium oder für Amerikaner darstellen, und in einigen Fällen auch unabhängig davon, ob die erklärten Feinde offiziell als legitime Ziele im Rahmen des AUMF von 2001 bezeichnet werden oder nicht.

In Somalia beriefen sich die US-Streitkräfte 2016 beispielsweise auf "kollektive Selbstverteidigung", um eine rivalisierende Miliz der Puntland Security Force anzugreifen, einer Elitebrigade, die ursprünglich von der CIA rekrutiert, ausgebildet und ausgerüstet und dann 2011 vom Pentagon übernommen worden war.

Ferner setzte das Pentagon die PSF, die von der somalischen Regierung weitgehend unabhängig ist, mehrere Jahre lang im Kampf gegen al-Shabaab und den Islamischen Staat Somalia (ISS) ein, manchmal an der Seite von US-Streitkräften, bevor die US-Regierung al-Shabaab als legitimes Ziel bezeichnete. Die ISS wurde nie als solches definiert.

In Kamerun haben US-Einheiten, die eine Partnertruppe bei einer "Beratungs- und Unterstützungsmission" begleiteten, einen feindlichen Soldaten erschossen. Das Pentagon hat dort im Rahmen von Sicherheitskooperationen des AUMF agiert, um Anführer von Boko Haram zu verfolgen – einer Terrorgruppe, die laut dem Bericht "nie öffentlich als eine mit Al-Qaida verbundene Kraft und damit als rechtmäßiges Ziel im Rahmen des AUMF von 2001 identifiziert wurde".

Der US-Kongress erfährt nur selten von diesen Vorfällen, weil das Verteidigungsministerium dem Bericht zufolge darauf besteht, dass sie zu unbedeutend oder lediglich "episodisch" sind, um das Niveau von "Feindseligkeiten" zu erreichen, die eine Meldepflicht gemäß der Kriegsbefehlsresolution von 1973 auslösen würden.

"Irreguläre Kriegsführung" wird zunehmen: Gefahr der Eskalation

Eine Ausnahme stellen jedoch vier US-Soldaten dar, die im Rahmen einer "Sicherheitskooperation" im Oktober 2017 nach Niger entsandt wurden. Man berief sich auf ein Programm, wonach das Pentagon ermächtigt ist, ausländische Streitkräfte überall auf der Welt "auszubilden und auszurüsten".

Ihre Anwesenheit vor Ort wurde jedoch auf der Grundlage einer ständigen Anordnung der Exekutive (Exord) genehmigt, die es den US-Streitkräften erlaubt, unter bestimmten Umständen an Kampfhandlungen teilzunehmen. Es handelt sich dabei um eine spezifische Zusatz-Befugnis, über die der Kongress zuvor aber nicht informiert worden war. Der Vorfall schockierte die Abgeordneten, die nicht wussten, dass US-Truppen in Niger im Einsatz gewesen sind.

Ich habe Jungs in Kenia, Tschad, Kamerun, Niger [und] Tunesien, die die gleichen Dinge tun wie die Jungs in Somalia, die sich der gleichen Gefahr aussetzen und das nicht nur unter den Kooperationsprogrammen unter 127e,

... prahlte Brigadegeneral Donald Bolduc (a.D.), der bis 2017 die US-Spezialeinheiten in Afrika befehligte und derzeit als Republikaner für den US-Senat in New Hampshire kandidiert. "Wir haben bei allen Missionen und Einsätzen, die wir durchführen, Verwundete gehabt."

Der Bericht – der sich auf Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten, Interviews mit sachkundigen Beamten und Kongressmitarbeitern, offizielle Dokumente und Aufzeichnungen sowie die rechtliche Analyse des Autors stützt – nennt neben Somalia und Kamerun 13 Länder, wo "Sicherheitskooperationen" unter dem Programm 127e stattgefunden haben. Dazu gehören Afghanistan, Ägypten, Irak, Kenia, Libanon, Libyen, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, Syrien, Tunesien und Jemen. Der Bericht betont jedoch, dass die Liste mit Sicherheit nicht vollständig ist.

In fünfzig Ländern – von Mexiko bis Peru im Westen bis Indonesien und den Philippinen im Osten (in den Philippinen weiß man, dass US-Streitkräfte an Kampfhandlungen teilgenommen haben) und 22 Ländern in Nord- und Subsahara-Afrika (ganz zu schweigen von der Ukraine) – waren ab Mitte 2018 zudem militärische Kooperationen gemäß Abschnitt 333 in Kraft, so der Bericht.

Vielleicht noch gefährlicher als diese Programme zur Terrorismusbekämpfung seien aber Programme zur Sicherheitskooperation, die gemäß Regelungen im National Defense Authorization Act von 2018 durchgeführt werden.

Sie gehen über Terrorismusbekämpfung hinaus, indem sie die "Unterstützung" von Partnerstreitkräften genehmigen, die "irreguläre Kriegsführung durch die US-Spezialkräfte unterstützen oder erleichtern".

"Irreguläre Kriegsführung" wird vom Verteidigungsministerium definiert als "Konkurrenzkampf … außerhalb traditioneller bewaffneter Konflikte" und "voll entfalteter Kriege". Pentagon-Beamte haben die "Sicherheitskooperation"-Programme als "ein äußerst nützliches Instrument zur Ermöglichung von Operationen der irregulären Kriegsführung, zur Abschreckung und Niederschlagung rückwärtsgewandter Mächte und Schurkenregime" bezeichnet.

Sie haben auch darauf insistiert, dass "irreguläre Kriegsführung" wahrscheinlich zunehmend eingesetzt werden wird, sobald das Verteidigungsministerium beginnt, dem Wettbewerb unter den Großmächten Priorität einzuräumen.

Im Großen und Ganzen besteht der Zweck der Befugnis unter Programm 1202 darin, die "Sicherheitskooperation" von 127e, mit der Partnerstreitkräfte aufgebaut und kontrolliert werden, als Plattform zu benutzen, um sie gegen Länder wie China, Russland, Iran und Nordkorea einzusetzen,

... heißt es in dem Bericht. "Kurz gesagt, Abschnitt 1202 enthält die gleichen Potenziale wie Abschnitt 127e für militärische Operationen, die der Kongress nicht genehmigt hat, jedoch mit weitaus schwerwiegenderen Folgen, da der Feind ein mächtiger, nuklear bewaffneter Staat sein könnte".

In Anbetracht der erhöhten Risiken ist eine schlichte Aufhebung oder Reform "veralteter und überzogener Elemente der AUMF unzureichend", so die Schlussfolgerung des Berichts.

Der Kongress sollte die Befugnisse des Verteidigungsministeriums über Sicherheitskooperationen gänzlich aufheben oder reformieren. Solange er das nicht tut, werden sich die USA weiterhin im Krieg befinden – in einigen Fällen ohne die Zustimmung oder gar das Wissen der Bevölkerung.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und ist hier im englischen Original erhältlich. Übersetzung: David Goeßmann.

Jim Lobe ist Senior Advisor und Redakteur bei Responsible Statecraft. Zuvor war er von 1980 bis 1985 und erneut von 1989 bis 2016 Leiter des Washingtoner Büros von Inter Press Service. Am bekanntesten ist er für seine Berichterstattung über den Einfluss der neokonservativen Bewegung auf die US-Außenpolitik. Im Jahr 2015 wurde LobeLog als erstes Weblog mit dem Arthur Ross Media Award der American Academy of Diplomacy für herausragende Berichterstattung und Analysen zu außenpolitischen Themen ausgezeichnet.