Wie der Staat mit RWE kooperiert, um die Umweltkatastrophe zu verschärfen
Polizei lässt Konzern-Trupps räumen. Drehtüren schwingen, Grenzen zwischen dem Energieriesen und Kommunen verwischen. Über die Macht der Kohle in Deutschland.
Anfang 2023 war das deutsche Dorf Lützerath Schauplatz gewaltsamer Zusammenstöße zwischen Tausenden von Demonstranten und der Polizei, die das Dorf räumen wollte, um es dem riesigen Kohletagebau Garzweiler II zu überlassen. In kleinen Gruppen stürmten die Polizeikräfte auf die Demonstranten zu, schlugen, traten und stießen sie zu Boden. Polizeihunde griffen Demonstranten an, die nur wenige Meter von der Steilkante des Tagebaus Garweiler II entfernt waren. Dutzende von Menschen wurden verletzt.
Die Proteste machten weltweit Schlagzeilen, als sich Greta Thunberg an den Protesten beteiligte und von der Polizei festgenommen wurde.
Unter Einsatz von Schlagstöcken, Pfefferspray und Hunden (die örtliche Polizei weist darauf hin, dass es sich dabei um "rechtlich zulässige Mittel der körperlichen Gewalt" handelt, die "nur zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" eingesetzt wurden) trieb die Polizei die Demonstranten schließlich aus dem Dorf. Dann rückten die Bulldozer an. Heute, so ein Aktivist, "sieht der Ort, an dem Lützerath stand, genauso aus wie der Rest der Bergbaufolgelandschaft ringsum".
Lützerath wurde besonders bekannt, aber auch andere Dörfer in der Region haben das gleiche Schicksal erlitten. In meiner akademischen Forschung habe ich verfolgt, wie die regionale Polizei seit Langem mit dem Energiekonzern RWE zusammenarbeitet, um sicherzustellen, dass der Ausbau von Kohlebergwerken nicht durch lokale Einwände behindert wird.
Die Proteste in Lützerath begannen, nachdem fast alle Bewohner des Ortes vor einigen Jahren gezwungen wurden, ihr Land zu verkaufen und zu verlassen. Die Enteignung von Land für den Bergbau ist ein historischer Drehpunkt in Deutschland, da das moderne Bundesberggesetz, das dies ermöglicht, aus einer alten Nazi-Gesetzgebung hervorging, die die Vertreibung von Gemeinden für den Kohleabbau in Deutschland erlaubte, um seine Kriegsfähigkeit zu stärken.
In enger Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden und dem letzten verbliebenen Landwirt, Eckardt Heukamp, errichteten Aktivisten Barrikaden, Baumhäuser, Tunnel und Dreibeine. Sie zogen in leerstehende Häuser ein, um die Zerstörung des Dorfes zu stoppen und sich auf eine letzte Konfrontation mit der Polizei und dem Betreiber des Bergwerks, dem Energieriesen RWE, vorzubereiten. (In einer Erklärung, die The Conversation zur Verfügung gestellt wurde, erklärte die örtliche Polizei, sie sei verpflichtet, "jeden zu verfolgen, der sich gegen den Willen des Eigentümers [im Bergbaugebiet] aufhält").
Heukamp verlor seinen Prozess gegen RWE im Jahr 2022 und musste mit ansehen, wie sein Familienbetrieb zerstört wurde. Das war das zweite Mal, dass er wegen der Kohle enteignet wurde.
Mit Demonstrationen Anfang 2023 wurde gegen die Räumung der Aktivisten protestiert, mit der es RWE ermöglicht werden soll, einen dicken Flöz Braunkohle unter dem Dorf abzubauen und zu verbrennen. Braunkohle ist die schmutzigste Form der Kohle, und allein im Tagebau Garzweiler sollen weitere 280 Millionen Tonnen davon abgebaut werden.
Studien zeigen, dass diese Kohle für die deutsche Energieversorgung nicht notwendig ist. Sie ist aber Teil eines umstrittenen Deals zwischen RWE und der Bundesregierung mit grüner Beteiligung, der das Ende des Braunkohleabbaus in Deutschland von 2038 auf 2030 vorverlegt und damit fünf ähnliche Dörfer "rettet", aber Lützerath opfert. Durch die Wiederinbetriebnahme von zwei Kraftwerksblöcken und die Erhöhung der jährlichen Fördermenge wird die insgesamt verbrannte Kohlemenge jedoch kaum reduziert.
Eine Geschichte des Widerstands
Der Kampf zum Schutz von Lützerath ist Teil einer jahrzehntelangen Geschichte direkter Aktionen und kämpferischen Widerstands im Rheinland. Die Besetzung des nahe gelegenen Hambacher Forsts im Jahr 2012 beispielsweise schützte ein altes Waldgebiet vor der Erweiterung eines weiteren RWE-Kohlebergwerks. Die Besetzung wurde zu einem Symbol für den Widerstand – "lieben, leben, widerstehen" – und inspirierte Menschen in ganz Deutschland und darüber hinaus.
Zehn Jahre lang folgten auf Räumungen Wiederbesetzungen, bei denen Menschen ihr Leben riskierten, um die Umweltzerstörung aufzuhalten. Die letzte Räumung im Jahr 2018 dauerte über vier Wochen, bis sie von den Gerichten gestoppt und später für illegal erklärt wurde. Ein junger Filmemacher, Steffen Meyn, starb, als er während der Räumung etwa 20 Meter von einer Baumbrücke fiel.
Obwohl die Räumung und Zerstörung des Waldes schließlich gestoppt wurde, ist nur noch ein kleiner Teil des ursprünglichen Waldes übrig. Durch die Hitze, die von dem nahe gelegenen Bergwerk ausgeht, trocknet der Wald Berichten zufolge langsam aus.
Bei der Bekämpfung des Widerstands konnte RWE oft auf die Unterstützung von Polizei und Politikern zählen. Im Jahr 2015 stellte sich heraus, dass der damalige Landrat, der für die polizeiliche Verfolgung von Anti-Kohle-Protesten zuständig war, selbst Mitglied des Aufsichtsrats von RWE Power war, während Greenpeace-Recherchen ergaben, dass mindestens 17 Politiker aus allen politischen Parteien – von Bürgermeistern bis hin zu Parlamentariern – Nebenjobs bei dem Unternehmen hatten.
(In ihrer Antwort erklärte die örtliche Polizei, sie sei "zur politischen Neutralität verpflichtet [und] lasse sich nicht von privaten oder wirtschaftlichen Interessen leiten. Wir handeln ausschließlich auf gesetzlicher Grundlage").
Seit Jahrzehnten pflegt RWE sein Image als "verantwortungsbewusster Nachbar", dank der PR- und Corporate Social Responsibility (CSR)-Arbeit des Unternehmens und der Unterstützung durch regionale Medien und die Regierung. Die Polizei hat lange Zeit mit RWE zusammengearbeitet, indem sie Pressebotschaften retweetete, die Fahrzeuge des Unternehmens für den Transport von Demonstranten nutzte und die schwierigsten Räumungsarbeiten (in den Tunneln) an die RWE-eigene Privatfeuerwehr übertrug, indem sie sie als "Rettung" deklarierte.
(Die Polizei gibt an, dass dies geschehen ist, bestreitet aber, dass es sich um ein Beispiel für Zusammenarbeit handelt. "Vielmehr", so ein Sprecher gegenüber The Conversation, "handelt es sich um klare, gesetzlich zugewiesene Verantwortlichkeiten").
Drehtürbeziehungen garantieren der Politik zur Verteidigung der Kohle um jeden Preis dabei einen sanften Ablauf. Ende 2022 verließ beispielsweise der Bürochef der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock die Politik, um Cheflobbyist von RWE zu werden. (The Conversation bat RWE um einen Kommentar, ob dies ein Beispiel für eine "Drehtür"-Situation sei, erhielt aber keine Antwort).
Seit Jahrzehnten bezahlt RWE die Kommunen in Aktien und nicht in bar, was bedeutet, dass viele finanziell von dem Unternehmen abhängig sind. Nahezu ein Viertel der RWE-Aktien befindet sich im Besitz von Gemeinden, Städten und Kreisen. Die Kommunen sind somit Aktionäre, Lizenzgeber, Kunden, Wahlbezirke, Angestellte und Steuereintreiber zugleich.
Unscharfe Grenzen zwischen Unternehmen und Staat
Die Grenzen zwischen RWE und dem Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) sind so unscharf, dass das Land manchmal als "NRWE" bezeichnet wird. Als ich die Aufstandsbekämpfungsstrategien von RWE in der Region untersuchte, stellte ich fest, dass die Interessen des Unternehmens überall präsent sind, von Kirchenchören und Stadträten bis hin zu Schulträgern und Universitäten.
RWE finanziert Grillfeste der Polizei und Feuerwehrautos, erfuhr ich, sponsert Fußballvereine und Festivals, Konzerte und Ausstellungen, Aussichtsplattformen und historische Schlösser, organisiert regelmäßig Vorträge und Restaurierungskonferenzen. Sie stellt Backwagen und öffentliche Bücherregale auf, bezahlt Schulgebäude, organisiert ehrenamtliche Tätigkeiten und Führungen durch das Bergwerk.
Die Mitarbeiter gehen in Schulen und verteilen Lunchpakete an Erstklässler. Sie entwickeln Unterrichtsmaterialien, Rollenspiele und Mädchentage in ihren Ausbildungszentren, bieten Schulausflüge in Kraftwerke, Zooschulen und Umweltbildungsinitiativen an. (RWE hat nicht auf die Frage geantwortet, ob es sich derart Unterstützung bei lokalen Gemeinden erkauft.).
Bereits in den 1980er-Jahren wies ein wissenschaftlicher Bericht auf die ökologische Zerstörung durch den Bergbau in der Region hin – doch die Veröffentlichung wurde von der Landesregierung blockiert. In jüngerer Zeit konnte RWE Einfluss auf die Gesetzgebung nehmen.
Der Spiegel berichtete im Jahr 2022, dass Teile der deutschen Kohleausstiegsgesetze, die die Offenhaltung des Tagebaus Garzweiler sicherstellen, auf von dem Unternehmen bezahlten Studien beruhen. RWE hat zuvor bestätigt, dass es die Studien finanziert hat, sagte aber, dass jeder "freien Zugang zu den Dokumenten" habe.
RWE hat auch Studien darüber bezahlt, wie man den Widerstand gegen seine eigenen Maßnahmen verstehen kann. All das sind klassische Aufstandsbekämpfungsstrategien zur Unterdrückung, Befriedung und Kooptierung von Andersdenkenden, denen durch eine gut geölte Propagandamaschine der Wind aus den Segeln genommen werden soll.
Die Räumung von Lützerath ist vorbei. Aber Kriminalisierung und Polizeigewalt gehen im rheinischen Kohlerevier weiter. Da die Polizei weiterhin das fossile Kapital schützt, die ökologische Zerstörung damit vorantreiben lässt und den Eindruck erweckt, dass man nicht nur RWE, sondern auch den vielen Einzelpersonen und Institutionen dient, die finanziell vom Ausbau des Kohlebergbaus profitieren, geht der Kampf weiter.
The Conversation hat RWE um eine Stellungnahme gebeten, aber keine Antwort erhalten.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit The Conversation. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.